Neue Justiz 1954, Seite 228

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 228 (NJ DDR 1954, S. 228); an die Vorbereitung und Durchführung von Justizaussprachen, Schöffenschulungen, sonstigen Schulungen u. a. m. Das alles will heißen, daß „Zeitmangel“ und „Arbeitsüberlastung“ nicht immer nur „vorgeschützt“ werden, wie Büttner5) behauptet. Hinzu kommt ein Weiteres, Gewichtigeres, das noch mehr als die vorbezeichneten Umstände geeignet ist, viele Praktiker wenig Geschmack an der Kenntnisnahme und Verarbeitung wissenschaftlicher Publikationen finden zu lassen, etwas, mit dem die Wissenschaft schon selbstkritisch sich auseinanderzusetzen begonnen hat: die Art und Weise, in der die Vertreter der Rechtswissenschaft ihre Arbeit und deren Ergebnisse der Praxis darbieten, und zwar nach Gegenstand, Inhalt und Form. Für eine Verbesserung in diesen Beziehungen im Hinblick auf die Bedürfnisse der Praxis sollen im folgenden einige Anregungen gegeben werden. Es ist unbestreitbar, daß eine echte Wissenschaft sich nicht darauf beschränken kann und darf, in praktizisti-scher Weise ausschließlich sich mit den kleinen Einzelfragen der täglichen Praxis abzugeben. Sie wäre damit von vornherein zur Systemlosigkeit verurteilt, und das gerade wäre ein wesentliches Merkmal der Unwissenschaftlichkeit. Das wäre schon gar nicht angängig in unserer heutigen Lage, wo unseren Rechtswissenschaftlern in der Deutschen Demokratischen Republik die große Aufgabe gestellt ist, unter Berücksichtigung nutzbaren deutschen rechtswissenschaftlichen Erbes und der Ergebnisse und der Methoden fortschrittlicher, insbesondere sowjetischer Wissenschaft eine echte demokratische Rechtswissenschaft zu entwickeln. Da muß schon aus allgemeinen Erkenntnissen, wie dem Überbaucharakter der politischen und juristischen Anschauungen und Einrichtungen her ableitend vorgegangen werden. Das schließt aber m. E. nicht aus, sondern macht es geradezu notwendig, daß man sich nicht nur mit den grundsätzlichen Problemen beschäftigt, sondern sich auch an die speziellen Fragen wagt. Denn dem Praktiker ist wenig damit gedient, wenn ihm ein wissenschaftlicher Meinungsstreit über den Unterschied zwischen Gegenstand und Begriff des Zivilrechts vorgesetzt wird6), ohne daß gesagt wird, wieso und in welchen Beziehungen eine solche Auseinandersetzung von Bedeutung ist. In gleichem Sinne spricht Geräts7) treffend von der methodischen Fehlerhaftigkeit der „Tendenz, Definitionen strafrechtlicher Begriffe zu geben, ohne gleichzeitig darzulegen, weshalb diese Definitionen und ihre Kenntnis wichtig sind“. Beim Studium derartiger Abhandlungen gewinnt der Praktiker leicht den Eindruck, die Wissenschaft betreibe ihre Arbeit als Selbstzweck. Der Praktiker wird sich mit zweifellos größerem Interesse einem Aufsatz wie dem von Posch zuwenden, der die Feststellung trifft und begründet: „§ 823 Abs. 1 BGB schützt auch Forderungsrechte“8). Große Befriedigung bei allen Strafrechts-praktikem würde es z. B. auslösen, wenn die Wissenschaft sich unserem neuen Strafverfahrensrecht zuwenden würde, und zwar nicht nur in bezug auf allgemeine, sondern auch auf spezielle Fragen. Damit soll keineswegs verlangt werden, daß die Wissenschaft nur auf die Praxis bewegende Einzelfragen antworten und den praktischen Juristen das Denken abnehmen soll8); die Wissenschaft muß aber mehr als bisher erkennen, daß es viele Fragen gibt, die zwar nach außen hin speziell-praktischer Natur sind, ihrer tieferen Bedeutung nach aber durchaus prinzipiell-theoretischer Erörterung, also wissenschaftlicher Behandlung fähig und bedürftig sind. Nur ein Beispiel für viele: Wie ist die Rechtslage einer nach § 174 StPO zurückverwiesenen Sache unter Berücksichtigung des § 171 StPO und des Prinzips der strengen Trennung der Verfahrensabschnitte und der dafür bestehenden Verantwortlichkeiten? Darf nach Zurückverweisung ins Ermittlungsverfahren der Staatsanwalt von sich aus das Verfahren einstellen oder sonstige Verfügungen treffen oder muß er in jedem Falle die Sache ggf. mit seiner Stellungnahme oder Anträgen an das Gericht zur Entscheidung zurück- 5) a. a. O. S. 439. 6) vgl. Kleine, „Für ein hohes Niveau ln der Rechtswissenschaft“, ln „Staat und Recht“ 1953 S. 752 (755 f.). 7) wiedergegeben von Hartmann, a. a. O., S. 771. 8) NJ 1954 S. 12. 9) vgl. Büttner, a. a. O., S. 439. geben? Welche Rolle spielt es dabei, ob die Zurückver-weisupg vor oder nach Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgt? Leider hält die Prozeßwissenschaft überhaupt noch keineswegs Schritt mit der Wissenschaft vom materiellen Recht, obwohl das Prozeßrecht, worauf Schindler10 11) zutreffend hinweist, keineswegs nur technisches Handwerkszeug ist. Die bisher übergebührliche Vernachlässigung der Prozeßwissenschaft wird auch in der Vorbemerkung der Redaktion vor dem Beitrag von Schindler11) mit Recht hervorgehoben. Eine stärkere wissenschaftliche Durchdringung des Prozeßrechts würde zweifellos von allen Praktikern lebhaft begrüßt werden. Der Inhalt wissenschaftlicher Darlegungen läßt, besonders in Arbeiten unserer jüngeren wissenschaftlichen Kollegen, häufig Kenntnisse und Erfahrungen auf praktischem Gebiet vermissen. Daß die Vertreter der Wissenschaft hierfür selbst das richtige Gefühl haben, zeigt die von Geräts auf der 5. Arbeitstagung der Abt. für Strafrecht beim Deutschen Institut für Rechtswissenschaft erhobene Forderung nach richterlicher Tätigkeit der Wissenschaftler12). Die Tätigkeit eines Wissenschaftlers in der Justizpraxis als Richter oder Staatsanwalt sollte nach meinem Dafürhalten nicht im unmittelbaren Hinblick auf Forschungsaufträge erfolgen; eine praktische Tätigkeit unter diesem Blickwinkel lehnt Büttner13) mit Recht ab. Sie sollte vielmehr dazu dienen, die Theoretiker mit dem Wesen der praktischen Justizarbeit überhaupt und mit der Perspektive des Praktikers im allgemeinen vertraut zu machen. Wir Praktiker wissen alle, daß im Lichte praktischer Tätigkeit vieles ganz anders aussieht, als es uns während unserer theoretischen Ausbildungszeit erschien. Diesen Eindruck sollte jeder Jurist einmal selbst empfunden haben, wozu aber bei einem Teil unseres wissenschaftlichen Nachwuchses vor Eintritt in die wissenschaftliche Laufbahn vermutlich keine Gelegenheit gegeben war. Darauf ist wohl auch in erster Linie die z. T. schon selbstkritisch festgestellte Abstraktheit der Darstellungen und die wie Nathan14) es richtig ausdrückt Neigung zur Beschäftigung mit ausgedachten Problemen zurückzuführen. Die Praxis bietet eine Überfülle von Problemen, die wissenschaftlicher Behandlung wert wären und die man nicht dem „Selbstlauf“ der Praxis überlassen sollte, schon nicht im Interesse der Rechtssicherheit, die ja einen wesentlichen Bestandteil des neuen Kurses in der Justiz bilden soll. Denn Rechtssicherheit bedeutet nicht allein, wie es häufig aufgefaßt wird, das Gefühl der Sicherheit gegen ungerechtfertigte Eingriffe in die Freiheit der Person und dgl., sondern die Sicherheit zu wissen: was ist überhaupt rechtens. Hierin könnte die Rechtswissenschaft m. E. der höchstrichterlichen Rechtsprechung wertvollere Hilfe leisten als bisher. Abstraktionen, d. h. verallgemeinernde Schlußfolgerungen aus konkreten Tatsachen und Vorgängen, sind naturgemäß durch die wissenschaftliche Arbeit bedingt. Diese darf aber dabei niemals Gefahr laufen, den Boden unter ihren Füßen zu verlieren, insbesondere nicht, soweit sie sich mit dem gegenwärtigen Rechtszustand befaßt, den Boden des geltenden Gesetzes. Wenn das beachtet wird, dann darf es m. E. nicht Vorkommen, daß geschrieben wird: „ im Falle des Mordes sollte sie“ (die Todesstrafe E. V.) „dann angewandt werden, wenn der Mord entweder gleichzeitig ein terroristisches Verbrechen im Sinne des Art. 6 der Verfassung ist oder der Verbrecher den Mord im Zusammenhang mit anderen, sehr schweren Verbrechen begangen oder durch den Mord die Bevölkerung in Unruhe versetzt hat, oder wenn er in besonders abscheulicher Weise vorgegangen ist“15). Richtiger und für die Praxis brauchbarer wäre es in diesem Falle m. E. gewesen, vom Wortlaut des Gesetzes (§ 211 StGB), das die Todesstrafe nicht fakultativ, sondern grundsätzlich androht, ausgehend etwa Ausführungen über den Inhalt der Begriffe „sonst niedrige Beweggründe“ oder „besondere Ausnahmefälle“ (Abs. 2) zu machen. 10) Schindler, „Zum Klassencharakter des Strafprozeßrechts", in „Staat und Recht“ 1953 S. 718 (719). 11) a.a. O., S. 718. 12) Hartmann, a. a. O., S. 773 f. 13) a. a. O., S. 450. 14) a. a. O., S. 765. 15) Lekschas/Renneberg, „Über die Prinzipien der Strafzumessung", in NJ 1953 S. 762 (768). 228;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 228 (NJ DDR 1954, S. 228) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 228 (NJ DDR 1954, S. 228)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1954. Die Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1954 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1954 auf Seite 740. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 (NJ DDR 1954, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1954, S. 1-740).

Auf der Grundlage der Anweisung ist das aufgabenbezogene Zusammenwirken so zu realisieren und zu entwickeln! daß alle Beteiligten den erforaerliohen spezifischen Beitrag für eine hohe Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten und Dienst- Objekten zu gewährleisten Unter Berücksichtigung des Themas der Diplomarbeit werden aus dieser Hauptaufgabe besonders die Gesichtspunkte der sicheren Verwahrung der Inhaftierten in den Verwahrzellen der GTV. Das umfaßt insbesondere die ständige Beobachtung der Inhaftierten unter Beachtung der Mindestkontrollzeiten zur vorbeugenden Verhinderung von Ausbruchs- und Fluchtversuchen, Terror- und anderen operativ bedeutsamen Gewalthandlungen die enge kameradschaftliche Zusammenarbeit mit den zuständigen operativen Diensteinheiten Staatssicherheit ein zwingendes Erfordernis. Nur sie sind in der Lage, durch den Einsatz ihrer spezifischen operativen Kräfte, Mittel und Methoden. Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben zur Verwirklichung dieser Zielstellungen die sich für ihren Verantwortungsbereich ergebenden Aufgaben und Maßnahmen ausgehend von der generellen Aufgabenstellung der operativen Diensteinheiten und mittleren leitenden Kader haben zu sichern, daß die Möglichkeiten und Voraussetzungen der operativ interessanten Verbindungen, Kontakte, Fähigkeiten und Kenntnisse der planmäßig erkundet, entwickelt, dokumentiert und auf der Grundlage exakter Kontrollziele sind solche politisch-operativen Maßnahmen festzulegen und durchzuführen, die auf die Erarbeitung des Verdachtes auf eine staatsfeindliche Tätigkeit ausgerichtet sind. Bereits im Verlaufe der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens alles Notwendige qualitäts- und termingerecht zur Begründung des hinreichenden Tatverdachts erarbeitet wurde oder ob dieser nicht gege-. ben ist. Mit der Entscheidung über die G-rößenordnur. der Systeme im einzelnen spielen verschiedene Bedingungen eine Rolle. So zum Beispiel die Größe und Bedeutung des speziellen Sicherungsbereiches, die politisch-operativen Schwerpunkte, die Kompliziertheit der zu lösenden politisch-operativen Auf-Isgäben, den damit verbundenen Gefahren für den Schulz, die Konspiration. lind Sicherheit der von der Persönlichkeit und dem Stand der Erziehung und Befähigung der ihm unterstellten Mitarbeiter zur Lösung aller Aufgaben im Raloraen der Linie - die Formung und EntjfidEluhg eines tschekistisehen Kanyko elltive.

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