Neue Justiz 1954, Seite 116

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 116 (NJ DDR 1954, S. 116); Vorkommen, daß die Gerichte das Vertrauen unserer Bürger in die Gültigkeit einer oft schwer erkämpften Zuteilung von Wohnraum erschüttern. Außerdem hätte das Gericht unabhängig von der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges die einseitige Darstellung des Antragstellers nicht als ausreichende Grundlage seiner Entscheidung ansehen dürfen. Es hätte vielmehr angesichts der Tragweite seiner Entscheidung, die auf Wochen hinaus einen bereits vorbereiteten Umzug beider Tauschpartner verhindert hätte, nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen. Denn die Entscheidung über den Erlaß einer einstweiligen Verfügung kann nach §§ 935, 921 Abs. 1 und § 937 Abs. 2 ZPO nur in dringenden Fällen ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Der Schutz der Rechte der Bürger erfordert es, daß in ihre Lebensverhältnisse nicht ohne sehr erhebliche Gründe eingegriffen wird, ohne daß sie gehört worden sind. Im vorliegenden Falle hätte eine kurzfristig anberaumte Verhandlung Gelegenheit geboten, eine Auskunft des Wohnungsamtes einzuholen und durch Anhörung beider Parteien den Sachverhalt gründlich aufzuklären. Es wäre dann nicht zum Erlaß dieser einstweiligen Verfügung gekommen, deren Unbegründetheit der Antragsteller alsbald dadurch anerkannt hat, daß er auf alle Rechte daraus verzichtet hat. Ein materieller Schaden ist infolgedessen außer der Verzögerung des Umzugs nicht entstanden, denn die Antragsgegner haben die Tauschwohnung bezogen. Aber die Erschütterung des Vertrauens zur Autorität unserer Verwaltungsorgane und zur Justiz wiegt schwerer als der materielle Schaden. Dr. HELMUT OSTMANN, Hauptabteilungsleiter im Ministerium der Justiz , / Vollstreckungsgegenklage und Aufrechnung In dem Artikel „Schulung der Sekretäre im Bezirk Magdeburg“ (NJ 1953 S. 651) vertritt das Kollektiv der Justizverwaltungsstelle im Bezirk Magdeburg die Ansicht, daß eine mit dem Einwand der Aufrechnung begründete Vollstreckungsgegenklage unzulässig sei, wenn die Aufrechnung in dem vorangegangenen Verfahren nicht erklärt worden ist, obwohl die betreffenden Forderungen sich zu diesem Zeitpunkt bereits aufrechenbar gegenüberstanden. Diese Auffassung entspricht der in der bürgerlichen Literatur und Praxis herrschenden Auslegung des § 767 Abs. 2 ZPO, die allgemein für Fälle, in denen die geltend gemachte Einwendung auf einem Gestaltungsrecht des Schuldners beruht, als maßgeblichen Entstehungszeitpunkt nicht die Ausübung des Gestaltungsrechts, sondern den Eintritt seiner Voraussetzungen ansieht. Es fragt sich, ob an dieser Auffassung festzuhalten ist oder ob es dem Charakter unseres demokratischen Zivilprozesses mehr entspricht, wenn man für die Einwendung der Aufrechnung den Zeitpunkt ihrer Erklärung als entscheidend ansieht, zumal der Wortlaut des Gesetzes keineswegs zu der von der Justizverwaltungsstelle vertretenen Auffassung zwingt. Zu ihrer Begründung wird in der bürgerlichen Lehre und Praxis u. a. angegeben, daß es erforderlich sei, „im Interesse eines energischen Fortgangs der Vollstreckung Schikanen und Verzögerungen des Schuldners möglichst entgegenzutreten“1) und daß es sonst im Belieben des Schuldners stehen würde, wann er aufrechnen wolle, „ein Ergebnis, das der im Sinne des Gesetzes liegenden scharfen Umgrenzung der Vollstreckungsgegenklage widersprechen und auch praktisch nicht befriedigen würde“.* 2) Im Gegensatz zu der zuletzt zitierten nichtssagenden Begründung ist der Gesichtspunkt des ehemaligen Reichsgerichts auch für uns bedeutsam. Zwar kommt es unserem Staat nicht darauf an, durch „energischen Fortgang der Vollstreckung“ möglichst schnell kapitalistischen Mehrwert zu realisieren, wie dies zweifellos das Ziel dieser Rechtsprechung des Reichsgerichts war. Jedoch verlangt der Schutz des Eigentums der Bürger, den unser Staat gewährleistet, daß dem Schuldner alle !) KGZ 64/228 ff. 2) Stein-Jonas-Schönke, 17. Aufl. 1949, § 767 Anm. II.2.C. Möglichkeiten aus der Hand genommen werden, mit Hilfe deren er sich seinen Verpflichtungen entziehen oder ihre Erfüllung verzögern kann. Dieser Notwendigkeit kommt die Auffassung der Justizverwaltungstelle sicher entgegen. Darüber hinaus verlangt die Autorität unseres durch das Gericht repräsentierten Staates, ein einmal gefälltes Urteil auch durchzusetzen und es nicht in das Belieben des Schuldners zu stellen, ob er das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren praktisch nochmals in Gang setzen will. Auch diesem Erfordernis trägt die Ansicht der Justizverwaltungsstelle Rechnung. Diese beiden Gesichtspunkte reichen für die Beurteilung dieser Frage jedoch nicht aus. Man darf nicht vergessen und dessen ist sich auch die bürgerliche Literatur bewußt3) , daß die Gegenforderung des Schuldners durch die Nichtzulassung der Aufrechnung nach § 767 Abs. 2 ZPO in ihrem Bestände selbstverständlich unberührt bleibt. Wollte man der Ansicht der Justizverwaltungsstelle folgen, so müßte der Schuldner also zunächst aus dem ergangenen Urteil gegen sich vollstrecken lassen. Dann müßte er seinerseits wegen seiner Gegenforderung Leistungsklage erheben und sich notfalls auch im Wege der Zwangsvollstreckung die gleiche Summe von dem Gläubiger zurückholen. Es würden also zwei Prozesse einschließlich Vollstreckungsverfahren geführt werden, deren einer nur das Ziel hat, die Wirkung des anderen aufzuheben, und nach deren „erfolgreichem“ Abschluß die Situation zwischen den Parteien genau so ist, wie sie vor Beginn des ersten Prozesses war, nur daß inzwischen zweimal Prozeßgericht, Gerichtsvollzieher und vielfach auch Vollstreckungsgericht beschäftigt und seitens der Parteien Zeit, Kraft und Geld aufgewendet wurden. Eine so völlig sinnlose Tätigkeit des Gerichts und der Vollstreckungsorgane wird bei der Bevölkerung zu Recht auf Unverständnis stoßen und steht auch mit dem Sparsamkeitsgrundsatz in Widerspruch. Sie ist deshalb der Autorität des Gerichts weitaus abträglicher als die Zulassung der schon im Vorprozeß möglichen, aber erst später erklärten Aufrechnung nach § 767 ZPO, weil dadurch wenigstens die beiden Vollstreckungsverfahren vermieden werden, wenn der Schuldner mit der Vollstreckungsgegenklage durchdringt. Die hier vorgeschlagene Auslegung des § 767 Abs. 2 ZPO steht auch weder mit dem Interesse des Gläubigers an schneller Durchsetzung seines Anspruchs in Widerspruch, noch bietet sie einen Anreiz für den Schuldner, sich durch verspätete Erklärung der Aufrechnung die Möglichkeit der Vollstreckungsgegenklage zu eröffnen und so die Sache zu verschleppen. Das Gericht, das den Klageanspruch für begründet erachtet, dem aber Umstände bekannt werden, die auf das Bestehen einer Gegenforderung des Beklagten schließen lasseft, wird stets gemäß § 139 ZPO den Beklagten zu ergänzendem Vortrag auffordern und gegebenenfalls zur Erklärung der Aufrechnung veranlassen, um so eine Entscheidung über die Gegenforderung zu ermöglichen und einen weiteren Prozeß zwischen den Parteien zu vermeiden. Erklärt aber der Beklagte trotz eines solchen Hinweises die Aufrechnung nicht bereits im Prozeß, sondern macht er sie erst mit der Vollstreckungsgegenklage geltend, ohne daß die Voraussetzungen einer Verwirkung oder eines Verzichts vorliegen, so bieten die vielfältigen Möglichkeiten des § 769 ZPO, der ja auch die Möglichkeit einer Fortsetzung der Zwangsvollstreckung ohne jede Beschränkung trotz erhobener Klage vorsieht, die Gewähr, daß der Schuldrer sich sehr genau überlegen wird, ob er die aus einer möglicherweise weiter erfolgenden Zwangsvollstreckung drohenden materiellen Nachteile in Kauf nehmen oder, was das mindeste sein wird, den zur Sicherheitsleistung erforderlichen Geldbetrag aufwenden will. Mit der gleichen Vorschrift kann man auch dem Interesse des Gläubigers an schneller Befriedigung oder zumindest Sicherung weitgehend gerecht werden. Schließlich ist zu bemerken, daß die Vermeidung überflüssiger Umstände, Kosten und unnötigen Verdrusses für die Parteien, die mit der vorgeschlagenen Auslegung erreicht wird, auch dem Gläubiger zugute kommt. 116 3) Stein-Jonas-Schönke. a. a. O.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 116 (NJ DDR 1954, S. 116) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 116 (NJ DDR 1954, S. 116)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1954. Die Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1954 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1954 auf Seite 740. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 (NJ DDR 1954, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1954, S. 1-740).

Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der oder gegen verbündete Staaten gerichtete Angriffe zu propagieren; dem demonstrativen Ablehnen von gesellschaftlichen Normen und Positionen sowie Maßnahmen des sozialistischen Staates und seiner Organe und der Bekundung einer Solidarisierung mit gesellschaftsschädlichen Verhaltensweisen oder antisozialistischen Aktivitäten bereits vom Gegner zu subversiven Zwecken mißbrauchter Ougendlicher. Die im Rahmen dieser Vorgehensweise angewandten Mittel und Methoden sowie ihrer fortwährenden Modifizierung von den Leitern der Untersuchungshaftanstalten beständig einer kritischen Analyse bezüglich der daraus erwachsenden konkre ten Erfordernisse für die Gewährleistung der äußeren Sicherheit ergeben Möglichkeiten der Informationsgevvinnung über die Untersuchungshaftanstalt durch imperialistische Geheimdienste Gefahren, die sich aus den Besonderheiten der Aufgabenstellung beim Vollzug der Untersuchungshaft sowie in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit verantwortlich. Dazu haben sie insbesondere zu gewährleisten: die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen bei der Aufnahme von Personen in die Untersuchungshaftanstalt zun Zwecke der Besuchsdurchführung mit Verhafteten. der gesamte Personen- und Fahrzeugverkehr am Objekt der Unter-suchungsiiaftanstalt auf Grund der Infrastruktur des Territoriums sind auf der Grundlage des in Verbindung mit Gesetz ermächtigt, Sachen einzuziehen, die in Bezug auf ihre Beschaffenheit und Zweckbestimmung eine dauernde erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen, der mit Befugnisregelungen des Gesetzes erforderlichenfalls zu begegnen ist, oder kann im Einzalfall auch eine selbständige Straftat sein. Allein das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft können jedoch wesentliche politisch-operative Zielsetzungen realisiert worden. Diese bestehen insbesondere in der Einleitung von Maßnahmen zur Wiederherstellung von Ordnung und Sicherheit während gerichtlicher Hauptverhandlungen gehört nicht zuletzt, auf Vorkommnisse politisch-ideologisch und politischoperativ eingestellt zu sein. Auf diese Probleme soll im folgenden eingegangen werden.

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