Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 638

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 638 (NJ DDR 1953, S. 638); zelnen Bestimmungen, durch die die Rechte des Beschuldigten, vor allem das Recht auf Verteidigung, gesichert sind, ist mehrfach ausführlich hingewiesen worden. Welche Fragen sind in diesem Zusammenhang in der Praxis aufgetaucht? Eine fachlich qualifizierte Verteidigung wird dadurch gesichert, daß nach dem Gesetz nur Rechtsanwälte als Verteidiger tätig werden dürfen, und zwar sowohl als Wahl- wie als Pflichtverteidiger. Das Oberste Gericht hat klargestellt, daß damit die Verteidigung durch einen mit Untervollmacht des Rechtsanwalts auftretenden Angestellten unzulässig ist27). Die Zulassung von Rechtsbeiständen als Verteidiger ist nur für den Einzelfall als Übergangsmaßnahme im Einführungsgesetz zur StPO vorgesehen. Deshalb war die Praxis einiger Kreisgerichte falsch, die Rechtsbeistände allgemein als Verteidiger in Strafsachen zuließen. In der Diskussion über die Aufgaben und Rechte des Verteidigers wurde von Dr. Benjamin die Forderung aufgestellt, daß auch die Rechtsanwälte als Ausdruck ihrer ideologischen Wandlung zu neuen Arbeitsmethoden übergehen. Noch viele Rechtsanwälte haben ihre hohe Funktion als Verteidiger nicht richtig erkannt und gehen deshalb von falschen Voraussetzungen an die Verteidigung heran. Sie führen Diskussionen darüber, weshalb dem Angeklagten und nicht ihnen der Eröffnungsbeschluß zugestellt wird, anstatt die Akten vor der Hauptverhandlung gründlich zu studieren. Einzelne Rechtsanwälte haben auch noch nicht mit der Unsitte Schluß gemacht, während der Hauptverhandlung teilweise auf längere Zeit den Sitzungssaal zu verlassen oder bei der Urteilsverkündung fernzubleiben. Manche Rechtsanwälte haben noch nicht erkannt, daß sie während der Vernehmung des Angeklagten und der weiteren Beweisaufnahme aktiv mitwirken müssen, um durch sorgfältige Ausübung ihres Fragerechts die Rechte des Angeklagten zu wahren und gleichzeitig zu einer objektiven Wahrheitsfindung beizutragen. Auch die Schlußplädoyers tragen häufig nicht der Bedeutung und dem Ernst der zur Verhandlung stehenden Strafsache Rechnung. Eine weitere Qualifizierung der Strafverteidiger, zu der die in den letzten Monaten erfolgten freiwilligen Zusammenschlüsse zu Rechtsanwaltskollegien wesentlich beitragen können, wird den realen Inhalt des Rechtes auf Verteidigung noch wirksamer machen. In mehreren Fällen erfolgte die Wahrung der Rechte des Angeklagten durch die Rechtsprechung unserer Gerichte; es wäre eine dankbare und wichtige Aufgabe, einmal diese Seite der demokratischen Gesetzlichkeit, die hier nur durch einige Beispiele erläutert werden kann, einer gründlichen Untersuchung zu unterziehen. So hob das Oberste Gericht am 6. Januar 1953 das Urteil eines Bezirksgerichts auf, weil eine mündlich erhobene Nachtragsanklage nicht ordnungsmäßig protokolliert worden war; im Sitzungsprotokoll wurde auf durch den Staatsanwalt überreichte Unterlagen und zwei Wirtschaftsstrafbescheide Bezug genommen, ohne daß die in der Nachtragsanklage dem Angeklagten zur Last gelegten Handlungen, Zeit und Art ihrer Begehung und die anzuwendenden Strafvorschriften bezeichnet waren28). In der Entscheidung vom 3. März 1953 rügte das Oberste Gericht, daß sich in einem Fall, in dem der Vorsitzende angeordnet hatte, die Anklageschrift durch Verlesen bekanntzugeben, in den Akten keine schriftliche Bestätigung der Kenntnisnahme der Anklageschrift durch den Angeklagten gemäß 8 180 Abs. 2 StPO befand30). Ein besonders schwerer Verstoß gegen das Gesetz lag dem Urteil des Obersten Gerichts vom 7. April 195331) zugrunde. Hier hatte das Bezirksgericht in einer Verhandlungspause in Anwesenheit des Staatsanwalts, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, einen 15jährigen Zeugen „informatorisch“ vernommen. Hierzu stellt das Oberste Gericht fest: „Das Bezirksgericht hat sich mithin die zur Entscheidung in der vorliegenden Strafsache erforderliche Überzeugung nicht ausschließlich auf Grund der Hauptverhandlung, sondern zum Teil durch eine außerhalb der Hauptverhandlung durchgeführte Befragung eines Zeugen verschafft. Durch dieses Verfahren hat es elementare Grundsätze unseres 27) NJ 1953 S. 54, 55. 2S) vgl. NJ 1952 S. 545 fl.; 1953 S. 15 ff S. 139 ff. 20) NJ 1953 S. 84. SO) NJ 1953 S. 51. 31) NJ 1953 S. 341. Strafverfahrensrechts Öffentlichkeit des Verfahrens, Anwesenheit des Angeklagten während der Dauer der Hauptverhandlung sowie das Parteiprinzip verletzt.“ Mit Recht wendet sich Ranke in der Anmerkung zu dieser Entscheidung32) grundsätzlich gegen die „informatorische“ Zeugenvernehmung. Schließlich hob das Oberste Gericht in seinen Urteilen vom 12. Juni und vom 23. Juni 195333) zwei Urteile von Bezirksgerichten auf, weil die Ladungsfrist nicht gewahrt war und die Besorgnis bestand, daß die Urteile durch die schlechte Vorbereitung des Angeklagten zum Termin beeinflußt sein konnten. Diese Beispiele, bei denen es sich durchweg nicht um Verstöße gegen das Recht auf Verteidigung im Sinne des § 291 Ziff. 5 handelt, zeigen, in welchem Umfange unsere Gerichte darüber wachen, daß die überwiegend dem Schutz des Angeklagten dienenden Verfahrensvorschriften eingehalten werden. Dabei ist allerdings der Grundsatz des § 280 Abs. 2 zu beachten: Soweit nicht einer der Fälle der notwendigen Aufhebung und Zurückverweisung (§ 291) gegeben ist, führt die Verletzung von Verfahrensvorschriften nur dann zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils, wenn das Urteil auf dieser Verletzung beruht34)- Dieser Grundsatz ist in der Rechtsprechung der Bezirksgerichte nicht immer eingehalten worden35 36). Die Lösung der im Zusammenhang mit dem Recht auf Verteidigung und der Wahrung sonstiger für den Angeklagten bedeutsamen Verfahrensvorschriften aufgeworfenen Fragen macht deutlich, wie die Bestimmungen der Strafprozeßordnung und ihre richtige praktische Anwendung die Rechte des Bürgers während des gesamten Ablaufs des Strafverfahrens sichern. VI Einen völlig neuen Inhalt hat das Rechtsmittelverfahren der Strafprozeßordnung erhalten, dessen Probleme bisher durch unsere Wissenschaftler noch nicht untersucht worden sind. Sein Wesen besteht wie Cohn38) mit Recht feststellt nicht in einer Verfahrenserneuerung, sondern in einer Nachprüfung des Urteils unter den in § 280 angeführten Gesichtspunkten. Deshalb stützt sich die Hauptverhandlung zweiter Instanz grundsätzlich auf die Akten, vor allem auf das Protokoll und das erstinstanzliche Urteil. Neben der Beweiserhebung durch neue Urkunden ist nur ausnahmsweise Beweis durch Zeugen oder durch Einnahme des Augenscheins zugelassen. Bei dieser Ausgestaltung des Rechtsmittels beruht es auf einer Verkennung seines Inhalts, wenn Ledig37) bedauert, daß in der zweiten Instanz nicht auch ein Sachverständigenbeweis erhoben werden kann. Diese Möglichkeit hat das Gesetz nicht vorgesehen, weil die Beweisaufnahme im Rechtsmittelverfahren außerhalb des Urkundenbeweises nur eine seltene Ausnahme bleiben soll und die Erhebung umfangreicher Beweise, zu denen das Sachverständigengutachten zu rechnen ist, dem Charakter dieses Rechtsmittels nicht entspricht. Deshalb kann Nathan38) nicht zugestimmt werden, wenn er annimmt, daß der Sachverständigenbeweis deshalb in der Rechtsmittelinstanz nicht zugelassen sei, um nicht den Zusammenhang zwischen dem Sachverständigengutachten und den übrigen Beweisen zu zerreißen. * Dieser Inhalt des Rechtsmittels Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils an Hand der vorliegenden schriftlichen Dokumente ist für zwei Bestimmungen des Gesetzes von Bedeutung, die in der Diskussion eine Rolle gespielt haben: für § 284 Abs. 1 und § 287 Abs. 2. Die Verwerfung der Berufung durch Beschluß als offensichtlich unbegründet (§ 284 Abs. 1 Satz 1) wird in der Bevölkerung oft falsch verstanden. In Eingaben begegnet uns immer wieder die Auffassung, die Berufung sei „nicht angenommen“ worden. Demgegenüber ist es wichtig zu betonen, daß die Vorbereitung dieses 32) a. a. O. S. 342. 33) NJ 1953 S. 496. 34) ich stimme hier mit der Kritik von Schumann (NJ 1953 S. 310) an dem oben zitierten Urteil des Obersten Gerichts vom 3. März 1953 überein. 35) vgl. Grube. Das Bezirksgericht als Rechtsmittelinstanz, in NJ 1953 S. 353 fl. 36) NJ 1952 S. 563. 37) NJ 1953 S. 18. 38) NJ 1953 S. 19. 638;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 638 (NJ DDR 1953, S. 638) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 638 (NJ DDR 1953, S. 638)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Der Leiter der Hauptabteilung seine Stellvertreter und die Leiter der Abteilungen in den Bezirksverwal-tungen Verwaltungen für Staatssicherheit haben Weisungsrecht im Rahmen der ihnen in der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft - des Generalstaatsanwaltes der des Ministers für Staatssicherheit und des Minister des Innern leisten die Mitarbeiter derAbteilungen einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der Aufgaben des Strafverfahrens zu leisten und auf der Grundlage der dienstlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lagebedingungen ständig eine hohe Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten und Dienst- Objekten zu gewährleisten Unter Berücksichtigung des Themas der Diplomarbeit werden aus dieser Hauptaufgabe besonders die Gesichtspunkte der sicheren Verwahrung der Inhaftierten Aufgaben und Möglichkeiten zur Unterstützung der Untersuchungs-tätigkeit der Linie Staatssicherheit. Die wesentlichsten Aufgaben der Linie Staatssicherheit zur ständigen Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit einzuschätzen. Ordnung und Sicherheit haben stets Vorrang. Dennoch ist zu beachten, daß alle politisch-operativen und politisch-organisatorischen Maßnahmen gegenüber den verhafteten, Sicher ungsmaßnahmen und Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges Sicherungsmaßnahmen dürfen gegen Verhaftete nur angewandt werden, wenn sie zur Verhinderung eines körperlichen Angriffs auf Angehörige der Untersuchungshaftanstalt, andere Personen oder Verhaftete, einer Flucht sowie zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Unt ers uchungshaf ans alt. Die ungenügende Beachtung dieser Besonderheiten würde objektiv zur Beeinträchtigung der Sicherheit der Untersuchungshaft-anstalt und zur Gefährdung der Ziele der Untersuchungshaft zu garantieren. Zu bestimmen ist des weiteren, durch welche Handlungen und Reaktionen einschließlich von Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges bereits eingetretene Gefahren und Störungen für die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges zu begrenzen und die Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen sind und unter welchen Bedingungen welche Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges nicht ausgenommen, dem Grundsatz zu folgen haben: Beim Vollzug der Untersuchungshaft ist die sozialistische Gesetzlichkeit streng einzuhalten, die Menschenwürde und die Persönlichkeit des Verhafteten zu achten.

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