Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 449

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 449 (NJ DDR 1953, S. 449); II KURT SCHUMANN, Jena: 1. Dem Beitrag Nathans in NJ 1953 S. 313 zu der Frage, in welchen Fällen ein rechtskräftiges Urteil beseitigt werden kann, ist grundsätzlich beizupflichten. Dieser Problemkreis dürfte damit eine erfreuliche und begrüßenswerte Klärung gefunden haben. Durch die Ausführungen unter 2 (S. 314 unten) wird allerdings der Anschein erweckt, als ob die Kassation jedes materiell unrichtige Urteil ergreift, wenn nur die Frist gewahrt ist und die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Dieser Schluß widerlegt sich aber schon aus der Beschränkung der Antragsberechtigung und aus der gesetzlichen Formulierung, daß die Kassation durchgeführt werden „kann“. Es ist wohl zunächst auch nicht der Zweck der Kassationsmöglichkeit gewesen, jedes materiell unrichtige rechtskräftige Urteil zu erfassen. Es wäre m. E. aber falsch, aus diesen Erwägungen heraus die von Nathan gezogenen Grenzen für die Beseitigung von rechtskräftigen Urteilen zu erweitern. Um dem Prinzip der materiellen Wahrheit zu dienen und zur Stärkung des Gefühls der Rechtssicherheit bei der rechtsuchenden Bevölkerung, müßte vielmehr von dem Mittel der Kassation im erweiterten Umfang Gebrauch gemacht werden, ohne diese von den Erwägungen der besonderen rechtlichen und tatsächlichen Bedeutung eines Falles abhängig zu machen. Eine Beschränkung der Kassation auf Grundsatzentscheidungen ist auch schon deshalb nicht mehr notwendig, da das Oberste Gericht jetzt die Möglichkeit hat, gemäß § 58 GVG Richtlinien mit bindender Wirkung zu erlassen. 2. Es hätte gewiß zu einer weiteren Klärung geführt, wenn im Zusammenhang mit den von Nathan behandelten Fragen auch die Vollstreckungsgegenklage erwähnt und eingegliedert worden wäre, wenngleich diese keinen außerordentlichen Rechtsbehelf darstellt und die Rechtskraft des Urteils, aus dem vollstreckt werden soll, unberührt läßt. Sie wird aber bei den behandelten Tatbeständen recht oft Verwendung finden können, wie sich das auch aus dem besprochenen Urteil des BG Erfurt ergibt, bei dem allerdings die gesetzlichen Voraussetzungen des § 767 ZPO nicht erfüllt waren. Der praktische Erfolg dieser Klage kommt aber der Beseitigung des rechtskräftigen Titels gleich. Der festgestellte Anspruch kann trotz Rechtskraft nicht durchgesetzt werden. Allein, ein weitergehender Anspruch als die Unzulässigkeitserklärung der Vollstreckung kann mit dieser Klage nicht erreicht werden. Es erschien daher wünschenswert, bei dem Problemkreis der Beseitigung rechtskräftiger Titel auch die Vollstreckungsgegenklage mit zu behandeln, da sie oft dort helfen kann, wo die Kassation oder das an enge gesetzliche Tatbestände gebundene Wiederaufnahmeverfahren nicht durchgreift. Daß die Ausführungen Nathans für die Anwendung der Vollstreckungsgegenklage zu Irrtümern und zu einer unzulässigen Beschränkung führen können, ergibt sich aus einem Urteil des Kreisgerichts Jena-Stadt (9 C 239/52), das einer derartigen Klage den Erfolg versagt, weil damit praktisch das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren noch einmal aufgerollt würde und dem die Rechtskraft des Urteils entgegenstehe. Folgender für die rechtliche Beurteilung nicht uninteressanter Tatbestand lag vor: Die Klägerin hatte den Verklagten auf Zahlung eines vertraglich mit diesem vereinbarten Honorars in Anspruch genommen. Das frühere Amtsgericht Jena verurteilte antragsgemäß, während das frühere Landgericht Gera dieses Urteil auf hob und die Klägerin zur Kostentragung verurteilte, indem es sich ausschließlich auf ein Preisgutachten stützte, das einen Verstoß der Klägerin gegen die Preisstoppvorschriften feststellte. Dieses Preisgutachten konnte die Klägerin mit Erfolg bei dem Ministerium der Finanzen anfechten. (Die Kassa'tionsfrist war inzwischen verstrichen!) Sie wendet sich nunmehr gegen den durch das Urteil festgestellten Anspruch, der hier allein die Kosten umfaßt, mit der Begründung, dem Urteil sei die Grundlage entzogen, denn zu den Einwendungen, die den durch das Urteil fes'tgestellten Anspruch entkräften, gehöre auch die Aufhebung einer Entscheidung, auf die das Urteil gegründet war1). M. E. müßte die Klägerin mit ihrem Anspruch durchdringen. !) vgl. Stein-Jonas, 12. u. 13. Aufl., Anm. II zu § 868. III PROF. Dr. HANS NATHAN, Institut für Zivilrecht an der Humboldt-Universität Berlin: Es ist bemerkenswert, wie das hier behandelte Thema, sobald es nur angerührt wird, die Gemüter mit der gleichen Lebhaftigkeit erhitzt wie von jeher. Hierin zeigt sich, daß wir es mit einem fundamentalen, dem Verfahrensrecht immanenten Konflikt zu tun haben; der idealistische Prozeßrechtler Sauer bezeichnete ihn als Konflikt zwischen dem Gerechtigkeitszweck und dem Ordnungszweck im Recht, während uns die Erkenntnis der Klassennatur des Rechts dazu führt, das Problem als die Frage des Ausgleichs zwischen dem Prinzip der Erforschung der materiellen Wahrheit und dem Prinzip der Achtung vor der sich im rechtskräftigen Urteilsspruch verkörpernden Autorität der Staatsmacht zu kennzeichnen. Die richtige Erkenntnis dieser inneren Problematik ist, wie wir sehen werden, die Voraussetzung für die zutreffende Lösung unserer Frage. Zunächst sei aber eine Zwischenbemerkung gestattet. Vor langen Jahren habe ich mich darum bemüht1), mittels einer sorgfältigen Analyse des § 322 ZPO nachzuweisen, daß in der Mehrzahl der Fälle, d. h., wenn das arglistig erschlichene Urteil ein Leistungsurteil war, die Klage aus § 826 BGB überhaupt nicht gegen die Rechtskraft dieses Urteils verstoße, der angebliche Konflikt also in der Regel gar nicht bestehe. Der Anspruch aus § 826 BGB setze vielmehr gerade den Bestand dieses Urteils als Schaden voraus; seine Geltendmachung und der hierzu erforderliche Nachweis der Unrichtigkeit des Urteils werde durch dessen Rechtskraft nicht abgeschnitten, da nach § 322 ZPO lediglich „der Anspruch“ in Rechtskraft erwachse, nicht aber die Gründe des Urteils. Diese Auffassung halte ich formal auch jetzt noch für zutreffend aber eben nur formal, weil sie auf der mehr oder weniger zufälligen Formulierung des !) Nathan, Die arglistige Erschleichung eines Urteils, Diss., 1922. Jetzt ähnlich Stein-Jonas-Schönke, § 322, Anm. X. § 322 ZPO und der dieser von der bürgerlichen Prozeßlehre gegebenen Auslegung beruht, dem Wesen der Rechtskraft, die das Wiederaufrollen derselben Sache zwischen denselben Parteien verhindern will, jedoch zweifellos nicht gerecht wird. Deshalb halte ich es heute für richtig, dem Konflikt nicht aus dem Wege zu gehen, sondern ihn zu lösen. 1. Gutschmidt unterscheidet zwischen dem Fall des „simulierten“, d. h. im Einverständnis der Parteien ergangenen, in der Regel eine nicht bestehende Forderung zusprechenden Urteils und dem Fall des von einer Partei arglistig erschlichenen, im allgemeinen durch Prozeßbetrug, Meineid, Verleitung zum Meineid oder Urkundenfälschung herbeigeführten Urteils. Im ersten Fall hält er, um seine Argumentation zusammenzufassen, ein Angehen gegen das erschlichene Urteil schon deshalb für unzulässig, weil man einem Verbrecher nicht gestatten könne, sich auf sein eigenes verbrecherisches Verhalten zu berufen; er sei der letzte, der dem Gegner ein sittenwidriges Verhalten vorwerfen dürfe, und müsse sich mit der „durch eigenes strafbares Tun entstandenen Vermögenslage abfinden“, d. h., das erschlichene Urteil gelten lassen. Diese Argumente sehen sich auf den ersten Blick recht überzeugend an, sind aber m. E. gleichwohl hier nicht zu brauchen, weil ihr Ausgangspunkt falsch ist. Gutschmidt beurteilt die Frage ausschließlich im Hinblick auf die Prozeßparteien, auf deren Interesse und auf deren Würdigkeit oder Unwürdigkeit, die Befugnis zur Wiederaufrollung der Sache zu erhalten. Käme es hierauf an, so würde seine Beweisführung in der Tat durchgreifen es kommt jedoch nicht darauf an. Ausschlaggebend ist vielmehr die oben gekennzeichnete Tatsache, daß es sich in Fällen dieser Art um den möglichen Konflikt zweier Prinzipien handelt, die staatliche Interessen berühren, die dem Prozeß in seiner Eigenschaft als s t a a 11 i c h e Tätigkeit innewohnen und von denen insbesondere die Rechtskraft als Ausfluß der dem Urteil seine Unverrückbarkeit verleihenden staatlichen Autorität diese Eigenschaft zum Ausdruck bringt. 449;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 449 (NJ DDR 1953, S. 449) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 449 (NJ DDR 1953, S. 449)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Die Organisierung und Durchführung einer planmäßigen, zielgerichteten und perspektivisch orientierten Suche und Auswahl qualifizierter Kandidaten Studienmaterial Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit - Grundfragen der weiteren Erhöhung der Effektivität der und Arbeit bei der Aufklärung und Bearbeitung von Vorkommnissen im sozialistischen Ausland, an denen jugendliche Bürger der beteiligt ind Anforderungen an die Gestaltung einer wirk- samen Öffentlichkeitsarbeit der Linio Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung von Entweichungen geschaffen. Das Wesen der politisch-operativen Hauptaufgabe der Linie. Die politisch-operative Hauptaufgabe der Linie besteht darin, unter konsequenter Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit einen den Erfordernissen des jeweiligen Strafverfahrens gerecht werdenden politisch-operativen Untersubungshaftvollzug durohzusetzen, insbesondere durch die sichere Verwahrung feindlich-negativer Kräfte und anderer einer Straftat dringend verdächtiger Personen einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der Aufgaben des Strafverfahrens zu leisten und auf der Grundlage der dienstlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lagebedingungen ständig eine hohe Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten und Dienst- Objekten zu gewährleisten Unter Berücksichtigung des Themas der Diplomarbeit werden aus dieser Hauptaufgabe besonders die Gesichtspunkte der sicheren Verwahrung der verhafteten Personen, der Geheimhaltung und auf die operativ-taktischen Fragen der Sicherung der Rechte der Verhafteten während des Aufenthaltes in der medizinischen Einrichtung. Der Leiter der Abteilung im Staatssicherheit Berlin und die Leiter der Abteilungen der Bezirksverwatungen haben in ihrem Zuständigkeitsbereich unter Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit und konsequenter Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß bei der Vielfalt der zu lösenden politisch-operativen Aufgaben und durch das gesamte System der Aus- und Weiterbildung in und außerhalb Staatssicherheit sowie durch spezifische Formen der politisch-operativen Sohulung. Die ist ein wesentlicher Bestandteil der bedingungslosen und exakten Realisierung der Schwerpunktaufgaben. Die Arbeit nach dem Schwerpunktprinzip hat seinen Nutzen in der Praxis bereits voll bestätigt.

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