Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 642

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 642 (NJ DDR 1953, S. 642); ergeben, daß der geltend gemachte Anspruch sich auf verbotene, sittenwidrige Vereinbarungen stützt, die mit den Gesetzen und den gesellschaftlichen Auffassungen in der Deutschen Demokratischen Republik unvereinbar sind. Bereits im Urteil 1 Zz 32/50 vom 15. November 1950 hat das Oberste Gericht darauf hingewiesen, daß die Gerichte gegen den § 139 verstoßen, wenn sie die sich aus dem Parteivorbringen ergebenden Hinweise auf das Vorliegen eines Kriegslieferungsvertrages unbeachtet lassen. Das Gericht wird von seiner Aufklärungspflicht auch nicht dadurch befreit, daß eine Partei der ihr obliegenden Behauptungs- und Substantiierungspflicht nicht nachkommt; es hat vielmehr dahin zu wirken, daß die Partei die erforderlichen Angaben macht. Entsprechend gilt dies auch für rechtliche Erklärungen, deren Abgabe seitens der Partei im Zuge der Erörterung der rechtlichen Gesichtspunkte in Betracht kommt. Es entspricht dabei dem demokratischen Inhalt unseres Gerichtsverfahrens und stellt einen Teil der demokratischen Gesetzlichkeit selbst dar, daß solche Hinweise in erster Linie dort geboten sind, wo die Parteien nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten werden. Das Gericht kann aber selbst im Anwaltsprozeß seine Aufklärungspflicht nicht als gelockert oder als überflüssig betrachten. Es soll hier nicht die Frage der Zusammenarbeit zwischen Gericht und Rechtsanwalt behandelt, aber immerhin erwähnt werden, daß ein in der Deutschen Demokratischen Republik zugelassener Rechtsanwalt in Erfüllung seiner Aufgabe, bei der Anwendung unserer Gesetze nach dem Grundsatz der demokratischen Gesetzlichkeit mitzuwirken (so BG Leipzig in NJ 1953 S. 156), die Bemühungen des Vorsitzenden um vollständige Sach- und Rechtsaufklärung unterstützen muß. Hier ist zu bemerken, daß die Einreichung einer Fülle von Schriftsätzen in der Regel nicht der Aufklärung dient und wir es dabei mit einer Erscheinung zu tun haben, die mit der Unterschätzung der mündlichen Verhandlung erklärt, aber nicht gerechtfertigt wird. Diese Vernachlässigung der mündlichen Verhandlung hängt auf das engste mit der Verkennung der Bedeutung des § 139 ZPO zusammen. So mußte das Oberste Gericht in seinem Urteil la Zz 17/51 (NJ 1951 S. 126) aussprechen, daß es sachgemäß gewesen wäre, die Begründung der Forderungen der Parteien mit diesen in mündlicher Verhandlung unter Anwendung der §§ 139, 141 ZPO zu erörtern, statt den Verklagten aufzugeben, sich noch weiter schriftsätzlich zu äußern. In diesem, das Instanzurteil gerade wegen Verletzung der Aufklärungspflicht aufhebenden Urteil wurde weiter ausgeführt, daß die demokratische Rechtspflege vom Richter eine zweckmäßige, auf schleunige, aber auch gründliche Erledigung des Streitfalls gerichtete Handhabung der Prozeßvorschriften erfordert. In welchem Maße aber das Wesen der gerichtlichen Aufklärungspflicht verkannt wird, geht auch daraus hervor, daß in Kassationssachen, in denen Verletzung des § 139 ZPO in entscheidenden sachlichen Punkten geltend gemacht wird, Rechtsanwälte häufig darauf hinweisen, daß ein ausgiebiger Schriftwechsel stattgefunden habe und damit die Sache doch erschöpfend erörtert worden sei. Dabei ist es in Wirklichkeit leider so, daß die Häufung von Schriftsätzen dem Prinzip der Konzentration zuwiderläuft und die Wahrheitserforschung erschwert. Die Aufklärungspflicht des Gerichts kann und darf auch nicht durch die Stellung der Frage nach der Beweislast beeinträchtigt werden. Eine solche Fragestellung ist erst statthaft, wenn alle dem Gericht zu Gebote stehenden Aufklärungsmittel erschöpft sind. Zu diesen Mitteln gehören neben der Befragung, der Erörterung und den Hinweisen nach § 139 ZPO die Befugnisse und Pflichten des Gerichts auf Grund der §§ 141, 142, 619 ZPO. Dabei sei vor allem auch auf § 272 b ZPO hingewiesen. Danach kann das Gericht, ohne daß es eines Beweisangebotes seitens der Parteien bedarf, im besonderen Zeugen laden oder schriftliche Auskunft von ihnen erfordern, eine Augenscheinseinnahme und Begutachtung durch Sachverständige anordnen und Auskünfte bei Behörden einholen. Alle diese Bestimmungen stehen in einem besonderen Zusammenhang den man auch als ein Zusammenwirken bezeichnen kann zu § 139 ZPO. Sie bilden die Voraussetzung dafür, daß das Gericht sich das Tatsachenmaterial verschafft, von dem aus es zu der angestrebten Entscheidung darüber, was Wahrheit oder Unwahrheit ist, d. h. zu einer Übereinstimmung seiner Entscheidung mit dem tatsächlichen Sachverhalt, gelangen kann. Wenn das Gericht die in § 139 und in den übrigen hierher gehörigen Bestimmungen der Zivilprozeßordnung ihm an die Hand gegebenen Mittel ausschöpft, so wird in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle eine Heranziehung der Beweislastregeln überflüssig werden. Das ist auch der Sinn der Ausführungen des Urteils 1 Zz 4/52 (OGZ Bd. 1 S. 314), wonach es dahingestellt bleiben kann, ob die starre Regelung der Beweislast, wie sie sich in der früheren Rechtsprechung zu § 282 ZPO entwickelt hat, noch für die Zivilrechtsprechung der Gerichte in unserer Ordnung in vollem Umfange gelten kann oder ob sie nicht vielmehr insoweit eingeschränkt werden muß, als sie dem Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit entgegensteht. Nur die Verwirklichung dieses Grundsatzes kann zu lebensnahen und gerechten Entscheidungen führen und entspricht der Stellung und den Aufgaben unserer Gerichte. Die Erfüllung der im § 139 verankerten Aufklärungspflicht und das Gebrauchmachen von den mit ihr in Verbindung stehenden prozessualen Behelfen und Möglichkeiten von Beweisaufnahmen stellen die Wege dar, die bei dem gegenwärtigen Zivilprozeßrecht der Erforschung der materiellen Wahrheit dienen. In diesen Zusammenhang gehört ferner § 448 ZPO, wonach das Gericht auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast, wenn das Ergebnis der Verhandlungen bzw. einer Beweisaufnahme nicht zur Bildung seiner Überzeugung ausreicht, eine Parteivernehmung anordnen kann. Das Oberste Gericht hat mit seinem Urteil 1 Zz 95/53 vom 28. Juli 19531) ein Urteil eines Amtsgerichts aufgehoben, das unter Zugrundelegung der Auffassung des ehemaligen Reichsgerichts über die Beweislast (RGZ 57 S. 49) nur auf Grund der Parteivernehmung des Verklagten nach § 445 ZPO unter Außerachtlassung weiterer Aufklärung und ohne Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien ergangen war. Das OG gründete die Aufhebung dieses Urteils auf die Verletzung vor allem des § 139 ZPO. Es führt aus, daß die Regelung des § 448 ZPO im Gegensatz zu § 445 ZPO dem Charakter unseres heutigen Prozeßverfahrens, dem Prinzip der Erforschung der materiellen Wahrheit, entspricht. Dieses angestrebte Prinzip erfährt gerade im § 448 eine wesentliche prozeßrechtliche Unterstützung. Wie das OG ausführt, weist § 448 ZPO dem Gericht entscheidende Aufgaben zu, die die bisherigen Auffassungen der Verhandlungsmaxime verlassen, wobei beide Bestimmungen § 139 und § 448 ZPO sich ihrem Sinne nach ergänzen. Hier kommt auch zum Ausdruck, wie sich die Fragen der Prozeßleitung und -führung mit den Fragen der Beweiswürdigung verknüpfen und daß vor jedem Richter, ungeachtet der in unserem Zivilprozeß durchaus nicht beseitigten Verhandlungsmaxime, die Aufgabe steht, durch bestmögliche Erfüllung der Aufklärungspflicht immer mehr danach zu streben, daß auch die Zivilurteile der Forderung Genüge leisten oder zumindest ihrer Erfüllung weitgehend nahekommen, die Wyschinski formuliert hat: „Das Urteil muß von Tatsachen ausgehen, die richtig sind, die genau geprüft und unverrückbar sind, die keine Zweifel an ihrer Wahrheit aufkom-men lassen.“* 2) Es ist klar, daß ein Urteil, das wie das oben behandelte Amtsgerichtsurteil sich wesentlich auf Beweislastregeln stützt, diesem Erfordernis auch nicht im geringsten Genüge leistet. In diesem Zusammenhang darf auch die Frage der Überzeugungskraft des Zivilurteils nicht übersehen werden, die entsprechend der Qualität der prozessualen Durchführung des Rechtsstreits im positiven oder negativen Sinne ihre Beantwortung findet. Auch auf diese Bedeutung weist das zuletzt angeführte OG-Urteil hin, indem es als Ursache der mangelnden Überzeugungskraft des angefochtenen Urteils die beanstandete prozessuale Handhabung bezeichnet. !) s. S. 659 dieses Heftes. 2) Rechtswissenschaftlicher Informationsdienst 1952, Nr. 5 S. II. 6Jf2;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 642 (NJ DDR 1953, S. 642) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 642 (NJ DDR 1953, S. 642)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der offensiven Nutzung der erzielten Untersuchungsergebnisse Potsdam, Ouristische Hochscht Diplomarbeit Vertrauliche Verschlußsache - Oagusch, Knappe, Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der Sicherung wahrer Zeugenaussagen bedeutsam sind und bei der Festlegung und Durchführung von Zeugenvernehmungen zugrundegelegt werden müssen. Das sind die Regelungen über die staatsbürgerliche Pflicht der Zeuge zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und im Strafverfahren - wahre Erkenntni resultate über die Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Beschuldigtenvernehmung bestimmt von der Notwendiqkät der Beurteilung des Wahrheitsgehaltes der Beschuldigtenaussage. Bei der Festlegung des Inhalt und Umfangs der Beschuldigtenvernehmung ist auch immer davon auszugehen, daß die Strafprozeßordnung die einzige gesetzliche Grundlage für das Verfahren der Untersuchungsorgane zur allseitigen Aufklärung der Straftat zur Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist. Gegenstand der Befugnisse des Gesetzes abgeleitet. Ausgehend von der Stellung des strafprozessualen Prüfungsstadiums in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit wurden vor allem die Stellung des straf prozessualen Prüfungsstadiums, die inhaltlich-rechtlichen Anforderungen an die Anlässe zur Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens; an ausgewählte Prüfungshandlungen sowie an die abschließenden Entscheidungen herausgearbeitet und begründet. Hierauf beruhend wurden von den Autoren Vorschläge zur Neukodifizierung der StrafProzeßordnung unterbreitet.

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