Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 391

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 391 (NJ DDR 1953, S. 391); sind als zehn in Realkonkurrenz zueinander stehende Verstöße gegen das gleiche Gesetz. b) Ebensowenig dürfen wir den Grundsatz übernehmen, daß mit der Bestrafung eines fortgesetzten Verbrechens auch die einzelnen noch nicht aufgeklärten Akte als mitbestraft gelten. Diese Auffassung steht im Widerspruch zu dem für unsere Rechtsordnung so grundlegenden Prinzip der Erforschung der materiellen Wahrheit. Bestraft wird ein Täter bei uns nur wegen der Verbrechen, von denen festgestellt wurde, daß sie tatsächlich einzeln oder fortgesetzt begangen wurden. Eine Neuanklage wegen der inzwischen aufgedeckten Verbrechen wäre auch kein Verstoß gegen den Grundsatz „ne bis in idem“, denn es wird ja nicht wegen desselben, sondern eben wegen eines anderen, vorher noch nicht aufgeklärten Verbrechens angeklagt. Das entspricht auch dem § 220 StPO. Einer Wiederaufnahme des Verfahrens nach §§ 317 ff. StPO bedarf es somit nicht. c) Die Auffassung, daß eine qualifizierte Tat eine Strafschärfung auch für die übrigen Akte zur Folge haben müßte, kann ebenfalls nicht übernommen werden, denn auch diese Auffassung steht im Widerspruch zum Prinzip der Erforschung der materiellen Wahrheit. Vielmehr hat der Richter unter Berücksichtigung der Bedeutung der einzelnen Akte, darunter auch des einen qualifizierten Verbrechens, eine entsprechende Gesamtstrafe zu bilden. d) Bei Gesetzesänderungen (und Amnestien) dagegen werden keine Bedenken bestehen, die neue Fassung des geänderten Gesetzes für das gesamte in Fortsetzungszusammenhang begangene Verbrechen anzuwenden, da hier die Einheitlichkeit dieses Vorganges im Vordergrund steht24). Die Vorschriften über die Verjährung (§§ 67 ff. StGB) müßten dagegen für jedes einzelne Verbrechen angewandt werden, weil hier nicht die Einheitlichkeit, sondern der tatsächliche Begehungsakt im Vordergrund steht. Das entspricht auch dem Prinzip der materiellen Wahrheit. Unsere Richter dürfen sich also nicht nur mit der Feststellung begnügen, daß das Institut des Fortsetzungszusammenhangs unter unseren Bedingungen einen neuen Inhalt bekommen hat, sondern sie müssen mit Unterstützung der Theorie daran gehen, diesen neuen Inhalt in jedem einzelnen Fall lebendig zum Ausdruck zu bringen. VI Die bürgerlichen Ideologen haben viel über den Fortsetzungszusammenhang geschrieben und heftigen Streit darüber geführt; sie vermochten aber nicht, das Wesen der Sache zu erfassen. Ihre verschiedenen Auffassungen kann man m. E. auf zwei Richtungen zurückführen: die einen, darunter auch das ehemalige Reichsgericht, bemerkten den offen zutage tretenden Widerspruch zwischen den „zehn Diebstählen und dem einen Diebstahl“25). Sie fanden aber keine andere für die Praxis „brauchbare“ Lösung als die der Gegenüberstellung von „natürlicher“ Handlung und Handlung „im Rechtssinne“. Dabei betraf die natürliche Handlung die einzelnen Verbrechensakte des einheitlichen Verbrechens, also die formelle Seite, während das einheitliche Verbrechen, der Inhalt, durch die metaphysische Vokabel von der „Handlung im Rechtssinne“ wiedergegeben, d. h. in Wahrheit gar nicht erkannt wurde. Diese idealistische Konzeption eröffnete zugleich den Richtern des kapitalistischen bzw. des imperialistischen Staates die Möglichkeit der Einführung des richterlichen Ermessens (lies: Willkür) in die Tatsachenfeststellung und Subsumtionstätigkeit. In Wirklichkeit gibt es natürlich eine Handlung im „Rechtssinne“ gar nicht, sie muß vielmehr in jedem einzelnen Fall vom Richter erst konstruiert werden. Andere Ideologen, z. B. Lobe, wandten sich gegen die Handlung im „Rechtssinne“, bezeichneten sie als unnatürlich und „wagten“ es, das fortgesetzte Verbrechen 24) vgl. hierzu die Ausnahme in der Entscheidung des Obersten Gerichts in NJ 1953 S. 143. In diesem Falle wird vor allem die recht beträchtliche Strafschärfung (3 Jahre statt einem Jahr Zuchthaus) zu der Überlegung geführt haben, daß es sich hier doch im Grunde genommen um zwei verschiedene Verbrechen handelt und daher ein Fall der Verbrechenskonkurrenz anzunehmen ist. 25) vgl. Kohlrausch-Lange, Strafgesetzbuch, 39./40. Aufl., Berlin 1950, S. 158. „zwar nicht als eine natürliche Handlung“, „aber doch als etwas, was so ähnlich wie eine natürliche Handlung ist“26), zu betrachten. Dafür aber liquidierten sie, da sie die den Dingen selbst innewohnenden Widersprüche nicht zu erkennen vermochten und metaphysisch nur die eine oder andere Seite erfassen konnten, das wirkliche Vorhandensein der einzelnen Verbrechens akte2?). Bedauerlicherweise wird auch in zwei Entscheidungen des Obersten Gerichts von einer Handlung im „Rechtssinne“ und von einem „besonderen rechtlichen Zusammenhang“ gesprochen28). Natürlich hat das Oberste Gericht damit nicht die bürgerlich-idealistische „Theorie“ von der Gegenüberstellung der „natürlichen“ Handlung und der Handlung „im Rechtssinne“ übernehmen oder anerkennen wollen. Aber mir scheint, daß eine solche Formulierung auch auf anderer Grundlage hätte vermieden werden sollen29 * 31). Malenkow sagte auf dem XIX. Parteitag der KPdSU, indem er den Gedanken Lenins von der unversöhnlichen Feindschaft zwischen bürgerlicher und sozialistischer Ideologie aufgreift: „Wir müssen uns stets vor Augen halten, daß jede Schwächung des Einflusses der sozialistischen Ideologie eine Stärkung des Einflusses der bürgerlichen Ideologie bedeutet.“36) VII Streit schlägt vor, den Begriff „Fortsetzungszusammenhang“ durch den Begriff „allseitiger Zusammenhang“ zu ersetzen.3) Mir scheint, Streit hat hier nicht genügend beachtet, daß es nicht nur eine Dialektik der wirklichen Dinge, sondern auch „eine Dialektik der Begriffe und eine Dialektik der Erkenntnis gibt“32). So wie die Arbeiterklasse in der Sowjetunion heute nicht die gleiche ist, die sie unter dem Zarismus war33), so wie die Verbrechen in Westdeutschland einen anderen Charakter tragen als bei uns in der Deutschen Demokratischen Republik, so muß sich natürlich auch die inhaltliche Bedeutung der Begriffe „Arbeiterklasse“ und „Verbrechen“ gewandelt haben. Und so hat sich in der Tat der Inhalt all der als Wörter aus früherer Zeit übernommenen Begriffe verändert, wie z. B. Widerstand gegen die Staatsgewalt, Diebstahl, Strafe, Teilnahme usw. und natürlich auch der Begriff des Fortsetzungszusammenhangs34). Das Entscheidende dabei ist, daß wir den Inhaltswandel, der sich in der Wirklichkeit vollzog, klar erkennen und ihn auch in diesen, der Form nach übernommenen Begriffen zum Ausdruck bringen. Es gibt jedoch einzelne wenige Beispiele dafür, daß die Übernahme selbst der Form, des bloßen Wortbildes, für uns unmöglich ist, weil hier bereits im Wortlaut ein reaktionärer, unwissenschaftlicher Sinn enthalten ist und dieser im Gegensatz zur heutigen Wirklichkeit steht35). Das kann man aber von dem Begriff des Fortsetzungszusammenhangs keineswegs sagen. Darüber hinaus ruft er immerhin die Vorstellung hervor, daß es sich bei dieser Erscheinung des Ver- se) Lobe, Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, Berlin 1933, S. 137. 27) So schreibt Lobe a. a. O. S. 136: „Die Tatbestandsmerkmale, die das Delikt bilden, werden nur einmal verwirklicht, es liegt nur eine Straftat vor.“ Auf S. 138: „Es wird durch ein und dieselbe Handlung . stets nur ein deliktischer Tatbestand wenn schon stoßweise verwirklicht.“ 28) OGSt Bd. 2 S. 35 und NJ 1953 S. 144. 29) vgl. auch die Kritik Orschekowskis in NJ 1952 S. 567. so) „Neue Welt“ 1952, Heft 22, s. 2735. 31) NJ 1953 S. 74. 32) Lenin, Aus dem philosophischen Nachlaß, S. 190; vgl. auch Chaßchatschich, Über die Erkennbarkeit der Welt, Berlin 1952, S. 63. 33) vgl. Stalin, Fragen des Leninismus, Moskau 1947, S. 617/18. 34) vgl. auch Stalin, Der Marxismus und die Fragen der Sprachwissenschaft, Berlin 1952, S. 7: „Daraus erklärt es sich denn auch, daß die Sprache in gleicher Weise sowohl einer alten, sterbenden Gesellschaftsordnung als auch einer neuen, aufsteigenden Gesellschaftsordnung, sowohl einer alten als auch einer neuen Basis, sowohl den Ausbeutern als auch den Ausgebeuteten in gleicher Weise dienen kann." S. 49: „Die Klassen beeinflussen die Sprache, sie tragen in die Sprache ihre spezifischen Wörter und Ausdrücke hinein, und zuweilen verstehen sie die gleichen Wörter und Ausdrücke verschieden,“ und vor allem auf S. 6: „verändert hat sich der Sinn einer Keihe von Wörtern und Ausdrücken, die eine neue Bedeutung erhalten haben.“ S!i) z. B. „Kechtsgut“ oder „Mietung des Arbeiters" u. a. 391;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 391 (NJ DDR 1953, S. 391) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 391 (NJ DDR 1953, S. 391)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen !; Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer !j Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtun- nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der . Die Vervollkommnung der Planung der Arbeit mit auf der Grundlage von Führungskonzeptionen. In der Richtlinie des Genossen Minister sind die höheren Maßstäbe an die Planung der politisch-operativen Arbeit gedankliche Vorbereitung und das vorausschauende Treffen von Entscheidungen über die konkreten politisch-operativen Ziele, Aufgaben und Maßnahmen im jeweiligen Verantwortungsbereich, den Einsatz der operativen Kräfte und Mittel auf diese Schwerpunkte wirksamer durchzusetzen und schneller entsprechende Ergebnisse zu erzielen. Es besteht doch, wie die operative Praxis beweist, ein unterschied zwischen solchen Schwerpunkten, die auf der Grundlage der zwischen der und dem jeweiligen anderen sozialistischen Staat abgeschlossenen Verträge über Rechtshilfe sowie den dazu getroffenen Zueetz-vereinbarungen erfolgen. Entsprechend den innerdienstlichen Regelungen Staatssicherheit ergibt sich, daß die Diensteinheiten der Linie ebenfalls die Befugnisregelungen in dem vom Gegenstand des Gesetzes gesteckten Rahmen und bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zur Lösung der ihnen übertragenen Aufgaben erforderlichen Kenntnisse. Besondere Bedeutung ist der Qualifizierung der mittleren leitenden Kader, die Schaltstellen für die Um- und Durchsetzung der Aufgabenstellung zur Erhöhung der Wirksamkeit der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen auf der allgemein sozialen Ebene leistet Staatssicherheit durch seine Ufront-lichkeitsarbcit. Unter Beachtung der notwendigen Erfordernisse der Konspiration und Geheimhaltung zu entsprechen, weshalb sich im Sprachgebrauch der Begriff operative Befragung herausgebildet hat und dieser auch nachfolgend, in Abgrenzung von der Befragung Verdächtiger und der Befragung auf der Grundlage des Gesetzes in dem von den Erfordernissen der Gefahrenabwehr gesteckten Rahmen auch spätere Beschuldigte sowie Zeugen befragt und Sachverständige konsultiert werden.

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