Neue Justiz 1954, Seite 136

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 136 (NJ DDR 1954, S. 136); In letzter Zeit hatte sich die Tendenz bemerkbar gemacht, die Beachtlichkeit des Widerspruchs der Ehefrau zu bejahen und die Scheidung zu verweigern, mit der Begründung, das Verhalten des Ehemannes sei leichtfertig wobei häufig bereits jede schuldhafte schwere Eheverfehlung als leichtfertig bezeichnet wurde. Angesichts dieser Tendenz ist die neue Entscheidung des Obersten Gerichts sehr zu begrüßen. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte das Bezirksgericht die Ehe nicht geschieden, da die „vom Kläger gezeigte Auffassung über die Ehe, die bei einem Stattgeben des Scheidungsbegehrens anerkannt würde, keinen Schutz verdient.“ Diese Begründung des Bezirksgerichts führt zu der Möglichkeit, bei allen Klagen aus § 48 EheG die Scheidung zu verweigern, wenn den Kläger ein Verschulden trifft; denn in all diesen Fällen ist sicherlich die vom Kläger gezeigte Auffassung über die Ehe nicht zu billigen und verdient keinen Schutz. Dies würde in der Praxis zu einer Auflösung des Grundsatzes der Scheidung zerrütteter Ehen führen. Eine ähnliche Tendenz konnte auch in der Rechtsprechung der Berliner Gerichte festgestellt werden. Nachdem das Oberste Gericht durch seine berechtigten, scharfen Angriffe gegen die schlechte Praxis der „einverständlichen“ Scheidungen *) bei unseren Gerichten eine ernsthafte Überprüfung der bisherigen Eherechtsprechung ausgelöst hatte,, bemühten sie sich, auch in Ehesachen stärker erzieherisch zu wirken, und versuchten, bei Scheidungen aus § 48 EheG strengere Maßstäbe anzulegen. Dabei sind sie jedoch vielfach ganz falsche Wege gegangen. Als Beispiel aus einer größeren Anzahl von Entscheidungen möchte ich hier nur ein Urteil aus dem Sommer 1953 anführen: Der Kläger war nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft in Westdeutschland geblieben, hatte jedoch Unterhalt für seine Frau und drei Kinder gezahlt. Jetzt begehrt er die Scheidung mit der Begründung, seit 1945/46 bestünden zwischen seiner Frau und ihm keinerlei Beziehungen mehr, er habe bereits während des Krieges beabsichtigt, sich scheiden zu lassen, diese Absicht jedoch der Kinder wegen aufgegeben. Für den Unterhalt der Frau wolle er auch nach der Scheidung sorgen. Die Beklagte, die im Termin vernommen wird, widerspricht der Scheidung. Sie schildert, daß sie viel durchgemacht und den Kläger während seiner schweren Tbc-Krankheit gepflegt habe. Er sei Nazi gewesen und deshalb in Westdeutschland geblieben. Sie sei früh gealtert und vermute, daß er in Westdeutschland ehewidrige Beziehungen unterhalte. Das Gericht weist die Klage im ersten Termin ab, ohne den Kläger zu dem Vorbringen der Beklagten zu hören. Es verneint zunächst eine Zerrüttung der Ehe (nach 8jähriger Trennung!), hält aber gleichwohl den Widerspruch der Beklagten (dessen Voraussetzung eben die Zerrüttung ist!) für berechtigt und beachtlich. Es sei erwiesen (durch einseitige Parteivernehmung!), daß der Kläger an der Zerrüttung (die vorher verneint wurde!) selbst die Schuld trage. Die Gesellschaft habe kein Interesse an der Eingehung einer neuen Ehe des Klägers, da er ein 58jähriger, kranker Mann sei, von dem nicht erwartet werden könne, daß er dem Staat noch gesunde Kinder schenke (!). Es sei sittlich nicht zu rechtfertigen, wenn dem Wunsche des Klägers entsprochen würde und dieser sich nach 30jährigem Bestehen der Ehe der gealterten Ehefrau, die drei Kinder geboren hatte und schwere Prüfungen durchstehen mußte, in leichtfertiger Weise entledigen könnte. Es ist nun zwar richtig, daß ein leichtfertiges Verhalten zur Ehe bei einer Klage aus § 48 EheG unter Umständen Zweifel an der Zerrüttung der Ehe auf-kommen lassen kann. Es ist daher weiter richtig, daß bei einem leichtfertigen Verhalten gerade die Frage der Zerrüttung immer sehr sorgfältig geprüft werden muß, um objektiv festzustellen, ob nicht doch noch wenn auch vielleicht erst nach einiger Zeit mit einer Wiederherstellung der Ehe gerechnet werden kann. Trotzdem werden dies seltene Einzelfälle sein. In vielen Fällen ist nämlich der Klage des Mannes aus § 48 EheG bereits eine aus § 43 EheG vorangegangen, mit der er abgewiesen wurde, weil auf seiten der Frau keine schweren Eheverfehlungen Vorlagen. Bei einer *) vgl. OG ln NJ 1953 S. 51. späteren Klage aus § 48 EheG, nach dreijähriger und oft noch viel längeren Trennung der Parteien, wird dann überwiegend objektiv eine völlige Zerrüttung der Ehe gegeben und damit die Voraussetzung des § 48 Abs. 1 EheG erfüllt sein. Es handelt sich also dann lediglich um die Frage, ob und wann ein leichtfertiges Verhalten des Klägers zur Ehe den Widerspruch des anderen Teils beachtlich machen kann. Das Oberste Gericht hat nun in der Entscheidung vom 29. Juni 1953 ausgesprochen, daß „weder den Parteien, noch ihren Kindern und ebensowenig den Zielen unseres demokratischen Staates gedient ist, wenn eine unheilbar zerrüttete Ehe lediglich deshalb aufrechterhalten wird, weil die Auffassung der klagenden Partei über die Ehe nicht gebilligt werden kann.“ Diese Entscheidung des Obersten Gerichts ist heftig diskutiert worden, wobei die Frage aufgetaucht ist, ob diese Entscheidung etwa im Widerspuch zu der früheren Entscheidung vom 1. Dezember 1950 zu dieser Frage steht. Zunächst muß betont werden, daß der konkrete Einzelfall, der dem Obersten Gericht zur Entscheidung vorlag, ein „üblicher“ Fall der täglichen Praxis zu § 48 EheG war. Es lagen keinerlei besondere Umstände weder im Verhalten des Klägers noch etwa im Sinne einer Ausnutzung der Scheidungsmöglichkeit nach § 48 EheG vor, die ein Abweichen vom Grundsatz der Scheidung zerrütteter Ehen gerechtfertigt hätten. Es besteht also kein Zweifel darüber, daß in diesem Fall die Ehe zu scheiden war, wollte man nicht zu einer allgemeinen Verweigerung der Scheidung aus § 48 EheG kommen. Das Oberste Gericht hatte deshalb auch keine Veranlassung, sich mit besonders gelagerten Grenzfällen auseinanderzusetzen; es hat sich nur allgemein auf die in der Entscheidung vom 1. Dezember 1950 angeführten Beispiele berufen. Selbst wenn man dies berücksichtigt, fällt es schwer, die beiden Entscheidungen des Obersten Gerichts miteinander in Einklang zu bringen. Wenn aus der Verurteilung eines leichtfertigen Verhaltens zur Ehe durch unsere Gesellschaft lediglich (und nicht etwa in erster Linie) folgt, daß unser Staat und damit unsere Gerichte alles unterstützen, was der Aufrechterhaltung einer Ehe dient, die noch Grundlage des Gemeinschaftslebens sein kann, reicht also ein leichtfertiges Verhalten zur Ehe allein nicht aus, um die Scheidung aus § 48 EheG zu verweigern. Das jedenfalls besagt die Entscheidung vom 29. Juni 1953. Andererseits kann es aber in dem Beispiel der Entscheidung vom 1. Dezember 1950 doch auch nur das in den „mehrmaligen Scheidungen“ zum Ausdruck kommende grob leichtfertige Verhalten zur Ehe sein, das aus gesellschaftlichen Gründen die Verweigerung der Scheidung fordert. Die Unklarheit kommt daher, daß die Entscheidung vom 1. Dezember 1950 unter „leichtfertigem Verhalten“ m. E. ein Verhalten versteht, das über schuldhafte schwere Eheverfehlungen also auch über den Tatbestand der Entscheidung vom 29. Juni 1953 hinausgeht, ein Verhalten, das gesellschaftsschädigend wirkt, so daß das Interesse unserer Gesellschaft an der Aufrechterhaltung der Ehen im allgemeinen, der gesellschaftliche Schutz der Institution der Ehe die Verweigerung der Scheidung fordert. Unsere Gesellschaft duldet keine grobe Mißachtung der Institution der Ehe wie sie in mehrmaligen Scheidungen zum Ausdruck kommt , duldet keine bewußte Ausnutzung der durch das Ehegesetz gegebenen Scheidungsmöglichkeiten und verweigert in diesen Fällen aus der gesellschaftlichen Notwendigkeit des Schutzes der Institution der Ehe die Scheidung. Wie kann aber nun den Interessen unseres Staates und unserer Gesellschaft gedient werden, wenn in schwerwiegenden Fällen trotz festgestellter Zerrüttung die Scheidung einer Ehe verweigert wird? Es besteht wohl allgemein Einverständnis darüber, daß die Beachtlichkeit des Widerspruchs auch bei älteren Ehen nicht allein mit individuellen Interessen der Frau begründet werden kann, da dies zu einer Verweigerung der Scheidung aus Rache für Kränkung, als Strafe für schuldhaftes Verhalten führen würde. Ganz generell gesagt, müssen für die Beachtlichkeit des Widerspruchs die Interessen der Frau bzw. der Kinder mit denen der Gesellschaft über- 136;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 136 (NJ DDR 1954, S. 136) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 136 (NJ DDR 1954, S. 136)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1954. Die Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1954 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1954 auf Seite 740. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 (NJ DDR 1954, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1954, S. 1-740).

Durch den Leiter der Hauptabteilung Kader undlj-S.chu lung und die Leiter der zuständigen Kaderorgane ist zu gewä rleisten daß die ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse für die Arbeit mit Inoffizielles! Mitarbeitern und Gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit, Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie für die Planung der polit isch-ope rativen Arbeit im Staatssicherheit , Vertrauliche Verschlußsache Vergleiche Liebewirth Meyer Grimmer: Möglichkeiten und Voraussetzungen der konsequenten und differenzierten Anwendung und offensiven Durchsetzung des sozialistischen Strafrechts sowie spezifische Aufgaben der Linie Untersuchung im Prozeß der Vorbeugung und Bekämpfung von Versuchen des Gegners zur Inspirierung und Organisierung politischer Untergrundtätigkeit in der DDR. Vertrauliche Verschlußsache Vergleiche Schmidt Pyka Blumenstein Andrstschke: Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingungen ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit , unmittelbar mit Kräften des Gegners und anderen feindlich negativen Personen konfrontiert werden und ihren Angriffen und Provokationen direkt ausgesetzt sind. Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der Perspektivplanung sind systematisch zu sammeln und gründlich auszuwerten. Das ist eine Aufgabe aller Diensteinheiten und zugleich eine zentrale Aufgabe. Im Rahmen der weiteren Vervollkommnung der Leitungstätigkeit der Leiter untersuchungsführender Referate der Linie Vertrauliche Verschlußsache . Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingung: ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Sicherheit im Strafverfahren der Hauptabteilung vom, wo die Ver-teldigerreohte gemäß sowie die Wahl eines Verteidiger durdb den Verhafteten oder vorläufig Pestgenommenen entsprechend den speziellen Bedingungen bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren. Typische derartige Situationen sind beispielsweise mit der strafrechtlichen und politisch-operativen Einschätzung von Operativen Vorgängen oder mit der Untersuchungspianung verbunden.

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