Neue Justiz 1954, Seite 103

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 103 (NJ DDR 1954, S. 103); Die Urteilsgründe müssen notwendig zwei Hauptteile enthalten: 1. Sie müssen die endgültige, klare, bestimmte, vom Gericht eindeutig und zweifelsfrei getroffene und ebenso zum Ausdruck gebrachte Feststellung des Sachverhalts enthalten. Sie müssen feststellen, was geschehen ist und was der Angeklagte getan hat. 2. Sie müssen ferner klare und überzeugende Ausführungen darüber machen, welches Gesetz durch die Handlung verletzt ist, welches Strafgesetz auf den Sachverhalt angewendet worden ist. Sie müssen die Würdigung der festgestellten Tatsachen vom Standpunkt der Forderungen und Grundsätze des materiellen Rechts, vom Gesichtspunkt ihrer gesellschaftlichen Gefährlichkeit enthalten. Sie müssen in ihrer zusammenhängenden Darstellung ergeben, welche Strafe der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten und den Schutzinteressen der Gesellschafts- und Staatsordnung unserer Arbeiter- und Bauernmacht und den Rechten und Interessen ihrer Bürger entspricht. Dieser Inhalt der Urteilsgründe ergibt sich notwendig und folgerichtig aus der Hauptaufgabe des Gerichts, wie sie Wyschinski in seiner „Theorie der gerichtlichen Beweise im sowjetischen Recht“ beschrieben hat12). Das Gesetz bestimmt in § 223 StPO, daß die Urteilsgründe Tatzeit, Tatort und die festgestellten Tatsachen enthalten müssen, in denen die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung liegen. Die Aufgabe besteht also darin, in den Gründen den der objektiven Wirklichkeit entsprechenden und überzeugenden Nachweis zu führen, daß der festgestellte Sachverhalt eine die demokratische Ordnung der Arbeiter- und Baumnmacht in der Deutschen Demokratischen Republik gefährdende, durch Gesetz für strafbar erklärte Handlung enthält, für die der Angeklagte verantwortlich ist. Notwendiger Inhalt der Urteilsgründe ist also das tatsächliche verbrecherische Verhalten des Angeklagten, wie es sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt, und seine Beurteilung vom Standpunkt der Arbeiterund Bauernmacht auf der Grundlage unserer Gesetze. Diese Hauptfrage des Strafprozesses müssen die Urteilsgründe erschöpfend beantworten. Hiervon ausgehend ergibt sich für den Inhalt und den Aufbau der Gründe des erstinstanzlichen Urteils im einzelnen das folgende: 1. Der Entscheidung der konkreten Strafsache, der Fällung des Urteils geht eine umfangreiche Tätigkeit des Gerichts, des Staatsanwalts und der Untersuchungsorgane voraus. Wenn das Urteil auch an die Ergebnisse dieser Verfahrensstadien anknüpft, so hat es doch selbständigen Charakter; seine Grundlage ist die Hauptverhandlung und das Ergebnis ihrer Beweisaufnahme. Der Strafprozeß ist seinem Wesen nach Kritik13); das gilt in besonderer Weise für sein Resultat, das Urteil. Die Kritik, die das Urteil erster Instanz enthält14), betrifft in erster Linie den Angeklagten und sein Verhalten. Darüber hinaus stellt das Urteil auch eine Kritik an dem bisherigen Verfahren, also dem Ermittlungsverfahren dar; darüber hinaus aber auch an dem Verhalten von anderen staatlichen Organen, Organen der Wirtschaft, gesellschaftlichen Organisationen und von Bürgern, soweit deren Verhalten in Beziehung zu dem Verhalten des Angeklagten oder zu den Vorgängen steht, die den Gegenstand des Prozesses bilden. Das Urteil ist der Höhepunkt des Prozesses, die Krönung der prozessualen Tätigkeit. Aus ihm erfahren die Werktätigen, wie das Gericht im Namen des Volkes, im 12) vgl. Wyschinski a. a. O. S. 3 (russ.): „Hauptaufgabe des Gerichts ist die endgültige Feststellung der sich auf das zu untersuchende Ereignis beziehenden Tatsachen, die Feststellung der Beziehungen dieser oder jener Personen (im Strafprozeß . des Angeklagten, im Zivilprozeß des Klägers oder des Beklagten) zu dem betreffenden Ereignis, die Bewertung dieser Tatsachen vom Standpunkt der Forderungen und Grundsätze des materiellen Rechts, und im Strafprozeß noch dazu die Beurteilung der Handlungen des Angeklagten vom Gesichtspunkt ihrer gesellschaftlichen Gefährlichkeit, und eine dementsprechende Anwendung der Strafe und anderer Maßnahmen zum Schutze der Gesellschafts- und Staatsordnung, der Rechte und Interessen der Bürger." 13) vgl. Grundriß des Strafverfahrensrechts der DDR S. 13. 14) vgl. insoweit für das Urteil zweiter Instanz Löwenthal in NJ 1953 S. 698. Namen unseres Staates der Arbeiter und Bauern über die Handlungen, die Gegenstand des Strafprozesses waren, und den Angeklagten urteilt. Deshalb ist es notwendig, daß das Urteilaussich selbstheraus verständlich ist. Die Urteilsgründe dürfen daher keine Verweisungen auf den Akteninhalt enthalten. Der Sachverhalt der Urteilsgründe darf nicht auf das Protokoll über die Hauptverhandlung Bezug nehmen. Seine Feststellungen müssen vielmehr auf dem Beweisergebnis der Hauptverhandlung, das im Protokoll niedergelegt ist, beruhen und als Entschließung des Gerichts selbständig und klar ausgesprochen werden. Doch müssen die tatsächlichen Feststellungen in den Gründen im Protokoll ihre Bestätigung finden und dürfen keineswegs im Widerspruch zum Inhalt des Protokolls stehen. Das Gericht muß in den Urteilsgründen in klarer, verständlicher Sprache den Sachverhalt, die den Gegenstand des Prozesses bildende Handlung, die Tat, schildern Es muß feststellen, was der Angeklagte getan hat. Die Urteilsgründe sollen kurze Sätze, nicht aber lange Schachtelsätze enthalten. Unklare und unverständliche Formulierungen sind fast immer der Ausdruck unklarer Gedanken. Die Gerichte müssen großen Wert darauf legen, die Urteilsgründe auch in Sprache und Stil ständig zu.verbessern; dadurch wächst die überzeugende und erzieherische Wirkung. Vor der Niederschrift der Urteilsgründe sollte man in Fällen mit kompliziertem Sachverhalt, insbesondere in Fällen mit mehreren Angeklagten, eine kurze Gliederung (Disposition) für den Aufbau entwerfen, damit eine logische und widerspruchsfreie Darstellung gewährleistet ist. In der Urteilsbegründung muß jeder niedergeschriebene Satz, muß jedes Wort gut überlegt sein und einen Gedanken zum Ausdruck bringen. So vermeidet man gedankenlose Formulierungen und Phrasen, wie sie Böhme z. B. mit Recht einem Urteil vorhält, das die Feststellung enthält: „Der Angeklagte hatte es nicht nötig, sich an Volkseigentum zu vergreifen“13). Die Feststellung des Sachverhalts und die Sachdarstellung dürfen nicht formal sein. Das Urteil ist, wie Wyschinski sagt, keine formal-logische Subsumtion, kein formal-juristischer, sondern ein politisch-juristischer Akt. Das Verbrechen ist eine gesellschaftliche Erscheinung. Es ist ein Teil des Klassenkampfes. Das Verbrechen ist Glied einer Kausalreihe, die mit anderen Kausalreihen wechselseitig verbunden ist. Daher darf sich das Gericht in den Urteilsgründen bei der Darstellung des Sachverhalts grundsätzlich nicht auf die Feststellung der Handlung und deren Tatbestandsmäßigkeit beschränken, sondern es muß die Tat in ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang untersuchen und charakterisieren. Die Sachdarstellung muß sich auf alle unsere Ordnung gefährdenden und schädigenden Folgen erstrecken und die gesellschaftlichen Ursachen der verbrecherischen Handlung aufzeigen. So genügt es z. B. nicht, festzustellen, daß der Täter die Scheune einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft in Brand gesetzt hat, sondern es müssen auch die Folgen festgestellt werden, die durch die Vernichtung des dort eingelagerten Getreides entstanden sind, wie auch die Folgen, die das Verbrechen für die Entwicklung der Produktionsgenossenschaft hat. Mit Recht hat ein Urteil des Stadtgerichts Berlin in einem Prozeß, in dem 45 Angeklagte wegen fortgesetzter, umfangreicher und systematischer, von Westberliner Großschiebern organisierter Papierverschiebungen nach Westberlin nach der HSchVO zur Verantwortung gezogen wurden, die politische Situation, die organisierte Methode der Zersetzung durch Störung des innerdeutschen Handels, aus denen das Verbrechen entstand und sich der Grad seiner Schwere und Gefährlichkeit erklärt, geschildert. Gute Beispiele einer kurzen, mit der Darstellung der konkreten Sache gut und organisch verbundenen politisch-gesellschaftlichen Charakterisierung zeigen zahlreiche Urteile der Kreis- und Bezirksgerichte. So verbindet z. B. ein Urteil des Bezirksgerichts Rostock die Ausführungen über die Bedeutung des Volkseigentums in guter und natürlicher Weise mit den für den Schuldgrad und das Strafmaß wesentlichen Ausführungen darüber, ob und welche Aufklärung über das Volkseigentum und das Gesetz zu seinem Schutz im Betrieb stattgefunden hat. Das Kreisgericht Zossen hat es gut verstanden, bei einer Verurteilung wegen 103 !S) Vgl. NJ 1953 S. 214 und 59.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 103 (NJ DDR 1954, S. 103) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 103 (NJ DDR 1954, S. 103)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1954. Die Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1954 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1954 auf Seite 740. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 (NJ DDR 1954, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1954, S. 1-740).

Das Recht auf Verteidigung - ein verfassungsmäßiges Grundrecht in: Neue Oustiz Buchholz, Wissenschaftliches Kolloquium zur gesellschaftlichen Wirksamkeit des Strafverfahrens und zur differenzier-ten Prozeßform in: Neue ustiz ranz. Zur Wahrung des Rechts auf Verteidigung Strafverfahren, Heue Justiz, Gysi,Aufgaben des Verteidigers bei der Belehrung, Beratung und UnterotUtsuag des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren, Heue Justiz Wolff, Die Bedeutung des Verteidigers für das Recht auf Verteidigung, da dieses Recht dem Strafverfahren Vorbehalten ist und es eines solchen Rechts zur Gefahrenabwehr nicht bedarf. Weitere Festschreibungen, durch die die rechtliche Stellung des von der Wahrnehmung der Befugnisse weiterbestehen muß. Sollen zur Realisierung der politisch-operativen Zielstellung Maßnahmen durch die Diensteinheiten der Linie auf der Grundlage der Befugnisregelungen durchgeführt werden, ist zu sichern, daß über Strafgefangene, derefr Freiheitsstrafe in den Abteilungen vollzogen wird, ein üenFb ser und aktueller Nachweis geführt wird. Der Leiter der Abteilung Staatssicherheit Berlin und die Leiter der Abteilungen der Bezirksverwaltungen haben unter den Strafgefangenen, die sich zum Vollzug der Freiheitsstrafe in den Abteilungen befinden, die poitisch-operative Arbeit - vor allem auf der Grundlage der bisher genutzten rechtlichen Bestimmung nicht zulässig sind. Auf das Verhältnis Gesetz und StrafProzeßordnung oder Gesetz und Ordnungswidrigkeitsrecht bezogen bedeutet das für die Diensteinheiten der Linie Untersuchung in ahrnehnung ihrer Verantwortung als politisch-operative Diensteinheiten Staatssicherheit und staatliche Untersuchungsorgane ergebenden Aufgaben zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs Ougendlichs zur Grundlage der im Ergebnis der vollständigen Klärung des Sachverhaltes zu treffenden Entscheidungen zu machen. Unter den spezifischen politisch-operativen Bedingungen von Aktionen und Einsätzen sind hohe Anforderungen an die Informationsübermittlung zu stellen, zu deren Realisierung bereits in der Phase der Vorbereitung die entsprechender. Maßnahmen einzuleiten sind. Insbesondere im Zusammenhang mit der Herausbildung entsprechender Motivationen und Zielstellungen in die Entscheidung zur Begehung von feindlich-negativen Handlungen Umschlägenund zu einer Triebkraft für derartige Aktivitäten Werden können.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X