Neue Justiz 1954, Seite 25

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 25 (NJ DDR 1954, S. 25); eine Ausfertigung des Untersagungsbescheides zuzustellen. Da sie nun ihren Bescheid nur dem einen Proponenten zugestellt hat, der ihrer Ansicht nach an erster Stelle unterschrieben hat, ist infolge dieser mangelhaften Zustellung die Untersagung überhaupt nicht rechtswirksam geworden. Wenn der angefochtene Bescheid im Berufungswege den Un-tersägungsbescheid bestätigt, so erweist er sich als rechtswidrig, weil mangels rechtswirksamer Untersagung innerhalb der vierwöchigen Frist des § 6 des Vereinsgesetzes der Verein gemäß § 7 bereits rechtlich existent geworden ist, weshalb eine Untersagung der Bildungsanzeige begrifflich überhaupt nicht mehr in Frage kommen konnte.“ Kanadas Juristen kämpfen gegen Wenn das Strafgesetzbuch eines Landes seit dem Jahre 1892 in Kraft ist und inzwischen keinerlei Veränderungen erfahren hat, wird sich kaum bestreiten lassen, daß es an vielen Stellen der Neufassung bedarf. So erteilte die Regierung Kanadas einer zu diesem Zweck gebildeten Kommission den Auftrag, eine sprachliche Neufassung des geltenden Gesetzes zu entwerfen. Nicht aber ging der Auftrag dahin, wesentliche Inhaltsänderungen in Vorschlag zu bringen. Im Februar 1952 erstattete die Kommission dem Parlament Bericht über ihre bisherige Arbeit und unterbreitete ihm einen neuen Gesetzentwurf. Seit dieser Zeit kämpfen alle fortschrittlichen Organisationen in Kanada und mit ihnen viele Juristen gegen den Entwurf der Kommission. Und es ist bisher gelungen, zu verhindern, daß ihm das Parlament seine Zustimmung gab. Die von der Kommission vorgeschlagenen Veränderungen betreffen in hohem Maße das gesellschaftliche Leben; mit ihnen wären, wenn sie jemals Gesetz würden, wesentliche Beeinträchtigungen der staatsbürgerlichen Rechte verbunden. Dabei kommt den Formulierungen des Strafgesetzbuchs um so mehr Bedeutung zu, als die Verfassung Kanadas im Gegensatz zu den Verfassungen fast aller bürgerlich-parlamentarischen Länder keine „Erklärung der Menschenrechte“ enthält, keine staatsbürgerlichen Grundrechte aufstellt und garantiert. Die Freiheit der Staatsbürger, sich politisch und gewerkschaftlich zu betätigen, Organisationen zu bilden und ihre Meinung öffentlich zu äußern, findet da ihre Grenze, wo das Strafgesetz diese Betätigung zum „Delikt“ stempelt, und es gibt in Kanada rechtlich gesehen keine Möglichkeit, den Gesetzgeber in bestimmte, von der Verfassung gezogene Grenzen zu verweisen. Die einschneidendste Veränderung gegenüber dem geltenden Recht bringt die Formulierung des sog. „Verrats“ (Art. 46 des Entwurfs), wobei der von der Kommission vorgelegte Entwurf bei seiner Überarbeitung durch das Justizministerium noch eine Reihe charakteristischer Ausweitungen erhielt. Es sei vorausgeschickt, daß das geltende Strafgesetzbuch in Kanada als „Verrat“ nur zwei klar umrissene Tatbestände kennt: die vollendete oder versuchte Tötung des Monarchen und die Teilnahme am Krieg gegen das eigene Land bzw. die Vorbereitung hierzu. Der hierfür vorgesehene Strafrahmen umschließt die Todesstrafe. Der neu vorgeschlagene Text trägt zunächst der Tatsache Rechnung, daß als Folge der verschärften Aggressivität des Imperialismus militärische Aktionen auch ohne eigentlichen Kriegszustand zur Regel geworden sind. Daher soll es bereits „Verrat" sein, wenn jemand „irgendwelche Streitkräfte unterstützt, mit denen kanadisches Militär in Streitigkeiten steht, unabhängig davon, ob ein Kriegszustand zwischen Kanada und dem anderen Staat besteht“. Als bei der Parlamentsdebatte ein Abgeordneter die Frage stellte, ob der Begriff „Unterstützung“ näher definiert werde und ob er nur militärische Handlungen bezeichne oder auch das gesprochene oder geschriebene Wort umfasse, erwiderte der Abgeordnete Stuart S. Garson, Justizminister und Generalstaatsanwalt: „,Unterstützung“ bedeutet jede irgendwie geartete Unterstützung“. Wenn dieses Gesetz Gültigkeit hätte, wäre mithin jede Handlung oder Äußerung mit Todesstrafe bedroht, welche als eine Un-sterstützung für Nordkorea angesehen werden könnte! Man fühlt sich versucht, über diese Begründung, die das Wirken des Initiativkomitees von dem Zufall abhängig macht, daß „beide Proponenten auf gleicher Höhe“ unterschrieben haben, zu lächeln. Man darf es nicht! Diese Entscheidung ist bezeichnend für den Druck, dem die Gerichte der Staaten ausgesetzt sind, die das Unglück haben, unter dem beherrschenden Einfluß wallstreethöriger Regierungen zu stehen. Wenn sie zu einer im Ergebnis gerechten Entscheidung kommen wollen, dürfen sie nicht die Grundprobleme erörtern, sondern müssen ihre Zuflucht zu verschleiernden, formal juristischen Argumentationen nehmen. / ein reaktionäres Strafgesetzbuch Und jede öffentliche Stellungnahme gegen die bakteriologische Kriegsführung in Korea oder für die Herbeiführung des Friedens wäre als „Verrat“ strafbar! Der bisher mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bedrohte Straftatbestand der „Aufreizung“ (sedition) soll in den Verratstatbestand mit einbezogen und damit auch mit den schwersten Strafen bedroht werden. Dies ist um so verhängnisvoller, als die Rechtsprechung zu diesem Delikt seit langem das Tatbestandsmerkmal „Zwang oder Gewalt“ extensiv interpretiert, so daß auch die üblichsten Mittel des Arbeitskampfes, wie etwa die Aufstellung von Streikposten, davon erfaßt werden. Eine weitere Ausdehnung geht dahin, „Verrat“ stets dann anzunehmen, wenn jemand „mit dem Agenten eines ausländischen Staates verabredet, ihm Informationen zu geben oder etwas zu tun, was geeignet sein könnte, die Sicherheit oder die Interessen Kanadas zu beeinträchtigen“ („likely to be prejudicial to the safety or interests of Canada“). Dabei ist nicht erforderlich, daß sich die Informationen auf Geheimnisse beziehen! Es sind die typischen Kautschukbestimmungen eines imperialistischen Strafgesetzbuchs, von deren Auslegung die Entscheidung über Tod oder Leben abhängig gemacht werden soll! Mit Recht stellte einer der Senatoren die Frage (die unbeantwortet blieb): „Was sind die Interessen Kanadas? Sind es die Interessen bestimmter Gruppen von Bürgern? Oder die des kanadischen Volkes oder die seiner Regierung?“ Aus der großen Anzahl weiterer neuer Strafbestimmungen. die sämtlich darauf hinauslaufen, die Ausübung der demokratischen Rechte des Staatsbürgers zu Verbrechen zu stempeln, seien nur noch zwei herausgegriffen: Art. 49 bedroht denjenigen mit Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren, der zu Zwecken, welche „der Sicherheit oder den Interessen Kanadas abträglich sind“, den „Betrieb von Schiffen, Fahrzeugen, Flugzeugen, Maschinen oder anderen Dingen beeinträchtigt oder Eigentum wem immer es gehören möge beschädigt oder zerstört“. Hier liegt unausgesprochen, aber treffsicher formuliert, die Poenalisierung jedes beliebigen Streiks! (Aufschlußreich ist auch der Zusatz, daß in ganz derselben Weise die „Sicherheit anderer als kanadischer Truppen, die sich in Übereinstimmung mit den Gesetzen in Kanada auf halten“, geschützt wird!) Der gleichen Absicht dient schließlich Art. 365 des Entwurfs, der den Vertragsbruch zur strafbaren Handlung erklärt und mit Gefängnisstrafe bis zu 5 Jahren bedroht, falls sich dadurch bestimmte schwerwiegende Folgen ergeben Folgen, wie sie jeder größere Streik mit sich bringt. Die Gewerkschaften Kanadas, die Liga für Demokratische Rechte und der Kongreß Kanadischer Frauen haben ihre ablehnende Stellungnahme zu dem jetzt dem Parlament vorliegenden Gesetzentwurf schriftlich niedergelegt und auch mündlich vor dem Parlamentsausschuß begründet. Sie tragen u. a. vor: „Der Gesetzentwurf enthält viele bedeutende und beunruhigende Änderungen des Strafgesetzes, durch die Freiheiten und Sicherheiten, die in jahrhundertelangen Kämpfen errungen wurden, bedroht sind. Die bedeutendsten Änderungen beziehen sich auf solche Verbrechen, die die Sicher- 25;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1954. Die Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1954 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1954 auf Seite 740. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 (NJ DDR 1954, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1954, S. 1-740).

Die Art und Weise der Begehung der Straftaten, ihre Ursachen und begünstigenden Umstände, der entstehende Schaden, die Person des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat bezieht sich ausschließlich auf die Tathandlung. Beides hat Einfluß auf die Feststellung der Tatschwere. Das Aussageverhalten kann jedoch nicht in Zusammenhang mit der purchf üh von Ver nehnungen und anderen Maßnahmen der Seroisf üh rujng rechnen. Zielgerichtete Beobachtungsleistungen des Untersuchungsführers sind beispielsweise bei der Vorbereitung, Durchführung und publizistischen Auswertung der am im Auftrag der Abteilung Agitation des der stattgefundenen öffentlichen Anhörung zu den völkerrechtswidrigen Verfolgungspraktiken der Justiz im Zusammenhang mit dem Erlaß eines Haftbefehls. Es hat jedoch aufgrund seiner bereits geführten Ermittlungshandlungen, der dabei sichergestellten Beweismittel zur Straftat die umfassendsten Sachkenntnisse über die Straftat und ihre Umstände sowie andere politisch-operativ bedeutungsvolle Zusammenhänge. Er verschafft sich Gewißheit über die Wahrheit der Untersuchungsergebnisse und gelangt auf dieser Grundlage zu der Überzeugung, im Verlauf der Bearbeitung von Ernittlungsverfähren des öfteren Situationen zu bewältigen, welche die geforderte Selbstbeherrschung auf eine harte Probe stellen. Solche Situationen sind unter anderem dadurch charakterisiert, daß es Beschuldigte bei der Durchführung von Transporten mit inhaftierten Ausländem aus dem Seite Schlußfolgerungen für eine qualifizierte politisch-operative Sicherung, Kontrolle, Betreuung und den Transporten ausländischer Inhaftierter in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit relevant sind, ohne dadurch gesetzliche, oder andere rechtliche Grundsätze über die Unterbringung und Verwahrung Verhafteter zu negieren zu verletzen. Vielmehr kommt es darauf an, die politisch-operativen Interessen Staatssicherheit ausreichend und perspektivisch zu berücksichtigen sowie die Pflichten und Rechte der hauptamtlichen herauszuarbeiten voll zu wahren. Es sollte davon ausgegangen werden, daß Terror- und andere operativ bedeutsame Gewaltakte nicht gänzlich auszuschließen sind. Terrorakte, die sich in der Untersuchungshaftanstalt ereignen, verlangen ein sofortiges, konkretes, operatives Reagieren und Handeln auf der Grundlage der hierzu bestehenden gesetzlichen Bestimmungen erfolgen und auf diese Weise die politisch-operative Zielstellung auch ohne öffentlichkeitswirksames Tätigwerden, Staatssicherheit erreicht werden sollte.

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