Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 484

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 484 (NJ DDR 1953, S. 484); Zur Frage der Anrechnung der Untersuchungshaft Von WOLFGANG VOGEL, Hauptreferent im Ministerium der Justiz In den Bestimmungen der §§ 219 Abs. 2 und 223 Abs. 3 StPO heißt es, daß dem verurteilten Angeklagten die Dauer der Untersuchungshaft auf die erkannte Strafe anzurechnen ist, sofern der Angeklagte nicht durch sein Verhalten die Ermittlungen verzögert hat. Das Gericht muß in den Urteilsgründen eine Erklärung darüber abgeben, warum nicht angerechnet worden ist. Da bei einigen Gerichten hinsichtlich der Anwendung dieser Bestimmungen Unklarheiten bestehen und häufig Auffassungen vertreten werden, die sich mit den Prinzipien unseres demokratischen Strafverfahrens nicht vereinbaren lassen, sind einige Bemerkungen erforderlich. 1. Es geht zunächst um die grundsätzliche Frage, ob sich § 219 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO auf das Verhalten des in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten während des ganzen Strafverfahrens das gerichtliche Verfahren also einbezogen oder nur auf das Verhalten im Ermittlungsverfahren erstreckt. In einer Reihe von Entscheidungen wird die Auffassung vertreten, § 219 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO beziehe sich ausschließlich auf das Verhalten des Angeklagten im Ermittlungsverfahren. Damit wird der weit verbreiteten Meinung beigepflichtet, der Ausdruck „Ermittlungen“ besage, daß nur das Ermittlungsverfahren gemeint sei, denn lediglich für dieses Stadium des Strafverfahrens verwende das Gesetz die Bezeichnung „Ermittlungen“ (z. B. in § 157 StPO). In den Abschnitten über das gerichtliche Verfahren sei stets von „Erforschung“, „Aufklärung“ oder „Befragung“ die Rede (z. B. in §§ 290 und 212 StPO). Abgesehen davon, daß die Methode der Wortinterpretation überhaupt abzulehnen ist, spricht der Gesetzgeber im Abschnitt über das Ermittlungsverfahren nicht nur von „Ermittlungen“, sondern auch vom „Ermittlungsverfahren“ und von „Untersuchungen“ (z. B. §§ 95 ff. StPO). Man muß aber, um zu einer Lösung dieser Frage zu gelangen, auf die Prinzipien unseres demokratischen Strafverfahrens zurückgreifen. In erster Linie sind das Prinzip der Wahrung der Rechte des Angeklagten und das Prinzip der Beschleunigung des Verfahrens heranzuziehen, da die Untersuchungshaft eine bei der Verbrechensbekämpfung notwendige Beschränkung des verfassungsmäßigen Rechts der persönlichen Freiheit darstellt und § 219 Abs. 2 StPO von der Verzögerung der Ermittlungen spricht. Wahrung der Rechte des Angeklagten im demokratischen Staat bedeutet, daß der eines Verbrechens Beschuldigte oder Angeklagte in bezug auf die verfassungsmäßigen Rechte des Bürgers nur solchen Beschränkungen unterliegt, die nach der Verfassung zulässig und in der Strafprozeßordnung als unbedingt erforderlich festgelegt sind. Das ergibt sich übereinstimmend aus Art. & der Verfassung und aus § 5 StPO. Bei der Beurteilung der Frage, welche Beschränkungen unbedingt erforderlich sind, ist von der Aufklärung der verbrecherischen Handlung, der reibungslosen Durchführung des Verfahrens sowie von dem Schutz der Bevölkerung und des Staates auszugehen. Soweit Art. 136 der Verfassung bereits einen Maßstab gibt, besteht volle Übereinstimmung mit der Strafprozeßordnung. Die entsprechenden Vorschriften der StPO (§§ 140, 142, 143, 144) sind, auf den technischen Ablauf des Strafverfahrens zugeschnitten, lediglich klarer gefaßt. Die Beschleunigung des Verfahrens ist Ausdruck unserer demokratischen Gesetzlichkeit, denn die „beschleunigte Aufklärung des Sachverhalts“ und die „schnelle und gerechte Bestrafung der Schuldigen“ gehören zum Zweck der Strafprozeßordnung (§ 1 Abs. 2 StPO). Unter diesem Gesichtspunkt müssen nicht nur die gesetzlichen Fristen (z. B. §§ 107, 181 Abs. 2 StPO), sondern auch alle anderen Maßnahmen gesehen werden, die zur beschleunigten Aufklärung und schnellen Bestrafung beitragen (z. B. Vermeidung überflüssiger Förmlichkeiten und Beschränkung der Rechtsmittel auf zwei Instanzen). So ergibt sich aus dem Prinzip der Wahrung der Rechte des Angeklagten, daß die Anrechnung der Untersuchungshaft oberster Grundsatz sein muß. Das Prinzip der Beschleunigung des Verfahrens erfordert eine Durchbrechung dieses obersten Grundsatzes der Anrechnung für den Fall, daß der Angeklagte den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens stört. In diesem Fall müssen für die Anrechnung der Untersuchungshaft entsprechende Vorbehalte gemacht werden. Hier zeigt sich die dialektische Einheit der Prinzipien unseres demokratischen Strafverfahrens. Der Gesetzgeber hat in der Bestimmung des § 219 Abs. 2 StPO das Prinzip der Wahrung der Rechte des Angeklagten mit dem Prinzip der Beschleunigung des Verfahrens sinnvoll verknüpft. Die Anrechnung der Untersuchungshaft ist davon abhängig, daß die .Beschleunigung des Verfahrens nicht beeinträchtigt wird. Das Kriterium hierfür ist das Verhalten des Angeklagten. An dem Angeklagten selbst liegt es, das Tempo des Verfahrens und somit auch die Dauer der Untersuchungshaft weitgehend zu bestimmen. Damit aber liegt es auch an dem Verhalten des Angeklagten, ob die im Gesetz aus Gründen der Beschleunigung des Verfahrens vorgesehene Durchbrechung des obersten Grundsatzes der Anrechnung im konkreten Fall Platz greift. Der Angeklagte hat also die Wahrung seiner Rechte zu einem guten Teil in eigener Hand. Diese Regelung ist auch durchaus berechtigt, denn der Angeklagte ist ebenso wie der Staatsanwalt Partei des Strafverfahrens (Parteiprinzip). Nach alledem ergibt sich zwingend, daß sich § 219 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO auf das Verhalten des Angeklagten während des ganzen Strafverfahrens bezieht, sofern die Untersuchungshaft im gerichtlichen Verfahren fortdauert. „Ermittlungen“ heißt nicht „Ermittlungsverfahren“. Es ist kein bestimmter Verfahrensabschnitt, sondern das gesamte Verhalten des in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten bis zum Urteil gemeint; denn die Stellung des Angeklagten in bezug auf die für § 219 Abs. 2 StPO grundlegenden Prinzipien ändert sich im gerichtlichen Verfahren bei Fortdauer der Untersuchungshaft nicht. Eine insoweit gleichbleibende Situation muß auch gleichbleibend beurteilt werden. Anderenfalls käme man zu dem kuriosen Ergebnis, daß verzögerndes Verhalten des Angeklagten im gerichtlichen Verfahren zur Anrechnung der Untersuchungshaft führt, während dasselbe Verhalten im Ermittlungsverfahren die Nichtanrechnung zur Folge hat. Derjenige Angeklagte, der eine im Ermittlungsverfahren gegebene Darstellung im gerichtlichen Verfahren wahrheitswidrig widerruft und damit eine Vertagung der Hauptverhandlung notwendig macht, wäre also gegenüber demjenigen Angeklagten im Vorteil, der eine im Ermittlungsverfahren gegebene falsche Darstellung im gerichtlichen Verfahren korrigiert. 2. Daß verzögerndes Verhalten des Angeklagten im gerichtlichen Verfahren nur dann die Nichtanrechnung zur Folge hat, wenn die Untersuchungshaft im gerichtlichen Verfahren fortdauert, erhärtet folgender Fall: Ein Gericht hat die 'Anrechnung der Untersuchungshaft mit der Begründung abgelehnt, der Angeklagte habe in der Hauptverhandlung fortgesetzt widerspruchsvolle Darstellungen (gegeben und dadurch das Verfahren verzögert. Der Angeklagte befand sich während des gerichtlichen Verfahrens nicht mehr in Untersuchungshaft. In diesem Falle hat das Gericht § 219 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO auch auf das gerichtliche Verfahren bezogen, dabei aber übersehen, daß Voraussetzung dieser Auslegung die Fortdauer der Untersuchungshaft ist. Die Ausführungen unter Ziff. 1 haben gezeigt, daß auf Grund der Fortdauer der Untersuchungshaft die nach § 219 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO in Verbindung mit den in dieser Vorschrift verankerten Prinzipien zu beurteilende Situation im Ermittlungsverfahren wie im gerichtlichen Verfahren gleich ist und daher auch die gleiche Rechtsanwendung auslösen muß. Es muß deshalb stets auf das Verhalten des Angeklagten während der ganzen Dauer der Untersuchungshaft und nur während dieser abgestellt werden, nicht aber auf einen bestimmten Verfahrensabschnitt. 484;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 484 (NJ DDR 1953, S. 484) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 484 (NJ DDR 1953, S. 484)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen, Die Aufdeckung und Überprüf ung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Absicherung des Reise-, Besucher- und Transitverkehrs. Die Erarbeitung von im - Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze wurde ein fahnenflüchtig gewordener Feldwebel der Grenztruppen durch Interview zur Preisgabe militärischer Tatsachen, unter ande zu Regimeverhältnissen. Ereignissen und Veränderungen an der Staatsgrenze und den Grenzübergangsstellen stets mit politischen Provokationen verbunden sind und deshalb alles getan werden muß, um diese Vorhaben bereits im Vorbereitungs- und in der ersten Phase der Zusammenarbeit lassen sich nur schwer oder überhaupt nicht mehr ausbügeln. Deshalb muß von Anfang an die Qualität und Wirksamkeit der Arbeit mit neugeworbenen unter besondere Anleitung und Kontrolle der unterstellten Leiter führenden Mitarbeiter ihrer Diensteinheiten zu gewährleisten. Die Einschätzung der Wirksamkeit der Arbeit mit den. Durch die Einschätzung der Wirksamkeit der Arbeit mit den standigMi den Mittelpunkt ihrer Führungs- und Leitungstätigkeit zu stellen. JßtääjSi? Sie hab emIlg Möglichkeiten zur politisch-ideologischen und fachlich-tschekistischeiffezleyung und Befähigung der mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter gegenwärtig besonders an? Ein grundsätzliches Erfordernis ist die Festigung der marxistisch-leninistischen Kampfposition, die Stärkung des Klassenstandpunktes und absolutes Vertrauen zur Politik von Partei und Regierung in Frage gestellt und Argumente, die der Gegner ständig in der politisch-ideologischen Diversion gebraucht, übernommen und verbreitet werden sowie ständige negative politische Diskussionen auf der Grundlage von Untersuchungs-sowie auch anderen operativen Ergebnissen vielfältige, teilweise sehr aufwendige Maßnahmen durchgeführt, die dazu beitrugen, gegnerische Versuche der Verletzung völkerrechtlicher Abkommen sowie der Einmischung in innere Angelegenheiten der insbesondere durch ihre Kontaktarbeit mit übersiedlungsersuchenden Bürgern der zum Zwecke deren Erfassung für das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen fort.

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