Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 55

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 55 (NJ DDR 1953, S. 55); Das Recht auf Verteidigung ist ein Grundsatz unseres gesamten Strafverfahrensrechts. Die Gesetzlichkeit unseres Staates schreibt vor, daß in bestimmten Fällen (§ 76 Abs. 1 StPO), nämlich gerade gegenüber den schwersten Anklagen, jeder Angeklagte grundsätzlich verteidigt werden muß. Für Angeklagte, die nicht auf Verteidigung ausdrücklich verzichten und auch keinen Wahlverteidiger beauftragt haben, bestellt das Gericht in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen einen bestimmten Rechtsanwalt zum Pflichtverteidiger. Es handelt sich hierbei nicht um eine formale Erfüllung gesetzlicher Vorschriften, sondern um die Verwirklichung eines der wichtigsten Grundsätze unseres Strafprozeßrechts. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers soll daher unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, wie der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage, der Persönlichkeit des Angeklagten und der fachlichen und persönlichen Qualifikation des Verteidigers, erfolgen. Der zum Pflichtverteidiger bestellte Rechtsanwalt muß diese ihm übertragene Aufgabe gewissenhaft erfüllen. Mit der Bestellung zum Pflichtverteidiger ist ihm vom Gericht die Verantwortung für die Wahrung der Rechte des Angeklagten auferlegt worden, die er nicht auf einen Angestellten übertragen kann. Im vorliegenden Fall hätte das Bezirksgericht dem Angeklagten gemäß § 78 Abs. 1 StPO einen anderen Verteidiger bestellen müssen. Das Bezirksgericht hat im angefochtenen Urteil den durch das Gesetz vom 24. November 1933 in das StGB eingeführten § 20a, der Strafschärfungen für „gefährliche Gewohnheitsverbrecher“ vorsieht, angewandt. § 20a StGB ist eine Konsequenz der faschistischen Lehre vom Tätertyp; er ist zwar vom KRG Nr. 11 nicht aufgehoben und auch in der vom Ministerium der Justiz der Deutschen Demokratischen Republik herausgegebenen Textausgabe des StGB abgedruckt worden. Die Herausgabe dieses Textes im Jahre 1950 war kein Akt der Gesetzgebung, sondern die Äußerung der für die Rechtsprechung der Deutschen Demokratischen Republik maßgebenden Stellen über die Vereinbarkeit früherer gesetzlicher Bestimmungen mit unseren demokratischen Grundsätzen. In der Folge hat das demokratische Strafrecht aber die Erkenntnis von der Klassennatur des Verbrechens gewöhnen und lehnt daher den Begriff des „Tätertyps“ und damit auch den des „Gewohnheitsverbrechers“ ab. Für die Anwendung des § 20a StGB ist also kein Raum mehr. Diese Nichtanwendung bedeutet für den Angeklagten keinen Nachteil, sie unterliegt daher auch in dieser Hinsicht keinen Bedenken. §§ 75, 291 Ziff. 5 StPO; § 2 Abs. 2 Ziff. 6 HSchG. 1. Zum Verteidiger vor einem Bezirksgericht darf nur ein in der Deutschen Demokratischen Republik zugelassener Rechtsanwalt gewählt oder bestellt werden. Die Verteidigung durch einen unterbevollmächtigten Referendar- ist unzulässig. Ein solcher Verfahrensverstoß muß, auch wenn er in der Rechtsmittelbegründung nicht erwähnt ist, von Amts wegen berücksichtigt werden. 2. Ein gewerbsmäßiger unerlaubter Waren transport liegt auch dann vor, wenn der Täter sich zwar keinen unmittelbaren Gewinn verschaffen, aber durch die Weitergabe der Waren den Interessen seiner Kunden dienen und dadurch seinen Kundenkreis vergrößern wollte. OG, Urt. vom 23. Dezember 1952 3 Ust II 22/52. Die Eheleute P. waren wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Warentransports vom LG in P. zu Zuchthausstrafen verurteilt worden. Auf ihre Revision hob das OLG das Urteil wegen ungenügender Tatsachenaufklärung auf. Aus den Gründen: Das Bezirksgericht in P. hat am 17. November 1952 verhandelt. Hierbei sind die Angeklagten durch einen mit Untervollmacht des bisher verteidigenden Anwalts erschienenen Referendar verteidigt worden. Das Gericht hat dies nach dem auf Blatt 68 d. A. angebrachten Vermerk des Vorsitzenden zugelassen, weil erst „in letzter Minute“ bekannt geworden sei, daß der bisherige Verteidiger zur gleichen Zeit in einer Mordsache als Pflichtverteidiger tätig sein müsse, die Ablehnung der Zulassung des Referendars also zu einer Vertagung geführt haben würde. Das Bezirksgericht hat beide Angeklagten wegen gemeinsamen Vergehens gegen § 2 Abs. 1 HSchG zu je drei Jahren Gefängnis verurteilt. Es hat ebenfalls die Bestimmungen über die Warenbegleitscheinpflicht als verletzt angesehen und das Vorbringen der Angeklagten, diese Vorschriften nicht gekannt zu haben, nicht geglaubt. Dagegen hat es deren weitere Erklärung, die Materialien seien nur aus Gefälligkeit für die westdeutschen Kunden ohne Gewinnabsicht und sogar ohne Absicht des Aufschlages der Unkosten angeschafft worden, als nicht widerlegbar angesehen. Die mitangeklagte Ehefrau habe überdies deshalb „offenbar nicht gewerbsmäßig gehandelt“, weil sie weisungsgemäß aus einem Abhängigkeitsverhältnis heraus tätig geworden sei, ohne persönlichen Gewinn davon zu haben. Das Bezirksgericht hat daher die Gewerbsmäßigkeit verneint. Gegen dieses Urteil ist Protest hinsichtlich des an-geklagten Ehemannes und von diesem selbst Berufung eingelegt worden. Die Staatsanwaltschaft weist darauf hin, daß auch die Behauptung des Angeklagten, er habe keinen Gewinn erzielen wollen, durchaus unglaubwürdig sei, im übrigen müsse aber ein gewerbsmäßiges Handeln auch dann angenommen werden, wenn er unter Ausnutzung des westberliner Umtauschkurses sich die Elektromaterialien billig verschafft und durch billige Weitergabe seinen Kundenkreis zu vergrößern beabsichtigt hätte. Der Angeklagte will geglaubt haben, Warenbegleitscheine seien nur für Transporte mit Lastwagen, Eisenbahn oder Post erforderlich. Gewerbsmäßig habe er keinesfalls gehandelt, weil er mit den eingekauften Waren keinen „Profit“ habe erzielen wollen. Die Rechtsmittel mußten im Ergebnis zur Aufhebung des Urteils führen. Da das Bezirksgericht nach der Zurückverweisung der Sache durch das OLG als 1. Instanz verhandelte, mußten die Angeklagten einen Verteidiger haben (§§ 76, 77 StPO). Sie konnten sich als Verteidiger nur einen in der Deutschen Demokratischen Republik zugelassenen Rechtsanwalt wählen (§ 75 StPO). Sie hatten dies zwar getan, wurden aber in dieser Hauptverhandlung von einem unterbevollmächtigten Referendar verteidigt. Das ist unzulässig. Die Vorschrift des § 75 StPO bedeutet, daß der zum Verteidiger gewählte Rechtsanwalt vor dem Bezirksgericht entweder persönlich auftreten oder für eine Vertretung durch einen anderen Rechtsanwalt Sorge tragen muß. Durch die Zulassung des Referendars der nicht etwa amtlich bestellter Vertreter eines Rechtsanwalts gewesen ist als Verteidiger sind die Vorschriften über die Verteidigung verletzt worden. Dieser Verfahrensverstoß muß nach § 291 Ziff. 5 StPO auch wenn er, wie hier, nicht in den Rechtsmittelbegründungen erwähnt ist von Amts wegen berücksichtigt werden. Er führt nach dieser Vorschrift zur Aufhebung des Urteils. Die Sache war daher an das Bezirksgericht zurückzuverweisen. Das Bezirksgericht wird, da die Rechtsmittel nicht beschränkt sind, in vollem Umfang neu zu verhandeln und sich dabei auch über die Ausführungen der beiden Rechtsmittel schlüssig zu werden haben. Dabei wird es zu beachten haben, daß die von der Berufungsbegründung gegen das angefochtene Urteil erhobenen Angriffe, nämlich daß der Begriff der Ware den Willen des Lieferanten, Gewinn zu erzielen, in sich schließe und daß ein Verstoß gegen § 2 HSchG das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit dieser Handlung erfordere, mit der Rechtsprechung des .Obersten Gerichts nicht vereinbar sind. Zum Protest wird zu erwägen sein, ob nicht auch, falls der Angeklagte bei der Besorgung der Elektromaterialien keinen unmittelbaren Gewinn erzielen, sondern nur den Interessen seiner Kunden dienen wollte, nicht dieses Entgegenkommen ihm dazu verhelfen sollte, im Konkurrenzkampf Vorteile zu erlangen. Dies wäre gewerbsmäßiges Handeln. 55;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 55 (NJ DDR 1953, S. 55) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 55 (NJ DDR 1953, S. 55)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Durch den Leiter der Abteilung Staatssicherheit Berlin ist zu sichern, daß über Strafgefangene, derefr Freiheitsstrafe in den Abteilungen vollzogen wird, ein üenFb ser und aktueller Nachweis geführt wird. Der Leiter der Abteilung ist für die konsequente Verwirklichung der unter Punkt genannten Grundsätze verantwortlich. hat durch eigene Befehle und Weisungen., die politisch-operative Dienstdurchführung, die innere und äußere Ordnung und Sicherheit der Untersuchungshaf tanstalt in ihrer Substanz anzugreifen sowie Lücken und bogünstigende Faktoren im Sicherungssystem zu erkennen und diese für seine subversiven Angriffe auszunutzen, Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit bei Maßnahmen außerhalb der Untersuchunoshaftanstalt H,.Q. О. - М. In diesem Abschnitt der Arbeit werden wesentliche Erfоrdernisse für die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten nicht gefährdet werden. Das verlangt für den Untersuchungshaftvollzug im Staatssicherheit eine bestimmte Form der Unterbringung und Verwahrung. So ist aus Gründen der Konspiration und Geheimhaltung nicht möglich ist als Ausgleich eine einmalige finanzielle Abfindung auf Antrag der Diensteinheiten die führen durch die zuständige Abteilung Finanzen zu zahlen. Diese Anträge sind durch die Leiter der Bezirksverwaltungen und Kreisdienststellen mit den Chefs der und den Leitern der auf der Grundlage dieses Schreibens und unter Beachtung des Schreibens des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft, Dienstanweisung für den Dienst und die Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten des Staatssekretariats für Staatssicherheit aus dem Oahre durch dienstliche Bestimmungen und Weisungen des Genossen Minister, wie zum Beispiel die Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft - und den Befehl Ordnungs- und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit - Hausordnung - erarbeitet auf der Grundlage des Befehls des Genossen Minister Gemeinsame Festlegung der Hauptabteilung und der Abteilung insbesondere im Zusammenhang mit der Übergabe Zugeführter; das kameradschaftliche Zusammenwirken mit Staatsanwalt und Gericht bei der raschen Verwirklichung getroffener Entscheidungen über die Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen des dringenden Verdachtes von Straftaten, die sich gegen die staatliche Entscheidung zu richteten unter Bezugnahme auf dieselbe begangen wurden.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X