Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 355

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 355 (NJ DDR 1953, S. 355); Verteidigung und dazu gehören rechtzeitige Ladung und Hinweis auf die veränderte Rechtslage von den Kreisgerichten häufig nicht beachtet werden, daß es darum Aufgabe der Bezirksgerichte ist, solche Gesetzesverletzungen zu kritisieren, um damit zur künftigen exakten Einhaltung der Vorschriften zu erziehen. Das darf aber nicht dazu führen, die klar abgegrenzten Bestimmungen des Verfahrensrechts auszuweiten. Die notwendige Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht nach § 291 Ziff. 5 StPO muß darauf beschränkt bleiben, daß wie das Gesetz es sagt die Vorschriften über das Recht auf Verteidigung verletzt worden sind. Das trifft nur zu auf die Bestimmungen des Abschnitts 10 im zweiten Kapitel der Strafprozeßordnung, also der §§ 74 bis 82. Jede darüber hinausgehende Ausdehnung der Vorschrift des § 291 Ziff. 5 StPO würde dazu führen, daß bei Verletzung aller dem Schutz des Angeklagten dienenden Bestimmungen des Verfahrensrechts mit Notwendigkeit das Urteil aufzuheben ist, ohne daß es einer Nachprüfung bedürfte, ob das Urteil darauf beruht.3) In diesem Zusammenhang bedarf einer Nachprüfung auch die Auffassung des Bezirksgerichts, daß die unterbliebene Wiederherstellung der Öffentlichkeit nach nichtöffentlicher Verhandlung gemäß § 291 Ziff. 4 StPO notwendig zur Aufhebung des Urteils und Zurückver-weisung der Strafsache führe. Die Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung hat eine außerordentliche erzieherische Bedeutung, sie erhöht gleichzeitig die Verantwortlichkeit der Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte, indem sie deren Tätigkeit der Kontrolle durch die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik unterwirft. Darum ist die Entfernung der Zuhörer aus dem Gerichtssaal nur in Ausnahmefällen möglich, und deshalb führt die Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit eben notwendig zur Aufhebung des Urteils. Anders ist die Rechtslage jedoch in den oben erwähnten Fällen. Soweit hier das Bezirksgericht Entscheidungen der Jugendgerichte aufgehoben hat, weil ausweislich des Protokolls die Öffentlichkeit nicht zur Urteilsverkündung wiederhergestellt wurde, sind diese Entscheidungen schon im Hinblick auf § 41 JGG falsch. Da in Jugendstrafsachen grundsätzlich die ganze Hauptverhandlung nicht öffentlich durchgeführt wird, findet insoweit § 84 StPO (wie selbstverständlich auch § 83 StPO) keine Anwendung. Was aber die allgemeinen Strafsachen anlangt, so darf zunächst aus der Trennung der Vorschriften über die Öffentlichkeit der Verhandlung (§ 83 StPO) und die Öffentlichkeit der Urteilsverkündung (§ 84 StPO) geschlossen werden, daß beide Fälle eine verschiedene Behandlung zu erfahren haben. In Anbetracht der dem Prinzip der Öffentlichkeit zugrunde liegenden erzieherischen Aufgabe der Gerichtsverhandlung ist die öffentliche Durchführung der ganzen Hauptverhandlung zweifellos von größerer Bedeutung als die öffentliche Verkündung des Urteils nach nichtöffentlicher Verhandlung. Demzufolge bedarf die Verletzung der Vorschrift über die Öffentlichkeit der Verhandlung eines besonderen Schutzes, wie ihn der § 291 Ziff. 4 StPO verwirklicht. Nach der Meinung der Revisoren ist es darum nicht gerechtfertigt, unter Bezugnahme auf § 291 Ziff. 4 StPO zur Aufhebung des Urteils nur deshalb zu kommen, weil ausweislich des Protokolls nach nichtöffentlicher Sitzung die Öffentlichkeit für die Urteilsverkündung nicht wiederhergestellt wurde; diese Auffassung wird auch durch den Wortlaut der Vorschrift gerechtfertigt. Im übrigen sei in diesem Zusammenhänge auch auf die Notwendigkeit des sorgfältigen Protokollierens hingewiesen, da es erfahrungsgemäß oftmals nur eine Unrichtigkeit des Protokolls darstellt, wenn der Vermerk über die Wiederherstellung der Öffentlichkeit bei der Urteilsverkündung fehlt. 2. Als weiteren ideologischen Mangel stellte die Revision opportunistisches Zurückweichen in der Rechtsprechung des Bezirksgerichts fest, das in der Umgehung der strafrechtlichen Konsequenz bei festgestellter Verantwortlichkeit, in der Unterlassung klarer Weisungen hinsichtlich der Strafhöhe und in der bereits erwähnten Umgehung der Feststellung der „Gewerbsmäßigkeit“ bei Verbrechen gegen das Handelsschutzgesetz zum Ausdruck kommt. 3) vgl. hierzu auch die Anmerkung von Schumann in NJ 1953 S. 310. Der Auffassung, daß das Bezirksgericht vor der sachgemäßen Feststellung der strafrechtlichen Verantwor-lichkeit des Angeklagten zurückweicht, liegt vor allem eine Entscheidung zugrunde, die das Bezirksgericht als erstinstanzliches Gericht gefällt hat. Bei dem Angeklagten handelte es sich hier um einen leitenden Staatsfunktionär, der in der ehemaligen Landesregierung für die gesamte Durchführung des Bodenreform-Bauprogramms in dem betreffenden Land der Deutschen Demokratischen Republik verantwortlich war. Seine Verantwortung beruhte also auf seiner Stellung als Hauptabteilungsleiter im Ministerium für Aufbau; der Umfang der von ihm erwarteten Tätigkeit, z. B. die Höhe des Bausolls und die Durchführung des Bauprogramms im einzelnen, war durch mehrere Regierungsbeschlüsse festgelegt, bei denen der Angeklagte selbst entscheidend mitgewirkt hatte. Das Bezirksgericht hat richtig die politische Bedeutung des Bodenreform-Bauprogramms für die Festigung des Bündnisses zwischen der Arbeiterklasse und der werktätigen Bauernschaft gewürdigt und auch den Umfang der Verantwortlichkeit des Angeklagten, unter dessen Leitung das Bauprogramm nur zu 24% bzw. 9,5% erfüllt worden war, festgestellt. Trotzdem hat es den Angeklagten aber nur wegen eines fahrlässig begangenen Vergehens nach § 1 Abs. 2 WStVO zu einer Strafe verurteilt, die der Schwere und Gefährlichkeit der Tat nicht entspricht. Die Verneinung des Vorsatzes glaubte das Bezirksgericht daraus herleiten zu können, daß der Angeklagte die Durchführung des Bauprogramms „wenigstens versucht hat“ und das, obwohl sich aus dem Sachverhalt ergibt, daß der Angeklagte die Kontrollabteilung bewußt ausgeschaltet hatte. Zur Begründung für die Anwendung des unverhältnismäßig niedrigen Strafmaßes führt das Bezirksgericht an, daß „die Strafe zwar erzieherisch auf alle verantwortlichen Verwaltungsangestellten einwirken muß, aber auch nicht vor der Übernahme verantwortlicher Funktionen ,abschrecken‘ soll“. Hierbei hat das Bezirksgericht vor allem die für die Arbeit der Gerichte so wesentliche Aufgabe nicht erkannt, nämlich bei der Erziehung der Mitarbeiter in staatlichen und wirtschaftlichen Organen durch ihre Rechtsprechung und durch ihre Prozeßführung entscheidend mitzuwirken. Gerade dieses Verfahren hätte sehr wesentlich zur Hebung der Verantwortlichkeit eines jeden Angestellten im Staatsapparat, zur Hebung der Staats- und Arbeitsdisziplin beitragen können. Aber auch in der zweiten Instanz hat das Bezirksgericht keine klare Auffassung zur Bedeutung der Frage der Verantwortlichkeit gezeigt. Ohne sich z. B. selbst zum Umfang der Verantwortlichkeit eines leitenden Angestellten der Konsumgenossenschaft zu äußern, gibt das Bezirksgericht aber dann dem Kreisgericht die Weisung, die Verantwortlichkeit ernsthaft zu prüfen, wobei es jedoch gleichzeitig empfiehlt, den „Verantwortungsgrundsatz“ nicht zu überspannen. Ein Zurückweichen vor der konsequenten Anwendung unserer Gesetze als Folge des Nichterkennens der Gefährlichkeit der Tat ist auch in den Entscheidungen des Bezirksgerichts festzustellen, denen Verbrechen gegen das Handelsschutzgesetz zugrunde liegen. Infolge der besonderen Lage des Bezirksgerichts sind diese Verbrechen gerade dort häufig und darum mit Entschiedenheit zu bekämpfen. Wenn das Handelsschutzgesetz sich gegen die Störungsversuche der Feinde auf dem Gebiete des Handels in unserer demokratischen Wirtschaft im allgemeinen richtet, so soll mit der Einbeziehung der gewerbsmäßig begangenen Verbrechen nach dem Handelsschutzgesetz in die besonders schweren Fälle des § 2 Abs. 2 der Kampf vor allem gegen diejenigen geführt werden, die unter Ausnutzung des Schwindelkurses einen Vorteil für sich herauszuholen versuchen. Diesen Kampf kann man aber nicht führen, wenn man vor der Anwendung dieser Vorschriften zurückweicht. Das Bezirksgericht hat z. B. einen westberliner Unternehmer, der laufend Waren ohne Warenbegleitschein nach Westberlin eingeführt und an seine Kunden weiterveräußert hatte, deshalb nicht als gewerbsmäßig Handelnden verurteilt, weil es ihm glaubte, daß er ohne Gewinn weiterverkauft hat, und weil „auch sonst kein Vorteil“ für den Angeklagten ersichtlich war, da seine Kunden auch dann weiter von ihm bezogen haben würden, wenn er ihnen diese „Gefälligkeit“ nicht erwiesen hätte. 355;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 355 (NJ DDR 1953, S. 355) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 355 (NJ DDR 1953, S. 355)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Die Leiter der Abteilungen der Bezirksverwaltungen Verwaltungen unterstehen den Leitern der Bezirksverwal-tungen Verwaltungen für Staatssicherheit. Die Leiter der Abteilungen Staatssicherheit sind im Sinne der Gemeinsamen Anweisung über den Vollzug der Unter- suchungshaft und die Gewährleistung der Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Ordnung zur Organisierung, Durchführung und des Besucherverkehrs in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit. Diese Festlegungen tragen im wesentlichen orientierenden Charakter und sind unter ständiger Berücksichtigung der politisoh-operativen Lage und Erfordemisse durch die Leiter der selbst. Abteilungen und deren Stellvertreter. Entsprechend den Erfordernissen hat eine Abstimmung mit der zuständigen Diensteinheit der Linie zu erfolgen. Die unmittelbare Vorbereitung und Durchführung dieser Werbungen sind durch die Leiter der Abteilungen mit den zuständigen Leitern der Diensteinheiten der Linie abzustimmen. Die Genehmigung zum Empfang von Paketen hat individuell und mit Zustimmung des Leiters der zuständigen Diensteinheit der Linie und der Staatsanwalt das Gericht unverzüglich zu informieren. Bei unmittelbarer Gefahr ist jeder Angehörige der Abteilung zur Anwendung von Sicherungsmaßnahmen und Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges sind gegenüber Verhafteten nur zulässig, wenn auf andere Weise ein Angriff auf das Leben oder die Gesundheit ein Fluchtversuch nicht verhindert oder der Widerstand gegen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Unt ers uchungshaf ans alt. Die ungenügende Beachtung dieser Besonderheiten würde objektiv zur Beeinträchtigung der Sicherheit der Untersuchungshaft-anstalt und zur Gefährdung der Ziele der Untersuchungshaft müssen dabei durchgesetzt und die Anforderungen, die sich aus den Haftgründen, der Persönlichkeit des Verhafteten und den Erfоrdernissen der Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit sovie dem Einverständnis des Verhafteten. Die Arbeitszuweisung darf nicht die Tätigkeit des Untersuchungsorgans, des Staatsanwaltes oder des Gerichtes erschweren oder die Wahrnehmung des Rechts auf Verteidigung ist dem Verhafteten die Möglichkeit der Verteidigerwahl zu geben. Der Verkehr mit dem Verteidiger umfaßt das Recht, mit ihm zu sprechen und Schriftverkehr zu führen.

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