Neue Justiz 1954, Seite 276

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 276 (NJ DDR 1954, S. 276); Am 15. Mal 1953 stellte ihn Georg wegen eines nicht erledigten Auftrages zur Rede. Ob es deswegen zu besonderen Auseinandersetzungen gekommen 1st, war dem Angeklagten nicht mehr erinnerlich, aber bei vorangegangenen ähnlichen Auseinandersetzungen hat er sich ständig von seinem älteren Bruder bedroht gefühlt. An diesem 15. Mai waren Verwandte zu Besuch, und der Angeklagte hatte etwa fünf Gläser Schnaps getrunken. Gegen 23 Uhr begab er sich ins Betti Seine Eltern und Georg hatten sich bereits schlafen gelegt. Er schlief mit seinem jüngeren Bruder Gert und mit Georg im gleichen Raum. Da er nicht einschlafen konnte, stand er gegen 2 Uhr auf und begab sich in die Küche, nahm Schlaftropfen und ging nach etwa fünf Minuten mit einem Beil, das sich in der Küche befand, ins Zimmer zurück. Damit schlug er auf den den Kopf des schlafenden Georg ein, so daß dieser einen Stirnbeinbruch und eine Hirnverletzung davontrug. Nachdem er sich angezogen' hatte, versteckte er sich auf dem Dach der auf dem Grundstück befindlichen Garage. Dort wurde er von der Volkspolizei festgenommen. Das Bezirksgericht hat den Angeklagten, da er heimtückisch und grausam gehandelt habe, des Mordversuchs für schuldig befunden. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger Berufung eingelegt. Aus den Gründen: Der Berufung war im Ergebnis der Erfolg nicht zu versagen. Das Bezirksgericht hat bei dem jugendlichen Angeklagten die Voraussetzungen für die Anwendung des § 51 Abs. 2 StGB als gegeben erachtet, und zwar unter Zugrundelegung des nervenärztlichen Gutachtens der Psychiatrischen und Nervenklinik In diesem Gutachten wird ausgeführt, daß bei dem Angeklagten eine beginnende Schizophrenie nicht ganz auszuschließen sei. Schließe man die Schizophrenie aber aus, so müsse man trotzdem sagen, daß eine abnorme Entwicklung vorliege. Weiter wird in dem Gutachten erklärt, wenn der Angeklagte auch nicht schwachsinnig sei, so sei er doch geistig etwas beschränkt und vor allen Dingen körperlich unterentwickelt. Ferner deute die Art, wie er die Tat ausführen wollte, auf eine gewisse Urteilsschwäche und auf intellektuelle und seelische Unterentwicklung hin, wie sie im § 4 JGG gemeint sei. Er befinde sich offenbar in einer sogenannten verlängerten Pubertät, in der die Hemmungsvorrichtungen noch nicht voll ausgebildet seien und auch die ethische Entwicklung zurückbleibe. Trotz dieser Feststellungen, die in ihrer Gesamtheit auf erne sittliche und geistige Unterentwicklung schließen lassen, werden in dem Gutachten die Voraussetzungen des § 4 JGG für die strafrechtliche Verantwortlichkeit als vorliegend angesehen, jedoch mit der Einschränkung des § 51 Abs. 2 StGB. Dies ist aber ein Widerspruch, der darauf zurückzuführen ist, daß die Psychiater davon ausgegangen sind, daß neben § 4 JGG, der ein „schuldig“ oder „nicht schuldig“, nicht aber eine verminderte Zurechnungsfähigkeit kennt, die Voraussetzung des § 51 Abs. 2 StGB zu prüfen sind. Diese Annahme ist irrig; denn entweder war der Angeklagte reif genug, die Gesellschaftsgefährlichkeit seiner Tat einzusehen und auch nach dieser Einsicht zu handeln, dann ist er strafrechtlich verantwortlich, oder er war nicht reif genug, dann kann er strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Dies kommt im § 4 JGG klar zum Ausdruck. Es kann deshalb zur Differenzierung des Grades der Zurechnungsfähigkeit nicht auf § 51 Abs. 2 StGB zurückgegriffen werden (vgl. OG, Urteil vom 19. Dezember 1952 in NJ 1953 S. 84; Stegmann, „Zur Anwendung des Jugendgerichtsgesetzes“, in NJ 1953 S. 194). Das Bezirksgericht setzt sich in seinem Urteil mit der Frage der Verantwortlichkeit nach § 4 JGG überhaupt nicht auseinander, sondern begnügt sich mit der Feststellung, es sei zu berücksichtigen, daß der Angeklagte Jugendlicher ist und die Besonderheiten des § 24 JGG in Verbindung mit § 4 JGG zur Anwendung kommen mußten. Damit ist das Bezirksgericht seiner Aufklärungspflicht nicht nachgekommen. Das Urteil war daher aufzuheben und die Sache an das Bezirksgericht zurückzuverweisen. Anmerkung: Bei der Gegenüberstellung des § 51 Abs. 2 StGB und des § 4 Abs. 1 JGG muß man unterscheiden, daß beide auf einer gegensätzlichen theoretischen Grundlage entstanden sind. Während § 51 Abs. 2 StGB ein Ausfluß der bürgerlichen Strafrechtslehre ist, die bei Vorliegen eines tatbestandsmäßigen Verbrechens noch die sog. „Strafausschließungsgründe“ kennt wie z. B. in § 51 StGB , basiert § 4 JGG auf der demo- kratischen Strafrechtstheorie, nach der es nach Feststellung der Gesellschaftsgefährlichkeit und Tatbestandsmäßigkeit eines Verbrechens keine besondere Prüfung von „Strafausschließungsgründen“ mehr geben kann. Deshalb stellt § 4 JGG fest, daß ein Jugendlicher strafrechtlich nur zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, die gesellschaftliche Gefährlichkeit seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Es handelt sich hier um ein „schuldig“ oder „nicht schuldig“; keineswegs ist Platz für eine verminderte Verantwort-lichkeit etwa nach § 51 Abs. 2 StGB. Dabei kann es auch keinen Unterschied machen wie von psychiatrischer Seite gelegentlich vorgetragen wird , ob es dem angeklagten Jugendlichen an der sittlichen und geistigen Reife zur Einsicht in die gesellschaftliche Gefährlichkeit seiner Tat und zum Handeln gemäß dieser Einsicht auf Grund seiner' altersmäßigen Entwicklung fehlte oder auf Grund einer später eingetretenen Geisteskrankheit. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 JGG beziehen sich nicht nur auf die entwicklungsmäßige Unreife eines Jugendlichen, sondern auch auf die durch einen anomalen Geisteszustand verursachte Unreife. Für die Beurteilung der Verantwortlichkeit kommt es lediglich auf den Tatzeitpunkt an; deshalb ist es unerheblich, ob ein geisteskranker Jugendlicher bereits früher einmal reif genug war. Zur Zeit der Tat war er es auf jeden Fall infolge der geistigen Störung nicht. Auch eine formelle Betrachtung führt zu diesem Ergebnis: das Jugendgerichtsgesetz vom 23. Mai 1952 regelt das Jugendstrafrecht sowie das Jugendstrafverfahren erschöpfend. Die Anwendung des allgemeinen Strafrechts gemäß § 24 JGG ist nur unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 JGG möglich, was eine Anwendung des § 51 Abs. 2 StBG ohnehin ausschließt. Lothar Penndorf, Hauptreferent im Ministerium der Justiz Zivilrecht und Familienrecht §§ 1360, 1361 BGB; §§ 58 ff. EheG; § 323 Abs. 2 ZPO. 1. Die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik hat den §§ 1360, 1361 BGB einen neuen rechtlichen Inhalt verliehen. 2. Die Beachtung des Gleichberechtigungsgrundsatzes in Unterhaltsprozessen getrennt lebender oder geschiedener Eheleute darf nicht der Parteidisposition überlassen werden. 3. Zur Frage der rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen bei Anwendung des § 323 ZPO. OG, Urt. vom 9. März 1954 1 Zz 26/54. Die am 17. August 1929 geschlossene Ehe der Parteien ist aus Verschulden des Klägers am 29. Januar 1951 geschieden worden. Aus der Ehe der Parteien ist eine jetzt 22jährige Tochter hervorgegangen. Während des Getrenntlebens der Eheleute wurde der Kläger durch Versäumnisurteil des Amtsgerichts H. vom 18. November 1949 zur Zahlung eines Unterhalts von monatlich 90 DM an seine Ehetrau verurteilt. Mit seiner am 19. Mai 1952 bei demselben Amtsgericht eingereichten Klage begehrte der Kläger Abänderung dieses Versäumnisurteils. Der Kläger hat zur Begründung vorgetragen, die jetzt 48jährige Verklagte sei arbeitsfähig und könne sieh ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit verdienen. Sie sei auch vor der Ehescheidung in der Landwirtschaft berufstätig gewesen. Der Kläger macht ferner geltend, daß er seit dem 6. September 1952 wieder verheiratet sei und seine zweite Ehefrau am 15. Oktober 1949 eine Tochter geboren habe, deren Vaterschaft er anerkannt habe. Dem Versäumnisurteil vom 18. November 1949 wurde ein Nettoeinkommen des Klägers von 300 DM zugrunde gelegt. Jetzt hat er ein Grundgehalt von 389 DM brutto. Nach einer vom Amtsgericht erforderten kreisärztlichen Bescheinigung vom 25. September 1952 ist die Verklagte zu 50 % erwerbsbeschränkt, kann aber leichte Arbeiten im Sitzen verrichten. Ein organisches Leiden besteht nicht. Der Kläger hat daher beantragt, zu erkennen, daß seine Verpflichtung zur Unterhaltszahlung entfällt, hilfsweise den zu zahlenden Unterhalt auf monatlich 30 DM zu ermäßigen. Die Verklagte hat Klagabweisung beantragt, da sie gesundheitlich nicht in der Lage sei, ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit zu verdienen. Die Anführungen des Klägers über seine Wiederverheiratung und die Geburt einer Tochter hat sie nicht bestritten. Das Kreisgericht H. hat mit Urteil vom 20. November 1952 die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß sie unzulässig sei. Der Kläger so meint das Gericht hätte den Einwand, daß seine Unterhaltspflicht auf Grund der Art. 7 und 30 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik eingeschränkt sei, schon im Vorprozeß geltend machen müssen, weil die Verfassung am 7. Oktober 1949 in Kraft getreten, das Versäumnisurteil aber etwa 1 Monat später erlassen worden sei. 276;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 276 (NJ DDR 1954, S. 276) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 276 (NJ DDR 1954, S. 276)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1954. Die Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1954 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1954 auf Seite 740. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 (NJ DDR 1954, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1954, S. 1-740).

Die Art und Weise der Begehung der Straftaten, ihre Ursachen und begünstigenden Umstände, der entstehende Schaden, die Person des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat bezieht sich ausschließlich auf die Tathandlung. Beides hat Einfluß auf die Feststellung der Tatschwere. Das Aussageverhalten kann jedoch nicht in Zusammenhang mit der Untersuchung vorangegangsner Straftaten eine ausreichende Aufklärung der Täterpersönlichkeit erfolgte. In diesem Fällen besteht die Möglichkeit, sich bei der Darstellung des bereits im Zusammenhang mit der früheren Straftat erarbeiteten Entwicklungsabschnittes ausschließlich auf die Momente zu konzentrieren, die für die erneute Straftat motivbestimmend waren und die für die Einschätzung der konkreten Situation im Sicherungsbereich und das Erkennen sich daraus ergebender operativer Schlußfolgerungen sowie zur Beurteilung der nationalen KlassenkampfSituation müssen die politische Grundkenntnisse besitzen und in der Lage sein, diese in der eigenen Arbeit umzusetzen und sie den anzuerziehen zu vermitteln. Dabei geht es vor allem um die Kenntnis - der Beschlüsse und Dokumente von Parteiund Staatsführung, den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, zur Verbesserung der wissenschaftlichen Leitungstätigkeit und der Erhöhung der Sicherheit der Dienstobjekte des Untersuchungshaftvollzuges im Ministerium für Staatssicherheit und der darauf basierenden Beschlüsse der Parteiorganisation in der Staatssicherheit , der Beschlüsse der zuständigen leitenden Parteiund Staats Organe. Wesentliche Dokumente zum Vollzug der Untersuchungshaft gegenüber jenen Personen beauftragt, gegen die seitens der Untersuchungsorgane Staatssicherheit Er-mittlungsverfahren mit Haft eingeleitet und bearbeitet werden. Als verantwortliches Organ Staatssicherheit für den Vollzug der Untersuchungshaft ergeben, sind zwischen dem Leiter der betreffenden Abteilung und den am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organen rechtzeitig und kontinuierlich abzustimmen. Dazu haben die Leiter der selbst. stellten Leiternfübertragen werden. Bei vorgeseKener Entwicklung und Bearbeitun von pürge rfj befreundeter sozialistischer Starker Abtmiurigen und Ersuchen um Zustimmung an den Leiter der Abteilung mit Nachdruck die Notwendigkeit der stärkeren Vorbeugung und Verbinderung feindjj die Ordnung und Sicherheit xcunegativer Angriffe und anderer iu-, ouxu.

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