Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 388

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 388 (NJ DDR 1953, S. 388); des Fortsetzungszusammenhangs ist also schließlich zu einem Hemmnis für die brutale und zügellose Unterdrückung der demokratischen Kräfte durch die reaktionären deutschen Imperialisten geworden. Können wir nun heute noch in der Deutschen Demokratischen Republik das Institut des Fortsetzungszusammenhangs anwenden? Das Oberste Gericht hat diese Frage bejaht und dabei zum Ausdruck gebracht, daß der Fortsetzungszusammenhang bei uns einen neuen Inhalt habe3). Stalin lehrt uns die Frage prinzipiell zu stellen: Wir können dieses Institut bei uns anwenden, wenn es uns hilft, das ökonomische Gesetz der unbedingten Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit dem Charakter der Produktivkräfte auszunutzen4). Das bedeutet aber unter unseren Verhältnissen nichts anderes, als daß es dazu dienen muß, unseren Strafrichtern und Staatsanwälten in ihrem Kampf zur Sicherung und Förderung unseres friedlichen Aufbaus in der Deutschen Demokratischen Republik und zur Errichtung eines einheitlichen demokratischen, friedliebenden und unabhängigen Deutschlands Anleitung und Orientierung zu geben. Diese Aufgabe kann aber das Institut des Fortsetzungszusammenhangs nur dann erfüllen, wenn es in der Wirklichkeit solche Erscheinungen des Verbrechens gibt, die durch keinen anderen Begriff als den der fortgesetzten Handlung besser und wirklichkeitsgetreuer wiedergegeben werden können. In diesem Falle hilft das Institut des Fortsetzungszusammenhangs, die gegen unseren Staat gerichteten Anschläge besser und tiefer zu erkennen und damit wirksamer zu bestrafen. Das ist m. E. der einzig richtige Ausgangspunkt für die wissenschaftliche Lösung der Frage; das wirkliche Leben ist die feste Grundlage einer jeden wissenschaftlichen Untersuchung. Im Gegensatz zu den Naturwissenschaften stehen für die Untersuchung von Rechtsinstituten aber „weder das Mikroskop .,. noch chemische Reagenzien“ zur Verfügung vielmehr muß „die Abstraktionskraft beide ersetzen“5). Hierbei muß man natürlich beachten, daß man sich nicht in abstrakttheoretische Erörterungen verliert, denn nicht jede Verallgemeinerung ist ein Schritt zur Wahrheit, sondern nur „alle wissenschaftlichen (richtigen, ernst zu nehmenden, nicht unsinnigen) Abstraktionen spiegeln die Natur tiefer, getreuer, vollständiger wider“6). II Gehen wir von einem praktischen Beispiel aus: Am 3. Dezember 1952 entschließt sich A., von dem Kohlenhändler, bei dem er arbeitet, einen Zentner Kohlen für seinen Hausbedarf mit nach Hause zu nehmen. Um nicht entdeckt zu werden und aus Bequemlichkeit nimmt er am selben Tage und an den nächsten Tagen je 10 Pfund Kohlen mit nach Hause. Liegt hier ein Diebstahl oder liegen 10 Diebstähle vor? Wenn ich sage „Es liegt ein Diebstahl vor“, dann ignoriere ich, teile Die Nachteile werden um so fühlbarer Je mehr sich in der Volksgemeinschaft der Gedanke durchsetzt, daß kein Verbrechen ohne Sühne bleiben darf. Bei Straftaten dieser Art (Diebstahl und Betrug, E. B.) ist es für das allgemeine Rechtsgefühl erträglich, daß eine fortgesetzte Handlung angenommen werden kann . Eine Übertragung der für diese Arten von Straftaten aufgestellten Regeln auf anders geartete Gebiete wird durch das Bedürfnis des Lebens nicht gefordert; die Ab-sähwächung des Strafmaßes ist mit dem gesunden Rechtsempfinden nicht vereinbar Das gesunde Rechtsempfinden läßt es nicht zu, daß jemand, der auf Grund von vornherein bis ins kleinste durchdachten Vorsatzes in längeren Zeitabständen mehrere Menschen ums Leben bringt so behandelt wird, als habe er nur einen Mord begangen.“ Auf diese Entscheidung des Großen Senats stützten sich dann später die einzelnen Senate in ihren Entscheidungen und wiederholten, daß die bisherige Begründung der Ablehnung eines Fortsetzungszusammenhangs es handelt sich um die bürgerliche Rechtsgütertheorie nicht anzuerkennen sei, daß die Entscheidung über Annahme oder Nichtannahme eines Fortsetzungszusammenhangs lediglich durch das „gesunde Rechtsempfinden“ bestimmt werde (z. B. RGSt 70/283, 72/175 kein Fortsetzungszusammenhang bei Bestechung mehrerer Beamter, RGSt 73/165; demgegenüber wird in RGSt 77/191 praktisch mit der gleichen Begründung die Annahme einer fortgesetzten Handlung bei einem Wirtschaftsdelikt bejaht). 3) OGSt Bd. 2 S. 34. 4) Stalin, ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR, Berlin 1952, S. 5 ff. und 49 ff. 6) Marx, Das Kapital, Bd. I, Berlin 1931, S. 8. °) Lenin, Aus dem philosophischen Nachlaß, Berlin 1949, S. 89. daß A. an 10 aufeinanderfolgenden Tagen Kohlen mitgenommen hat. Wenn ich dagegen sage „Es liegen 10 Diebstähle vor“, dann lasse ich außer acht, daß A. von vornherein einen Zentner stehlen wollte und nur aus „taktischen“ Erwägungen jeweils immer nur 10 Pfund mitgenommen hat. Auf den ersten Blick scheinen die beiden Antworten einander auszuschließen Es scheint, als könne nur eins richtig sein: entweder sind es 10 Diebstähle oder es ist einer. Betrachten wir den ganzen Vorgang noch einmal der Reihe nach: Am 3. Dezember 1952 hatte sich A. entschlossen, einen Zentner Kohlen nach Hause mitzunehmen; am Abend desselben Tages nimmt er auch die ersten 10 Pfund mit. Das ist der erste Schritt, und es bereitet keine Schwierigkeiten, diese Handlung strafrechtlich als einen Diebstahl nach § 242 StGB zu würdigen7). Gehen wir weiter: Am 4. Dezember abends nimmt A., dessen Entschluß sich nicht geändert hat, durch den erfolgreichen Beginn der Verwirklichung seines Planes vielmehr nur gefestigt worden ist, ein zweites Mal 10 Pfund Kohlen mit nach Hause. Mit diesem zweiten Schritt treten bereits Schwierigkeiten auf, denn es erhebt sich die Frage: Liegt nun ein Diebstahl oder liegen zwei Diebstähle vor? Diese Frage begleitet uns dann bei allen weiteren Schritten bis zum Abschluß des Verbrechens. Hier müssen wir also tiefer eindringen: Was ist das Wesentliche an dem ganzen von A. begangenen Verbrechen? Das von A. begangene Verbrechen ist ein Angriff auf ein bestimmtes, durch ein Strafgesetz unseres Staates geschütztes Objekt (nämlich das Privateigentum); dieser Angriff besteht vor allem darin, den Gegenstand des Verbrechens (1 Ztr. Kohlen) aus dem Gewahrsam des Kohlenhändlers in den des A. zu bringen. A. hat den einen Zentner nicht mit einem Mal weggenommen, sondern er hat sich den Zentner aufgeteilt und immer nur einen Teil davon mitgenommen er hat ihn in der Form von mehreren Diebstählen nach Hause gebracht. In der Antwort „Es liegt ein Diebstahl vor“ wird außer acht gelassen, wie der Diebstahl erfolgte, und nur zum Ausdruck gebracht, daß ein Diebstahl begangen wurde. Man kann sagen, daß diese Antwort sich nur auf den Inhalt, auf die qualitative Seite des zu untersuchenden Verbrechens bezieht. In der Antwort „Es liegen 10 Diebstähle vor“ wird dagegen das Schwergewicht auf die Begehungsform gelegt und dabei vernachlässigt, daß diese 10 Diebstähle ein und demselben Zweck gedient haben, daß sie nur Teile einer einzigen, großangelegten Aktion waren. Man kann sagen, daß diese Anwort sich nur auf die Form, auf die quantitative Seite bezieht. In Wirklichkeit besteht aber jede Erscheinung sowohl aus „Form“ als auch aus „Inhalt“, d. h. jede unserer beiden Antworten gab immer nur eine Seite der Wirklichkeit, also nur die halbe Wahrheit wieder. Um ein vollständiges und richtiges Bild von der Wirklichkeit zu erhalten, müssen wir beide Antworten vereinigen, d. h. die qualitative und die quantitative Seite gleichzeitig ausdrücken. Die Antwort muß also lauten: Es liegen gleichzeitig ein Diebstahl und 10 Diebstähle vor, und zwar in der Weise, daß ein einziger einheitlicher Diebstahl in der Form von 10 Diebstählen ausgeführt worden ist. Diese Antwort erscheint widersprüchlich, sie gibt aber nur die in der Wirklichkeit tatsächlich vorhandenen Widersprüche richtig wieder. Sie ist daher eine dialektische, d. h. eine allseitige, tiefer gehende, wissenschaftliche Beantwortung8). III Die Antwort enthält im Keim zugleich auch die Elemente einer vollständigen wissenschaftlichen Definition und einer Abgrenzung gegenüber ähnlichen Formen des *) 7) Verbrechensobjekt sei hier Privateigentum. *) vgl. auch Stalin, Politischer Bericht des ZK an deji XVI. Parteitag der KPdSU (B), Berlin 1952, S. 131. Stalin behandelt bei der Frage des Absterbens des Staates den der Natur der Sache selbst innewohnenden Widerspruch und sagt: „Das ist .widerspruchsvoll’? Jawohl, es ist .widerspruchsvoll’! Dieser Widerspruch ist aber in dem Leben begründet und widerspia-gelt vollständig die Marx’sche Dialektik." 388;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Spitzengeheimnisträger in staatlichen und bewaffneten Organen, in der Volkswirtschaft, in Forschungseinrichtungen einschließlich Universitäten und Hochschulen; Einschätzung der Wirksamkeit der politisch-operativen Aufklärung, Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. :, Ausgehend davon, daß; die überwiegende Mehrzahl der mit Delikten des unge- !i setzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen schenhande angefallenen Bürger intensive Kon- takte und ein großer Teil Verbindungen zu Personen unterhielten, die ausgeschleust und ausgewiesen wurden legal in das nichtsozialistische Ausland bestünden. Diese Haltungen führten bei einer Reihe der untersuchten Bürger mit zur spätereri Herausbildung und Verfestigung einer feindlich-negativen Einstellung zu den verfassungsmäßigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der angegriffen werden bzw, gegen sie aufgewiegelt wird. Diese ind konkret, detailliert und unverwechselbar zu bezeichnen und zum Gegenstand dee Beweisführungsprozesses zu machen. Im Zusammenhang mit der Bestimmung der Zielstellung sind solche Fragen zu beantworten wie:. Welches Ziel wird mit der jeweiligen Vernehmung verfolgt?. Wie ordnet sich die Vernehmung in die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Tätigkeit des Untersuchungsführers in der Vernehmung, insbesondere bei der Protokollierung. Es ist Anliegen der Ausführungen, die ErfOrdermisse der Wahrung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlih-keit und Gesetzlichkeit die Möglichkeit bietet, durch eine offensive Nutzung der gesetzlichen Bestimmungen den Beschuldigten zu wahren Aussagen zu veranlassen.

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