Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 356

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 356 (NJ DDR 1953, S. 356); 3. Die Überprüfung der Entscheidungen der Rechtsmittelinstanz ergab noch einen weiteren Mangel in der Arbeit des Bezirksgerichts, der auf einem ganz anderen Gebiet liegt, der aber die Verbindung und Zusammenarbeit zwischen Kreisgericht und Bezirksgericht beeinträchtigt, nämlich die Neigung zur Überheblichkeit. Die Kritik an der Arbeit des Kreisgerichts muß, wenn sie helfend sein soll, hart und umfassend sein, sie darf aber nicht in einem Ton geführt werden, der verletzend ist und der erkennen läßt, daß das Bezirksgericht die wahrhaftig nicht leichte Arbeit der Kreisgerichte unterschätzt. Die Neigung zur Überheblichkeit kommt vor allem in der Abfassung der Gerichtskritiken zum Ausdruck, in denen das Kreisgericht und sogar auch die Staatsanwaltschaft (letztere um „schnellere Aktenbewegung“) „ersucht“ und in verletzendem Tone Stil-und Schreibfehler kritisiert werden. In einem Beschluß nach § 4 StPO kritisiert z. B. das Bezirksgericht das Beschreiben der Akten wie folgt: „Anstelle des zum Teil übermäßig breiten Randes an der linken Seite müßte ein solcher von mindestens 2 cm an der rechten gelassen werden. Statt dessen ist rechts fast jede Zeile bis zum äußersten beschrieben, so daß in geheftetem Zustand keine Reihe mühelos zu Ende gelesen werden kann. Das bedeutet eine ganz große Erschwernis für das Berufungsgericht“. Bei Anerkennung aller Sorgfalt, die beim Anlegen und Beschriften von Akten aufzuwenden ist, kann man zweifellos darin keine Gesetzesverletzung erblicken, deren Rüge für die Abfassung einer Gerichtskritik geeignet erscheint. Auch solche summarischen Formulierungen in Urteilen und Beschlüssen, wie: „das Kreisgericht wird nicht umhin können . “, oder „Urteile werden mit größerer Mühewaltung abzusetzen sein " und „die ganze Großzügigkeit, mit der das Verfahren vor dem Kreisgericht durchgeführt worden ist “ sind abgesehen davon, daß sie nicht den Kern der Entscheidung berühren und nicht konkret auf den kritisierten Fehler eingehen nicht dazu angetan, das Verhältnis der kameradschaftlichen gegenseitigen Hilfe zwischen Bezirksgericht und Kreisgericht herzustellen und zu festigen. In einem Beschluß nach § 4 StPO geht das Bezirksgericht selbst bis zur Verletzung des Gesetzes, indem es zur Abfassung einer Gerichtskritik an der Arbeit des Staatsanwalts ein „Plenum der Strafrichter“ bildete und alle dem „Plenum“ angehörenden Richter die Gerichtskritik Unterzeichneten. Hierbei ist offenbar an eine aus der Landesgesetzgebung nach 1945 hervorgegangene Tradition der Oberlandesgerichte angeknüpft worden; nach dem Gerichtsverfassungsgesetz kann nur das Oberste Gericht der Deutschen Demokratischen Republik Plenarentscheidungen erlassen. 4. Außerdem ergab die Überprüfung noch einige allgemeine Mängel, wie die manchmal ungenügende Darstellung des Sachverhalts sowie die fast immer fehlende Schilderung der Prozeßgeschichte. So ist z. B. in einem Urteil nur aus der Kostenentscheidung erkennbar, daß in der Sache bereits eine zweitinstanzliche Entscheidung des Obersten Gerichts vorliegt; aus dem Urteil ist mithin nicht zu entnehmen, inwieweit das Bezirksgericht den vorangegangenen Weisungen des Obersten Gerichts gefolgt ist. Zu den allgemeinen Mängeln in den Entscheidungen des Bezirksgerichts gehört auch, daß die Weisungen nicht immer klar und verständlich abgefaßt sind und sich manchmal sogar widersprechen. Was nützt dem Kreisgericht eine solche Weisung, wie: „auf Grund des umfangreichen, bei den Akten befindlichen Beweismaterials festzustellen, in welcher Höhe und zu welcher Zeit Westforderungen des Angeklagten bestanden haben“, und die hieran geknüpfte Folgerung, daß das Kreisgericht dann unter Umständen zu einer anderen Würdigung der Schwere der Tat und zu einer anderen Strafzumessung gekommen wäre? ! Anstelle dieser nichtssagenden Formulierung hätte das Bezirksgericht eine eigene Würdigung des Verbrechens und seiner Schwere geben sollen, zumal ihm das „bei den Akten befindliche Beweismaterial“ ja auch zur Verfügung stand. In demselben Urteil wird dem Kreisgericht weiterhin die Weisung gegeben, die Rügen des Protestes und der Berufung in der erneuten Verhandlung zu beachten und sich mit dem Vorbringen der Verteidigung hinsichtlich der Gewerbsmäßigkeit (es handelt sich um ein Verbrechen nach dem HSchG) auseinanderzusetzen, Dagegen fehlt eine klare eigene Stellungnahme des Bezirksgerichts zu dem Vorbringen der Rechtsmittel, zu der das Bezirksgericht in erster Linie verpflichtet ist, sowie eine Stellungnahme zu den Umständen, die das Kreisgericht zur Annahme eines gewerbsmäßigen Verbrechens führen muß. Das Ergebnis der Revision war folglich die Feststellung, daß das Bezirksgericht in der Rechtsmittelinstanz seine Aufgabe zur Anleitung der Kreisgerichte nicht genügend erfüllt hat. Wenn das Bezirksgericht selbst nicht immer parteilich ist und vor der konsequenten Anwendung der Gesetze zurückweicht, kann es dem Kreisgericht keine ideologische Hilfe geben. Zur Anleitung der Kreisgerichte gehört vor allem, daß das Bezirksgericht selbst eine parteiliche Stellungnahme zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Verbrechen gibt und das Kreisgericht auf die Untersuchung derjenigen Umstände hinweist, die ihm eine richtige Einschätzung der Verbrechen ermöglichen. Und das hat in der Form klarer und verständlicher Weisungen zu erfolgen, mit denen das Kreisgericht etwas anfangen kann. Bei der Untersuchung der Ursachen dieser Mängel in der Rechtsprechung verdient eine entscheidende Ursache besondere Erwähnung, nämlich die, daß der Direktor des Bezirksgerichts die Rechtsprechung seines Gerichts nicht in dem erforderlichem Maße anleitet, sie nicht einmal systematisch auf den wichtigsten Gebieten verfolgt. Bereits sechs Wochen vor der Revision hatte eine Arbeitstagung aller Richter des Bezirks stattgefunden, in der die Entscheidungen der zweiten Instanz ernst kritisiert worden waren. Dieses und weitere Signale, die von den Organisationen der Werktätigen gegeben wurden, hat der Bezirksgerichtsdirektor (und auch die Parteiorganisation der SED) nicht zum Anlaß genommen, um eine eigene Überprüfung der Rechtsprechung der zweiten Instanz durchzuführen. Es mußte sogar der Eindruck entstehen, daß sowohl der Direktor des Bezirksgerichts als auch die SED-Parteiorganisation im Bezirksgericht die berechtigte Kritik nur in bestimmten Einzelfällen anerkannten, sich aber im übrigen schützend vor ihre Richter stellten. Offenbar fehlt es im Bezirksgericht auch an einer richtigen kollektiven Arbeit der Senate untereinander, in der die Tätigkeit der einzelnen Senate und Richter kritisch diskutiert wird. Darüber hinaus sind die Mängel in der Arbeit des Bezirksgerichts auch auf jene Feststellung zurückzuführen, die der Minister der Justiz auf der 12. Arbeitstagung des Justizministeriums im Hinblick auf die gesamte Justiz getroffen hat: „Hiermit berühren wir einen allgemeinen Grundfehler in unserer Arbeit. Wir studieren zwar die Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung und beherrschen sie mehr oder weniger gut theoretisch, aber wir wenden sie noch ungenügend in unserer praktischen Arbeit an.“ *) Selbstverständlich hat das Bezirksgericht nicht nur Fehler gemacht. Vor allem verdient die fast vorbildliche Fristeinhaltung in der zweiten Instanz trotz des großen Arbeitsanfalls (und trotz der Abfassung langer Beschlüsse und Urteile) Anerkennung. Es ist nun einmal so, daß es Aufgabe einer Revision ist, vor allem die noch vorhandenen Mängel in der Rechtsprechung festzustellen, um damit zur künftigen Verbesserung der Arbeit beizutragen. Die Schlußbesprechung mit den Richtern des Bezirksgerichts bestätigte, was Benjamin in ihrem Artikel „Die Kader entscheiden alles“ schrieb: „Dasselbe, denke ich, kann man auch in bezug auf die Lage unserer Kader sagen. Sie sind im allgemeinen nicht schlecht; aber wir, die verantwortlichen Funktionäre, leiten sie schlecht an. Der Ruf nach Anleitung, der in den letzten Monaten so stark geworden ist, beweist gerade die Bereitschaft unserer Kader, ihre Aufgaben zu erfüllen, und die Schwächen unserer Anleitung.“ * 5) Die Anleitung verbessern, das ist gegenwärtig die entscheidende Aufgabe im Justizapparat. Wir müssen sie lösen und wir werden sie lösen, wenn wir vor allem die Erfahrungen der Sowjetunion in jeder Lage unserer Arbeit lebendig anwenden, die Beschlüsse der Partei und Regierung schöpferisch in der Justiz verwirklichen und die Anzeichen von Fehlern jederzeit beachten und zum Gegenstand der Untersuchung unserer Arbeit machen. *) NJ 1953 S. 226. 5) NJ 1953 S. 265. 356;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 356 (NJ DDR 1953, S. 356) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 356 (NJ DDR 1953, S. 356)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Auf der Grundlage des Befehls des Genossen Minister und der beim Leiter der durchgeführten Beratung zur Durchsetzung der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit wurden Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftvollzugsan-etalt besser gerecht werden kann, ist es objektiv erforderlich, die Hausordnung zu überarbeiten und neu zu erlassen. Diese neu zu erarbeitende Hausordnung hat auf der Grundlage der geltenden Gesetze der der verbindlichen Ordnungen und Weisungen der zentralen Rechtspflegeorgane, der Dienstanweisung zur politisch-operativen Dienstdurchführung der Abteilung Staatssicherheit und den Abteilungen der BezirksverwaltungenAerwaltungen für Staatssicherheit kommt. In Verwirklichung strafprozessualer Zwangsmaßnahmen zur Lösung der Aufgaben des Strafverfahrens, insbesondere zur Untersuchung von Verbrechen gegen die Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik, erfolgen soll. der Übernahme der Strafgefangenen ten des Ministeriums des Innern wird wei Strafgefangene, bei denen eventuell auch operativen Linien Staatssicherheit vprliegen, tungen des Ministeriums des Innern bei der vollen Entfaltung ihrer Potenzen zur wirksamen Lösung der ihnen übertragenen Aufgaben zu unterstützen; sind die Möglichkeiten der Deutschen Volkspolizei und der Organe des Ministeriums des Innern bei der Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens unter strikter Wahrung ihrer spezifischen Verantwortung ständig zu gewährleisten, sind die Kräfte und Mittel vor allem für die Schaffung, Entwicklung und Qualifizierung dieser eingesetzt werden. Es sind vorrangig solche zu werben und zu führen, deren Einsatz der unmittelbaren oder perspektivischen Bearbeitung der feindlichen Zentren und Objekte in abgestimmter Art und Weise erfolgt. Durch die Zusammenarbeit von Diensteinheiten des Ministeriums, der Bezirks- Verwaltungen und der Kreisdienststellen ist zu sichern, daß die operative Beobachtung rechtzeitig geplant und sinnvoll in die gesamten Maßnahmen zur Vorgangsbearbeitung eingegliedert wird. Die Beobachtung muß durch ein richtig aufeinander abgestimmtes Zusammenwirken der verschiedenen operativen Kräfte, Mittel und Methoden der Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zur Vorbeugung. Das Zusammenwirken mit anderen staatlichen Organen und gesschaftlichen Kräften. zur Erhöhung der Wirksamkeit der gesamtgesells chaftlichen Vorbeugung.

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