Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 777

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 777 (NJ DDR 1953, S. 777); „Der rheinische Kreisausschuß der Demokraten fordert alle demokratischen Vereine der Rheinprovinz auf, die Beschlußnahme und Durchführung folgender Maßregeln zu bewerkstelligen: 1. Nachdem die preußische National-Versammlung selbst die Steuerverweigerung beschlossen, ist gewaltsame Eintreibung durch jede Art des Widerstandes zurückzuweisen. 2. Der Landsturm zur Abwehr des Feindes ist überall zu organisieren. Für die Unbemittelten sind Waffen und Munition auf Gemeindekosten oder durch freiwillige Beiträge zu beschaffen. 3. Die Behörden sind überall aufzufordern, sich öffentlich darüber zu erklären, ob sie die Beschlüsse der National-Versammlung anerkennen, und ausführen wollen. Im Weigerungsfälle sind Sicherheitsausschüsse zu ernennen, und zwar womöglich im Einverständnisse mit den Gemeinderäten. Der gesetzgebenden Versammlung widerstrebende Gemeinderäte sind durch allgemeine Volkswahl zu erneuern.“8 *) Unterschrieben war der Aufruf außer von Marx noch von Karl Schapper, dem Mitunterzeichner der „Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland“ und Präsidenten des Bundes der Kommunisten, sowie von dem Advokaten Schneider II, der später als Verteidiger im Kölner Kommunistenprozeß des Jahres 1852 auftrat. „Bereits am Tage darauf, am 20. November“ heißt es in der von Engels geschriebenen Einleitung zu der Prozeßbroschüre „waren die drei Unterzeichner vor den Untersuchungsrichter vorgeladen; der Prozeß wegen Rebellion wurde gegen sie eingeleitet. Von Verhaftung war damals selbst in Köln keine Rede.“") In der Folgezeit setzte sich die „Neue Rheinische Zeitung“ mit aller Kraft für die Realisierung des Beschlusses der Nationalversammlung ein: „Die Kampagne wurde von der Redaktion mit zäher Konsequenz dürch-geführt. Die Schlagzeile ,Keine Steuern mehr!!!* stand im Kopf jeder Zeitung, insgesamt in achtundzwanzig Nummern. Alle Vorgänge wurden in ihrem chronologischen Ablauf durch Nachrichten, Dokumente, Meldungen aus dem ganzen Lande über die Bewegung durch eigene Korrespondenten, Berichte, Stimmungsbilder usw. der Leserschaft vor Augen geführt. Die Leitartikel und Kommentare gaben eine Einschätzung der Situation und rückten die entscheidenden Fragen des Kampfes und der Aktion in den Mittelpunkt. Der Aufruf wurde wiederholt, Appelle an bestimmte Berufsgruppen gerichtet, insbesondere an die Landwehrmänner. In einem Fortsetzungsartikel über die Steuerverweigerung in England wurden die Leser auf geschichtliche Parallelen hingewiesen. Zu Versammlungen ,Das Vaterland ist in Gefahr' wurde die Bevölkerung eingeladen. Die Losungen kamen in verschiedenen Varianten: ,Wdr rufen Euch! Schickt Geld dem demokratischen Zentralausschuß nach Berlin. Hungert den Feind aus und verweigert die Steuern. Zahlt keine Steuern an die konterrevolutionäre Regierung.' Über das Echo aus dem Ausland wurde berichtet. Mit einem Wort, die ganze Zeitung konzentrierte sich auf die eine entscheidende Losung des Kampfes.“10 *) Trotz aller Anstrengungen von Marx und der „Neuen Rheinischen Zeitung“ hatte diese Kampagne keinen Erfolg. Marx und Engels mußten in einem Artikel in der „New York Daily Tribüne“ feststellen: „Nach einigen bewegten Wochen, denen die strengen Maßnahmen der Regierung gegen die Opposition folgten, gab man allgemein den Gedanken auf, einer vom Tode gekennzeichneten Versammlung zuliebe, die nicht einmal den Mut zur Selbstverteidigung aufgebracht, die Steuern zu verweigern.“11) Daß dies das endgültige Ergebnis des Kampfes sein mußte, war den Unterzeichnern des Aufrufs bereits von Anbeginn an klar. Engels schreibt dazu: „Daß der Kampf gegen den in Berlin siegreich durchgeführten Staatsstreich am Rhein nicht mit Er- 8) Karl Marx vor den Kölner Geschworenen, Hottingen-Zürich 1885, S. 9. °) a. a. O. S. 4. 10) Bittel, Karl Marx als Journalist, Berlin 1953, S. 37. H) Marx-Engels, Revolution und Konterrevolution in Deutsch- land, Dietz Verlag, Berlin 1949, S. 99. folg aufzunehmen war, darüber täuschte sich der Ausschuß nicht. Die Rheinprovinz hatte fünf Festungen; in ihr selbst, in Westfalen, Mainz, Frankfurt und Luxemburg lag allein ungefähr ein Drittel der ganzen preußischen Armee, darunter zahlreiche Regimenter aus den östlichen Provinzen. Die Bürgerwehr war in Köln und anderen Städten bereits aufgelöst und entwaffnet. Aber es handelte sich auch nicht um den unmittelbaren Sieg in Köln, das selbst erst vor wenigen Wochen vom Belagerungszustand befreit war. Es handelte sich darum, ein Beispiel zu geben für die übrigen Provinzen, und dadurch die revolutionäre Ehre der Rheinprovinz zu retten. Und das war geschehen.“12) Nachdem am 5. Dezember der Sieg der Krone durch die Auflösung der neuen, schließlich doch in Brandenburg zusammengetretenen Nationalversammlung und durch die Oktroyierung der Verfassung endgültig offenbar geworden war, und nachdem auch die Wahlen zur zweiten Kammer erfolgt waren, wagte es die Regierung, den bereits im November eingeleiteten Prozeß durchzuführen. Engels schreibt: „Am 7. Februar hatte die Neue Rheinische Zeitung ihren ersten Preßprozeß zu bestehen; Marx, ich und der Gerant Korff erschienen vor den Geschworenen und wurden freigesprochen. Am folgenden Tage wurde der Prozeß des Ausschusses verhandelt. Das Volk hatte bereits sein Urteil im voraus gefällt, indem es 14 Tage vorher den Angeklagten Schneider zum Abgeordneten für Köln gewählt.“13) Soweit die Vorgeschichte wenden wir uns nun dem Prozeß selbst zu. II Der Prozeß begann mit einem kurzen Verhör der Angeklagten, in dem diese unumwunden Zugaben, daß sie unter dem im Aufruf bezeichneten „Feind“ die bewaffnete Regierungsgewalt verstanden hatten. Im Anschluß hieran rechtfertigte der Staatsprokurator, der Vertreter des öffentlichen Ministeriums, die Anklage. Er versuchte nachzuweisen, daß in dem Aufruf eine Aufreizung zum gewaltsamen Widerstand gegen die mit der zwangsweisen Beitreibung der Steuern beauftragten Beamten enthalten sei. Dabei führte er aus, daß sich die Angeklagten nicht auf den Beschluß der Nationalversammlung vom 15. November 1848 berufen könnten, da dieser „vom Rechtsstandpunkt aus“ gar nicht erlassen sei. Die Nationalversammlung sei von Berlin nach Brandenburg verlegt worden und habe daher in Berlin keine Beschlüsse mehr fassen dürfen. In längeren Ausführungen legte der Staatsprokurator sodann dar, warum seiner Ansicht nach die Regierung zur Verlegung der Nationalversammlung berechtigt gewesen sei. Die Krone sei bis „zum vorigen Jahr“ im Besitz der absoluten Gewalt gewesen, dann habe sie zugunsten des Volkes auf einen Teil der Gewalt „verzichtet“, indem sie eine Nationalversammlung einberufen habe, um mit dieser eine Verfassung zu vereinbaren. Sie habe aber nicht auf das Recht verzichtet, zu bestimmen, wo und wann diese Nationalversammlung tagen solle. Das ergebe sich auch daraus, daß in allen konstitutionellen Ländern die Krone das Recht habe, eine Nationalversammlung aufzulösen, wenn sie der Ansicht sei, daß in dieser sich nicht mehr die Stimme des Volkes repräsentiere. Wer aber das Recht zur Auflösung habe, habe auch das Recht zur Verlegung und Vertagung. Wer anderer Ansicht sei, verwechsle die exekutive mit der legislativen Gewalt. Im vorliegenden Falle habe die Regierung aber nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zur Verlegung der Nationalversammlung aus Berlin gehabt, da diese dort nicht frei und unbeeinflußt von der Menge habe beraten können. Die Verlegung sei also im Interesse des Landes notwendig gewesen. Der Steuerverweigerungsbeschluß sei ferner deshalb ungültig, weil bei seinem Erlaß nicht die gesetzlichen Förmlichkeiten beachtet worden seien. Auch sei die Nationalversammlung nicht zum Erlaß eines derartigen Beschlusses, der die Grundfesten der Gesellschaft erschüttere, berechtigt gewesen; sie hätte, selbst wenn sie sich im Recht glaubte, der Regierung nicht diesen Wider- 12) Karl Marx vor den Kölner Geschworenen, Hottingen-Zürich 1885, S. 4. !■■) a. a. O. s. 4. 777;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 777 (NJ DDR 1953, S. 777) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 777 (NJ DDR 1953, S. 777)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

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