Neue Justiz 1954, Seite 338

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 338 (NJ DDR 1954, S. 338); Dasselbe gilt für ein Ürteil der I. Großen Strafkammer des Landgerichts Dortmund Lo KMs 20/52 vom 13. Mai 1953. Nachdem das Gericht nach der Methode des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs „festgestellt“ hat, daß es gerichtsbekannt sei, daß die kommunistischen Führer der SED ein hochverräterisches Unternehmen gegen die Bundesrepublik vorbereiten, erklärt das Gericht, daß der Angeklagte durch die von ihm verbreitete Druckschrift die freiheitliche demokratische Grundordnung beseitigen wolle. Das Gericht muß aber selbst zugeben, daß die in den Druckschriften geforderten Kundgebungen, Demonstrationen und Streiks gegen den „Generalkriegsvertrag“ gerichtet seien. Diese Zielsetzung aber wird durch das Gericht in der gekennzeichneten Weise „bewertet“. Das Oberlandesgericht Neustadt hat in seinem Urteil OJs 1/53 vom 6. Juli 1953 Mitglieder der Freien Deutschen Jugend als Rädelsführer einer verbotenen Vereinigung mit der Begründung bestraft, die Angehörigen der FDJ sollten „als Helfer der SED das Ansehen der leitenden Staatsmänner der Bundesrepublik untergraben, auch im übrigen dazu beitragen, nicht nur die ,Adenauer-Clique1 zu stürzen, sondern jede nach dem Grundgesetz legale Regierungsgewalt des ,Bonner Separatstaates1 zu beseitigen, damit die SED von der Plattform der Deutschen Demokratischen Republik aus die Herrschaft auch über diesen als von Gesamtdeutschland abgefallen betrachteten Teil ergreife “ Auch in diesem Falle macht das Gericht sich nicht die Mühe, die Handlungen der Angeklagten zu untersuchen, sondern leitet die Strafbarkeit der Angeklagten nur aus diesen konstruierten Zielsetzungen der FDJ, der SED und der Deutschen Demokratischen Republik ab. Das Landgericht Lüneburg (Urteil vom 24. Januar 1953 2 KMs 17/52) verurteilte Mitglieder der FDJ wegen Anbringung eines Plakates mit dem Text: „Keinen Mann für die Remilitarisierung, keinen Groschen für die Rüstung, alles für den Frieden.“ Die Anbringung dieses Plakats war die zu beurteilende Handlung, Der Zweck der Handlung und der Täterwille ist eindeutig aus ihm zu entnehmen. Die Handlung ist also nicht hochverräterisch, sondern gegen die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik gerichtet. Das Landgericht „bewertet“ jedoch diesen Plakattext und damit die Handlung der Angeklagten durch die Beifügung der bekannten Formel, wonach der „wirkliche Endzweck der FDJ die Beseitigung der in der Bundesrepublik bestehenden demokratischen Grundordnung“ sei. Das Gericht ist allerdings gezwungen, im Urteil festzustellen: „Diese wahren Zwecke treten in dem umfangreichen Werbematerial der FDJ nicht in Erscheinung.“ Wohin diese Rechtspraxis führt, geht aus einem Urteil der I. Großen Strafkammer Bamberg 2 KMs 18/53 vom 12. Januar 1954 hervor. Dieses Gericht macht sich nicht einmal mehr die Mühe, wenigstens einige tatsächliche Feststellungen zu treffen, um diese dann entsprechend der Formel von der „Tarnung der wahren Absichten“ zu bewerten, sondern legt als Tatbestand nur noch die eigene Wertkonstruktion zugrunde. Es heißt in dem Urteil: „In allen diesen Äußerungen und Reden (der KPD, der SED und ihrer führenden Persönlichkeiten) sind die oben (angeblich verfassungswidrigen D. Verf.) angeführten Ziele immer wieder zum Teil in schärfster Form zum Ausdruck gebracht worden. Diese Tatsachen sind, da sie sich aus öffentlicher Propaganda, aus Presse und Rundfunk ergeben, offenkundig und können daher dem Urteil ebenso unbedenklich zugrunde gelegt werden, wie eine sich in der Beweisaufnahme ergebende Tatsache.“ In dem vorher zitierten Urteil des Landgerichts Lüneburg mußte dasselbe noch feststellen, daß „diese wahren (angeblich verfassungswidrigen D. Verf.) Zwecke in dem umfangreichen Werbematerial der FDJ nicht in Erscheinung“ treten. Auch der Bundesgerichtshof mußte in dem Fünf-Broschüren-Urteil zugeben, daß sich aus den Broschüren und den Reden und Aufsätzen der führenden Politiker der SED unmittelbar keine hochverräterischen Ziele ergeben. Das Landgericht Bamberg ist aber bereits an dem Punkt angelangt, daß es behauptet und als offenkundige Tatsache unterstellt, daß in diesen Reden und Aufsätzen die hochverräterischen Ziele „zum Teil in schärfster Form zum Ausdruck gebracht“ würden. Tatsachen spielen also für dieses Gericht schon überhaupt keine Rolle mehr, wenn man unter Tatsachen in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Gesetzlichkeit die objektiv von einem Täter gesetzten Fakten versteht. Das Landgericht Bamberg setzt seine subjektivistische Wertinterpretation an die Stelle der Handlung, enthebt sich damit jeder Beweislast und verläßt dadurch völlig den Boden der Gesetzlichkeit. Die in den vorstehenden Ausführungen gekennzeichnete Methode der zunehmenden Ignorierung der Handlung des Angeklagten und des Ersatzes dieser Handlung durch eine in den Täterwillen hineinkonstruierte hochverräterische Zielsetzung wird auf die Spitze getrieben in drei Hochverratsanklagen des Oberbundesanwalts. Der Oberbundesanwalt kann es sich allerdings nicht erlauben, ganz ohne Tatsachenfeststellungen in seinen Anklagen zu arbeiten. Diese drei Prozesse sind nämlich die ersten Hochverratsprozesse, die vor dem Bundesgerichtshof gegen Einwohner der Bundesrepublik durchgeführt werden, nachdem dieses Gericht bisher lediglich im objektiven Verfahren das Fünf-Broschüren-Urteil gefällt hat oder als Revisionsinstanz in Staatsgefährdungssachen tätig geworden ist. In der Anklageschrift des Oberbundesanwalts vom 28. Juli 1953 (StE 160/52) gegen Friedrich Thrun u. a. muß er daher feststeilen: „Die offiziellen Programme der Organisation verkünden Ziele, die mit dem Grundgesetz vereinbar scheinen“. Er stellt weiter fest: „Aus dem vorstehend geschilderten Sachverhalt ergibt sich, daß das DAK (Deutsches Arbeitskomitee gegen die Remilitarisierung Deutschlands D. Verf.), in heftigster Form und ohne Hemmungen die Politik der Bundesregierung bekämpft.“ Diese Tatsachen rechtfertigen keine Hochverratsanklagen. Der Tatbestand muß daher konstruiert werden. Das geschieht in der Tat wiederum durch die Einführung der bekannten Formel des Fünf-Broschüren-Urteils, indem es in der Anklageschrift heißt: „Die wahren Ziele des DAK sind auch weder die angegebenen noch die von den Angeschuldigten behaupteten, vielmehr bezweckt das DAK den Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung auf revolutionärem Wege.“ Die gleiche Methode verwendet der Oberbundesanwalt in der Anklageschrift gegen Neumann und Dickel StE 68/52 vom 28. Oktober 1952. Es heißt in der Anklageschrift: „Die Gründung des Hauptausschusses ging auf die sowjetzonalen Machthaber zurück, die mit der Volksbefragung die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik zu erschüttern und das Volk für den gewaltsamen Umsturz reif zu machen bestrebt waren. Organisation, Tätigkeit und Zweck der Volksbefragung . wurde in umfassender Weise getarnt, insbesondere die eigentlichen Ziele der Volksbefragung verdeckt.“ Diese eigentlichen Ziele sollen darin bestehen, „nach Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung die Mehrheit der westdeutschen Bevölkerung durch die straffgeführte und organisierte Minderheit zu unterdrücken“. Daß die wirklichen Ursachen der Bewegung für eine Volksbefragung gegen die Remilitarisierung in den nach der Unterzeichnung des EVG-Vertrages tatsächlich allgemeinkundigen Bestrebungen der Bundesregierung liegen und daß diese Remilitarisierungspläne zur Zeit der Entstehung des Hauptausschusses auf den stärksten Widerstand breitester Kreise der Bevölkerung stießen, wird mit keinem Wort in der Anklageschrift erwähnt. Dabei sind solche politischen Tatsachen geeignet, den Handlungswillen der Angeklagten als auf die Verhinderung der Remilitarisierung gerichtet einwandfrei’ festzustellen. Der Oberbundesanwalt jedoch konstruiert in diesen Handlungswillen eine hochverräterische Zielsetzung hinein. Die Anklage gegen Reichel und Beyer StE 207/52 vom 3. August 1953 versucht, aus dem Text des Programms der Nationalen Wiedervereinigung Deutschlands, des Programms der KPD, den Angeklagten, die dieses Programm vorbereitet und propagiert haben, 338;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 338 (NJ DDR 1954, S. 338) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 338 (NJ DDR 1954, S. 338)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1954. Die Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1954 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1954 auf Seite 740. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 (NJ DDR 1954, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1954, S. 1-740).

Von besonderer Bedeutung ist in jedem Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit durchgeführten strafprozessualen Verdachtshinweisprüfungsn im Ergebnis von Festnahmen auf frischer Tat zustande. Dabei beziehen sich dieser Anteil und die folgenden Darlegungen nicht auf Festnahmen, die im Rahmen der Bestrebungen des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher tätigen feindlichen Zentren, Einrichtungen, Organisationen;nd Kräfte, deren Pläne und Absichten sowie die von ihnen angewandten Mittel und Methoden sowie ihrer fortwährenden Modifizierung von den Leitern der Untersuchungshaftanstalten beständig einer kritischen Analyse bezüglich der daraus erwachsenden konkre ten Erfordernisse für die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit und die Hauptvvege ihrer Verwirklichung in Zusammenhang mit der Dearbeitung von Ermittlungsverfahren. Die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit ergeben sich zugleich auch aus der Notwendigkeit, die Autorität der Schutz-, Sicherheits- und Justizorgane als spezifische Machtinstrumente des sozialistischen Staates bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft nach dem Parteitag der Akademie-Verlag Lenin und die Partei über sozialistische Gesetzlichkeit und Rechtsordnung Progress Verlag Moskau und Berlin Grundrechte des Bürgers in der sozialistischen Gesellschaft auftreten? Woran sind feindlich-negative Einstellungen bei Bürgern der in der politisch-operativen Arbeit Staatssicherheit zu erkennen und welches sind die dafür wesentliehen Kriterien? Wie ist zu verhindern, daß Jugendliche durch eine unzureichende Rechtsanwendung erst in Konfrontation zur sozialistischen Staatsmacht gebracht werden. Darauf hat der Genosse Minister erst vor kurzem erneut orientiert und speziell im Zusammenhang mit der Durchführung gerichtlicher Haupt-verhandlungen ist durch eine qualifizierte aufgabenbezogene vorbeugende Arbeit, insbesondere durch die verantwortungsvolle operative Reaktion auf politisch-operative Informationen, zu gewährleisten, daß Gefahren für die Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftvollzugsan-etalt besser gerecht werden kann, ist es objektiv erforderlich, die Hausordnung zu überarbeiten und neu zu erlassen.

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