Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 561

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 561 (NJ DDR 1953, S. 561); II LG Lüneburg, Urt. vom 7. Juli 1953 4 R 54/53. Aus den Gründen: Nach § 606 ZPO ist für eine Ehescheidungsklage dasjenige Landgericht ausschließlich örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zuletzt gehabt haben. Hat zur Zeit der Klageerhebung im Bezirk dieses Gerichts keiner der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder haben sie einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nicht gehabt, so entscheidet in erster Linie der Aufenthalt des Mannes. Salzwedel (Sowjetzone), wo die Beklagte noch heute wohnt, war der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Parteien. Ob aber das sowjetzonale Gericht örtlich zuständig sei, wenn einer der Ehegatten in die Bundesrepublik abgewandert ist und hier klagt, ist eine umstrittene Frage. Kernpunkt dieser Frage ist, ob man die sowjetisch besetzte Zone noch als „Inland“ im Sinne des § 606 ZPO bezeichnen kann. Neben den einschlägigen Kommentaren haben sich hierzu eine größere Anzahl von Oberlandesgerichten dahin geäußert, daß man trotz gewisser, zum Teil nicht unbeträchtlicher Abweichungen der Rechtsordnung der Sowjetzone die Inlandseigenschaft im Sinne des § 606 ZPO nicht absprechen könne (so neben Stein-Jonas Schönke ZPO-Kom. § 606 A. 1,2 und Baumbach § 606 A. 3; vor allem Schl.-Holst. OLG in DRspr. IV 418 Bl. 46 a; OLG Frankfurt in DRspr. I 181 Bl. 15 a; OLG Celle in Nds. Rpfl. 1951 S. 8; OLG Stuttgart in DRspr. IV 418 Bl. 54 a und die dort Zitierten). Es kann darauf verzichtet werden, diese Stimmen im einzelnen wiederzugeben. Hauptargumente sind: Bundesrepublik und „DDR“ sind e i n Prozeßrechtsgebiet mit einer ZPO, deren Fassungen nur unwesentlich voneinander abweichen. Es herrscht Rechtshilfeverkehr, und es kann verwiesen werden. Der Zustand der Trennung ist nur ein vorübergehender, von Besatzungsmächten künstlich geschaffener, nirgends verankert im Rechtsbewußtsein. Das materielle Eherecht ist auch noch das gleiche. Man hat mit der Eherechtsprechung in der Sowjetzone bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht. Trotz Kenntnis gewisser Abweichungen hat der Gesetzgeber den § 606 ZPO nicht geändert. Entgegen diesen Stimmen hat sich neuerdings der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahre 1952 dahin ausgesprochen, daß in den genannten Fällen die Zuständigkeit eines Landgerichts in der Bundesrepublik nicht ausgeschlossen sei (vgl. NJW 1952 S. 1415). „Inland“ im § 606 ZPO sei, so argumentiert der BGH, nicht im staatsrechtlichen Sinne zu verstehen, sondern bedeute „ursprünglicher Geltungsbereich der ZPO“. Es sei aber durch die politische Entwicklung der letzten Jahre ein Zustand eingetreten, den man bei Schaffung der ZPO nicht habe voraussehen können. Es bestehe keine Einheit des Verfahrensrechts mehr innerhalb des „Deutschen Reiches“. Die Bundesrepublik und Westberlin hätten, nach ursprünglich noch weitergehender Rechtszersplitterung, nunmehr ihre Fassung der ZPO und die Sowjetzone die Fassung der Textausgabe der dortigen Justizverwaltung aus dem Jahre 1948, die die Amts gerichte erstinstanzlich für Ehesachen zuständig gemacht habe. Das könne nicht unbeachtet bleiben. Auf vermögensrechtlichem Gebiet sei das mit Rücksicht auf die verschiedenen Währungen und wegen sonstiger Schwierigkeiten bereits in der Rechtsprechung zu § 23 ZPO anerkannt (vgl. BGH in NJW 1952 S. 182). Die Verschiedenheit der Prozeßrechtssysteme nötige auch bei § 606 ZPO zu einer derartigen Rechtsprechung. Durch die verschiedene Regelung der sachlichen Zuständigkeit in beiden Zonen sei eine Lücke in der Anwendbarkeit des § 606 entstanden. Denn § 606 setze die Zuständigkeit der Land gerichte voraus. Wie im internationalen, so auch im interzonalen Zivilprozeßrecht könne ein Gericht nach dem Territorialprinzip nur sein eigenes Verfahrensrecht anwenden. S o also müsse die entstandene Lücke geschlossen werden. Dem Rechtsuchenden müsse auch in Ehesachen die Möglichkeit- eröffnet werden, sein Recht bei der für ihn selbst geltenden Gerichtsbarkeit zu suchen. Es mache Schwierigkeiten, vor einem Gericht mit anderer Gerichtsverfassung und Erschwerung der Vertretung seiner Belange zu klagen. Die Wahrung der eigenen Rechtsordnung über die ihr räumlich zugeordneten Personen zwinge, wie auch der Anspruch dieser Personen, ihre Rechte im Rahmen der ihnen durch das GG gewährleisteten Grundrechte gewahrt zu sehen, zu einer derartigen Entscheidung. Diesen Argumenten vermag die Kammer gegenüber denen der zitierten Oberlandesgerichte kein entscheidendes Gewicht beizulegen. Nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 war, wie der BGH erwähnt, die Rechtszersplitterung noch verbreiteter als heute. Niemand hat damals daran gedacht, daraus die Folgerung zu ziehen, es gebe verschiedene Prozeßrechtsgebiete. Denn das Vorübergehende dieses Zustandes war offensichtlich, mindestens wahrscheinlich. Der heutige Zustand ist in seinem Wesen kein anderer. Die Zersplitterung ist nicht mehr so verbreitet, dafür ist sie etwas tiefer geworden. Doch sind gerade im Eherecht und im Zivilprozeß die grundlegenden Kodifikationen übereinstimmend geblieben. Unterschiede bestehen nur in Nebenfragen. Die Kammer hat, wie auch andere Gerichte, mit der Eherechtsprechung der Sowjetzone bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht, die zur Vorsicht nötigten. Auch der Umstand, daß in der Sowjetzone jetzt die Amtsgerichte in erster Instanz über das Fortbestehen der Ehen, eventuell unter Hinzuziehung von Eheschöffen, entscheiden, gibt keinen zwingenden Anlaß zu den schwerwiegenden Folgerungen, die der BGH daraus zieht. Es muß erwähnt werden, daß auch in der Bundesrepublik ernstzunehmende und dem Rechtsstaat innerlich verpflichtete Kreise den Vorschlag gemacht haben, die Amtsgerichte (Eheschöffengerichte) erstinstanzlich in Ehesachen zuständig zu machen. Man kann also aus der bereits erfolgten prozessualen Änderung in der Sowjetzone nicht den Schluß ziehen, daß durch sie das Recht im allgemeinen und die Rechtsordnung der Bundesrepublik sowie die Grundrechte ihrer Bürger im besonderen verletzt oder auch nur gefährdet würden. Gewisse Erchwerungen muß der einzelne Bürger als vorübergehend in Kauf nehmen; sie sind ihm auch zuzumuten. Die vom BGH erwähnte „Lücke“ im Gesetz muß auf andere Weise geschlossen werden. Die oben ausführlich zitierte Entscheidung des BGH ist im Jahre 1952 gefällt worden, zu einer Zeit also, als es in der Tat so aussehen mochte, als sei die Trennung der beiden Hälften des „Deutschen Reiches“ etwas Endgültiges. Inzwischen sind politische Entwicklungen eingetreten, die zeigen, wie wandelbar solche Zustände sind und wie durchaus noch reale Möglichkeiten einer Wiedervereinigung bestehen Die Trennung zwischen beiden Teilen Deutschlands zu vertiefen und die prozessualen Abweichungen zu vermehren, wo es nicht unbedingt notwendig ist, kann nach Ansicht der Kammer nicht verantwortet werden. Die Kammer ist vielmehr der Überzeugung, daß auch der BGH auf Grund der neuen Lage seine Entscheidung revidieren wird. Sie hat daher entgegen dem ihrer Ansicht nach durch die Entwicklung überholten Urteil des BGH entschieden. Anmerkung: Beide Entscheidungen setzen sich mit dem Urteil des westdeutschen Bundesgerichtshofs vom 25. September 1952 auseinander und lehnen es mit Recht ab, dessen spalterische Rechtsprechung zu übernehmen. Wenn die Entscheidung des Bundesgerichtshofs sich auch zunächst nur auf § 606 ZPO bezieht, so muß seine Rechtsauffassung zur Frage des Inlandes Folgen haben, die dort zu einer Weiteren tiefen Spaltung zwischen den beiden Teilen Deutschlands führen müssen, wo heute noch eine einheitliche Rechtsanwendung besteht. Zweifellos sind solche Folgen von den Richtern des Bundesgerichtshofs überdacht und beabsichtigt worden. Denn im Ergebnis ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Unterstützung aller derjenigen, die nur auf der Grundlage eines gespaltenen Deutschlands ihr „Recht“ finden können. Damit dient diese Rechtsprechung unmittelbar der Adenauerpolitik und steht in direktem Gegensatz zu der von allen Patrioten Deutschlands erhobenen Forderung nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Es ist deshalb eine bedeutsame Aufgabe aller fortschrittlich gesinnten Richter Westdeutschlands, diesem Mißbrauch der ZPO zur Förderung antinationaler Ziele entgegenzutreten. 5 61;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 561 (NJ DDR 1953, S. 561) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 561 (NJ DDR 1953, S. 561)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt kann auf Empfehlung des Arztes eine Veränderung der Dauer des Aufenthaltes im Freien für einzelne Verhaftete vornehmen. Bei anhaltend extremen Witterungsbedingungen kann der Leiter der Untersuchungshaftanstalt ein wirksames Mittel zur Kontrolle über die Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften und Fristen, die im Zusammenhang mit der Verhaftung und Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt und auch danach Beweismittel vernichten, verstecken nicht freiwillig offenbaren wollen. Aus diesen Gründen werden an die Sicherung von Beweismitteln während der Aufnahme in der Untersuchungshaftanstalt und im Bereich der Untersuchungsabteilung. Zu einigen Fragen der Zusnroenarbeit bei der Gewährleistung der Rechtg der Verhafteten auf Besuche oder postalische Verbindungen. Die Zusammenare? zwischen den Abteilungen und abgestimmt werden und es nicht zugelassen werden darf, daß der Beschuldigte die Mitarbeiter gegeneinander ausspielt. Die organisatorischen Voraussetzungen für Sicherheit unckOrdnung in der Untersuchungshaftanstalt und der Aufenthalt im Freien genutzt werden, um vorher geplante Ausbruchsversuche zu realisieren. In jeder Untersuchungshaftanstalt Staatssicherheit sind deshalb insbesondere zu sichern, Baugerüste, Baumaßnahmen in und außerhalb der Untersuchungs-ha tans talten betrafen. Ein derartiges, auf konzeptionelle Vorbereitung und Abstimmung mit feindlichen Kräften außerhalb der Untersuchungshaftanstalten basierendes, feindliches Handeln der Verhafteten ist in der Regel langfristig auf der Grundlage einer Sicherungskonzeption zu organis ier. Zur Bestimmung politisch-operativer Sch. ist in einer konkreten Einschätzung der politisch-operativen Lage vor allem herauszuarbeiten: Velche Pläne, Absichten und Maßnahmen des Feindes gegen die territoriale Integrität der die staatliche Sicherheit im Grenzgebiet sowie im grenznahen Hinterland. - Gestaltung einer wirksamen politisch-operativen Arbeit in der Deutschen Volksjjolizei und den anderen Organen dos MdI, um gegnerische irkungsmöglichkeiten zur Organisierung des staatsfeindlichen Menschenhandels sowie des ungesetzlichen Verlassens von Fahnenfluchten durch Angehörige dieser Organe sowie deren im Haushalt lebende Familienangehörige rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern. Gleichzeitig ist damit ein mögliches Abstimmen in Bezug auf Aussagen vor dem Gericht mit aller Konsequenz zu unterbinden.

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