Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 494

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 494 (NJ DDR 1953, S. 494); Rechtsprechung I. Entsrheidun gen des Obersten Gerichts Strafrecht Zur Frage der Strafzumessung bei Delikten im Zusammenhang mit den faschistischen Provokationen vom 17. Juni 1953. I OG, TJrt. vom 7. Juli 1953 lb Ust 291/53. Der Angeklagte ist wegen aktiver Teilnahme an den faschistischen Provokationen des 17. Juni 1953 vom BG wegen eines in Rädelsführerschaft begangenen Landfriedensbruchs zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Gegen dieses Urteil hat der Staatsanwalt des Bezirkes form- und fristgerecht zugunsten des Angeklagten Protest eingelegt und diesen auf die Strafhöhe beschränkt. Zur Begründung wird ausgeführt, das Bezirksgericht habe die Persönlichkeit des Angeklagten nicht richtig gewürdigt, wenn es angenommen habe, der Angeklagte habe sich nur in der Hauptverhandlung als „Irregeleiteter“ hingestellt, während er durch seine Handlungen aktiv die faschistischen Provokationen unterstützt habe. Der Angeklagte habe eine saubere Vergangenheit und eine gute gesellschaftliche Entwicklung aufzuweisen, auch auf seiner Arbeitsstelle habe er sich bestens bewährt und in der FDJ-Arbeit sei er „vorbildlich“. Das angefochtene Urteil habe den Widerspruch zwischen der Entwicklung des Angeklagten und seinen Handlungen am 17. Juni 1953 nicht aufzuklären vermocht. Der Angeklagte habe aus einer gewissen kleinbürgerlichen Impulsivität gehandelt, sei von den Provokateuren verführt, aber selbst kein Provokateur und vom Bezirksgericht zu streng bestraft worden. Diese Protestbegründung ist von dem Vertreter des Generalstaatsanwalts in der Hauptverhandlung zweiter Instanz nicht aufrechterhalten worden. Der Verteidiger hat die Auffassung des Bezirksstaatsanwalts vertreten und beantragt, das Vorliegen mildernder Umstände zu prüfen. Der Protest konnte keinen Erfolg haben. Die tatsächlichen Feststellungen und die rechtliche Beurteilung sind mit dem Protest nicht angegriffen und daher rechtskräftig. Hieraus ergibt sich, daß der Angeklagte die Entwicklung und ständige Steigerung der Provokationen als aufmerksamer Beobachter miterlebt hat. Er hat zunächst bemerkt, daß Bilder, Transparente und Plakate mit fortschrittlichen Darstellungen und Losungen bereits heruntergerissen und zerstört waren, dann hat er derartige Gewaltakte selbst beobachtet, hat gesehen, wie Pavillons friedlicher Organisationen und fortschrittlicher Zeitungen zerschlagen und in Brand gesteckt wurden, schließlich auch, daß randalierende Provokateure ein Gebäude am D.-Platz zu stürmen versuchten. Er hat auch bemerkt, daß nunmehr die Volkspolizei mit der Schußwaffe ein-schreiten mußte, und dann Schüsse fallen hören. In Kenntnis aller dieser Vorkommnisse hat er sich an dem Demonstrationszug, der den Erschossenen mit sich führte, beteiligt, ist an dessen Spitze gegangen und hat die hetzerische, zu weiteren Gewaltsamkeiten herausfordernde Losung „Seht, die Volkspolizei schießt auf Arbeiter!“ oft und laut in die den Zug umgebende Menschenmenge gerufen. In der Hauptverhandlung erster Instanz hat der Angeklagte zugegeben, daß er freiwillig an die Spitze des Zuges gegangen ist, weil im Demonstrationszug „so ein Gedränge war“. Er hat zwar angegeben, die provokatorischen Losungen habe er nicht von sich aus gerufen, sondern er sei dazu von den Demonstranten aufgefordert worden. Dieser Aufforderung sei er nur gefolgt, weil er noch seine FDJ-Hose angehabt habe und daher befürchtet hätte, im Falle der Weigerung geschlagen zu werden. Diese Erklärung hatte ihm das Bezirksgericht aus zutreffenden Gründen nicht geglaubt. Der Angeklagte hat nämlich in der Hauptverhandlung erster Instanz selbst er- klärt, daß er, bevor er sich in den Demonstrationszug eingereiht habe, zu seinem ihn begleitenden Freund gesagt habe, daß er es nicht für richtig halte, daß die Polizei auf „Werktätige“ schieße; es heiße doch immer: „Die Volkspolizei hat die Waffen vom Volk bekommen, und da darf sie doch nicht auf das Volk schießen“. Dabei sei ihm gar nicht in den Sinn gekommen, daß die Volkspolizei auch am 17. Juni nur im Interesse der Werktätigen von der Schußwaffe Gebrauch gemacht habe. Hieraus ergibt sich eindeutig, daß der Angeklagte zu den provokatorischen Rufen nicht gezwungen worden ist, sondern daß sie seiner eigenen Überzeugung entsprachen. Angesichts dieser Handlungen des Angeklagten, die von ihm nicht bestritten werden, wird mit dem Protest ausgeführt, das Urteil des Bezirksgerichts werde der Persönlichkeit des Angeklagten nicht gerecht. Die Persönlichkeit eines Angeklagten muß in erster Linie auf Grund der von ihm begangenen Handlungen beurteilt werden. Besonders wichtig ist dabei die Beobachtung, wie er sich in einer kritischen, den Einsatz seiner Persönlichkeit erfordernden Situation verhält. Demgegenüber vermag eine noch so „saubere Vergangenheit“ und „gute gesellschaftliche Entwicklung“ in einer ruhigen Zeit nicht entscheidend ins Gewicht zu fallen. Im vorliegenden Fall ist der Angeklagte „bester Lehrling“ des Betriebes gewesen, ist als Aktivist ausgezeichnet worden und hat das Abzeichen für gutes Wissen der FDJ erworben. Dieser Lerneifer des Angeklagten ist vom Betrieb durch Auszeichnungen und wie die Protestbegründung ausführt auch durch Prämien und die Nominierung zum Besuch einer Ingenieurschule gebührend anerkannt worden. Das alles hätte dem Angeklagten Veranlassung sein müssen, die Volkspolizei bei der Abwehr der Provokateure zu unterstützen, wie es viele verantwortungsbewußte Mitglieder der FDJ getan haben. Obwohl der Angeklagte die ständige Steigerung der Provokationen, die bis zu Mißhandlungen, Brandstiftungen und massierten Angriffen gegen die zum Schutz von staatlichen Gebäuden eingesetzte Volkspolizei führten, aufmerksam beobachtet hat, hat er sich hiergegen in keiner Weise empört. Statt dessen hat er sich aktiv an den Provokationen beteiligt und ist schließlich zu einem ihrer Rädelsführer geworden. Zur Unterstützung der Volkspolizei wäre er als Sekretär einer großen FDJ-Gruppe um so mehr verpflichtet gewesen, als er sich in Begleitung von mehreren Angehörigen der von ihm geleiteten Gruppe befand. Anstatt diese jungen Menschen zur Verteidigung des Fortschritts anzuhalten und sie im Sinne der FDJ aufzuklären, hat er in ihnen durch das von ihm in dieser Situation gebotene Beispiel die Früchte einer jahrelangen Erziehungsarbeit gefährdet. Wie diesen Tatsachen gegenüber im Protest ausgeführt werden kann: „Seine gesellschaftliche Tätigkeit innerhalb des Betriebes ist vorbildlich“, bleibt unverständlich. Nach alledem zeigt sich die Persönlichkeit des Angeklagten als die eines ungefestigten, ehrgeizigen jungen Menschen, der sich ein gewisses Maß gesellschaftspolitischen Wissens mit Fleiß und Ausdauer angeeignet, aber keine innere Beziehung zu dem von ihm Gelernten entwickelt hat. Bei der ersten Gelegenheit, in der er die erworbenen Kenntnisse praktisch anwenden mußte, in der er sich des ihm mit seiner Wahl zum Sekretär einer FDJ-Grundeinheit entgegengebrachten Vertrauens würdig erzeigen konnte, hat er gründlich versagt. Sein Verhalten am 17. Juni und die vor seiner provokatorischen Tätigkeit gemachten Äußerungen über das Eingreifen der Volkspolizei bezeichnenderweise die einzige persönliche Stellungnahme zu den von ihm beobachteten Ereignissen zeigen, daß er weder von dem von ihm Gelernten überzeugt war, noch an das von ihm an die Jugendfreunde seiner Gruppe Weitergegebene geglaubt hat. Er hat sich nur äußerlich einer fortschrittlichen Entwicklung angepaßt, dafür Auszeichnungen und Vorteile erhalten, im entscheidenden Moment aber hat er sich auf die Seite der 494;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 494 (NJ DDR 1953, S. 494) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 494 (NJ DDR 1953, S. 494)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit über die operative Personenkont rolle Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Gemeinsame Anweisung des Generalstaatsanwalts der des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft - Untersuchungshaftvclizugsordnung - sowie der Befehle und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, des Leiters der Abteilung Staatssicherheit Berlin zu gewährleisten daß die Verhafteten sicher verwahrt werden, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die allseitige Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung in den StrafVollzugseinrichtungen sowie Untersuchungshaftanstalten und bei der Erziehung der Strafgefangenen sind Ausbrüche, Entweichungen, Geiselnahmen, andere Gewalttaten xind provokatorische Handlungen sowie im Anschluß daran vorgesehene Angriffe gegen die Staatsgrenze der und Verdacht des Transitmißbrauchs; provokativ-demonstrative Handlungen soväe Unterschriften- sammlungen und andere Aktivitäten, vor allem von Antragstellern auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der und im Zusammenhang mit der Veränderung des Grenzverlaufs und der Lage an den entsprechenden Abschnitten der, Staatsgrenze zu Westberlin, Neubestimmung des Sicherungssystems in den betreffenden Grenzabschnitten, Überarbeitung pnd Präzisierung der Pläne des Zusammenwirkens mit den Sachverständigen nehmen die Prüfung und Würdigung des Beweiswertes des Sachverständigengutachtens durch den Untersuchungsführer und verantwortlichen Leiter eine gewichtige Stellung ein.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X