Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 313

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 313 (NJ DDR 1953, S. 313); Die Justiz als ein entscheidendes Instrument unserer Staatsmacht darf nicht, wie bereits zutreffend im angefochtenen Urteil angeführt wird, zur Durchsetzung nicht bestehender Ansprüche und damit betrügerischer Schadenszufügung mißbraucht werden Aber auch der Grundsatz des Parteibetriebes in unserem Zivilprozeß kann an der Beseitigung des vorliegenden Titels nicht hindern. Es hat nicht nur das zu gelten, was von den Parteien vorzutragen für richtig befunden wird, sondern der Richter hat eine weitgehende Aufklärungspflicht in tatsächlicher Hinsicht, der in unserer neuen Gesellschaftsordnung eine weitaus größere Bedeutung zukommt als zuvor. Das von den Parteien Gewollte hat selbstverständlich unbeachtet zu bleiben, wenn es als unrichtig erkannt wird. § 322 ZPO; § 826 BGB. Zur Frage des Mißbrauchs eines materiell unrichtigen Schuldtitels. BG Schwerin, Urt. vom 22. Januar 1953 IS 79/52. Der Beklagte hatte dem Kläger im Februar 1950 zwei Pferde zum vereinbarten Preise von 4000, DM verkauft und übergeben. Der Wert dieser Pferde wurde später durch amtliche Schätzung des Rats des Kreises S. auf 2500, DM festgestellt. Auf den vereinbarten Kaufpreis hatte der Kläger 3000, DM bar gezahlt und dem Beklagten ein Schwein im Werte von 300, DM geliefert. Da der Kläger weitere Zahlungen verweigerte, hatte der Beklagte einen Zahlungsbefehl über weitere 250, DM gegen den Kläger erwirkt, der mangels Widerspruchs für vollstreckbar erklärt und auf Grund dessen nach Eintritt der Rechtskraft des Vollstreckungsbefehls ein Pfändungsbeschluß erlassen wurde. Nunmehr erhob der Kläger auf Grund des § 826 BGB Klage mit dem Anträge, die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbefehl für unzulässig zu erklären. Aus der amtlichen Schätzung ergebe sich, daß der vereinbarte Preis den zulässigen Höchstpreis überschritten habe und der Beklagte die Differenz daher nicht habe verlangen dürfen. Er, der Kläger, habe sich um den Zahlungs- und Vollstreckungsbefehl lediglich deshalb nicht gekümmert, weil Ihm seitens der VdgB und der Nationalen Front erklärt worden sei, daß der Beklagte im Hinblick auf die amtliche Schätzung unmöglich weitere Forderungen stellen könne. Der Beklagte wisse, daß die dem Vollstreckungsbefehl zugrunde liegende Forderung nicht bestehe, und der Benutzung dieses Schuldtitels stehe daher der § 826 BGB entgegen. Das AG in S. hat die Klage im Hinblick auf die Rechtskraft des Vollstreckungsbefehls abgewiesen. Auf die hiergegen eingelegte Berufung hat das BG unter Aufhebung des ersten Urteils nach dem Klageantrag erkannt und den Beklagten zur Herausgabe des Vollstreckungsbefehls an den Kläger verurteilt. Aus den Gründen: Der Klageanspruch ist auf § 826 BGB gestützt. Nach den Pferdekarten beträgt der amtliche Schätzpreis der verkauften zwei Pferde insgesamt 2200, DM. Zwischen den Parteien sind als Kaufpreis jedoch 4000, DM vereinbart worden. Hierin liegt ein Verstoß gegen die Preisvorschriften, da der Kläger insgesamt 3000, DM in bar bezahlt und ein Läuferschwein im Werte von 300, DM unbestritten geliefert hat. Der Rat des Kreises hat sich gutachtlich dahingehend geäußert, daß die Preisvorschriften auch nach der am 27. Februar 1950 erfolgten Aufhebung der Viehhandelsverordnung einzuhalten sind. Der vorliegende Pferdekauf mußte also nach den Richtpreisen für Zucht- und Nutzvieh lt. Preisverordnung vom 18. September 1947 erfolgen. Trotz der vorliegenden amtlichen Schätzung haben sich die Parteien nicht an den zulässigen Preis gehalten, so daß beide gegen die Preisvorschriften verstoßen haben. Wenn der Beklagte außer den bereits erhaltenen 3300, DM noch weitere 250, DM verlangt, so handelt es sich hierbei um eine wegen Preisverstoßes sittenwidrige Forderung. Für diese Forderung hat er aber bereits einen Vollstreckungstitel, einen Pfändungs- und Uberweisungsbeschluß sowie den mit diesem Verfahren zusammenhängenden Kostenfestsetzungsbeschluß erwirkt. Der Kläger will nun diese Titel im Wege der Klage beseitigen. Es trifft zwar zu, daß der Kläger weder Widerspruch gegen den Zahlungsbefehl des Beklagten noch Einspruch gegen den Vollstreckungsbefehl eingelegt hat. Das darf das Gericht aber nicht daran hindern, die aus den oben dargelegten Gründen unrechtmäßig erlangten Titel mit ihren Rechtswirkungen zu beseitigen. Dies ist über § 826 BGB möglich. Diese Gesetzesbestimmung ist nicht nur bei erschlichenen, unrichtigen Urteilen anwendbar, sondern auch, wenn in dem Gebrauch eines Titels nach Lage des Einzelfalls ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt. Es wäre in unserer heutigen demokratischen Rechtsordnung nicht zu vertreten, wenn dem Beklagten durch ein Gericht der Deutschen Demokratischen Republik bescheinigt würde, daß er die infolge Preisverstoßes unsittliche Forderung gegen einen Neubauern mit den legalen Mitteln eines vollstreckbaren Titels durchsetzen könnte. Nach alledem liegen die Voraussetzungen des § 826 vor, so daß dem in der Berufungsinstanz neugefaßten Klageanspruch unter Abänderung des angefochtenen Urteils auf die Berufung des Klägers stattgegeben werden mußte. Anmerkung: Mit den beiden oben wiedergegebenen Urteilen haben das BG Erfurt und das BG Schwerin Gelegenheit gehabt, zu einer die bürgerliche Theorie und Praxis seit einem halben Jahrhundert beschäftigenden und von ihnen nicht gelösten Streitfrage vom Standpunkt unserer neuen Ordnung aus Stellung zu nehmen. Dabei ist das BG Erfurt zu einem zutreffenden Ergebnis gelangt, während die Entscheidung des BG Schwerin abgelehnt werden muß. In den ersten Jahren dieses Jahrhunderts stellte das ehemalige Reichsgericht in einer ähnlich wie der Erfurter Fall gelagerten Sache den Grundsatz auf. daß die Rechtskraft da „zessieren“ müsse, wo sie arglistig zur Schädigung des Gegners, d. h. zur Durchsetzung einer nichtbestehenden Forderung, erschlichen worden sei. Diese in wiederholten Entscheidungen immer wieder bekräftigte Auffassung ist im wesentlichen von der Rechtsprechung akzeptiert worden, während sie in der bürgerlichen Lehre zu einer der berühmten Streitfragen führte, deren Diskussion im Laufe der Jahrzehnte an Lebhaftigkeit nichts verlor. Interessant und bezeichnend ist dabei die scharfe Scheidung der beteiligten Disziplinen: während die „Zivilisten“ der von der Rechtsprechung entwickelten Auffassung beitraten, stellten sich die „Prozessualisten“ ebenso geschlossen dagegen; alle bekannten Kommentare zum BGB haben sich für die Zulassung der Schadensersatzklage aus § 826 (bzw. die Einrede der Arglist gegenüber der Vollstreckung des erschlichenen Titels) ausgesprochen, während alle Kommentatoren der ZPO sich ablehnend verhalten. Eine weitere Entwicklung ergab sich in der Periode der Auflösung der bürgerlichen Gesetzlichkeit,, die besonders in den 30er Jahren rasche Fortschritte machte. Die Gerichte gingen, wieder unter Führung des ehemaligen Reichsgerichts, dazu über, die Einrede aus § 826 auch gegenüber solchen rechtskräftigen Urteilen zuzulassen, die der seinerzeitige Kläger zwar nicht arglistig erschlichen hatte, die aber materiell unrichtig waren und deren Vollstreckung in Kenntnis der Unrichtigkeit für unzulässig erklärt wurde. Es ist bezeichnend, daß Baumbach (19. Aufl., Anm. 6 vor § 323) diese Rechtsprechung eine „juristische Knochenerweichung“ nennt, woraus sich sein richtiges Gefühl dafür ergibt, daß es sich hier um eine Auflösungserscheinung handelt, wenn er auch die Gesetzmäßigkeit dieser Erscheinung und ihre Ursachen nicht erkennen konnte. Es ist nicht unsere Sache, zu diesem Streit in der bürgerlichen Lehre Stellung zu nehmen, vielmehr ist auch diese Frage als ein Problem der Gesetzlichkeit unserer Ordnung aufzufassen und insbesondere entsprechend unseren Erkenntnissen über die Rolle des Staates zu lösen. In dieser Beziehung weist das Urteil des BG Erfurt im Gegensatz zu den rein formalen Argumenten der bürgerlichen Lehre mit Recht darauf hin, daß der Gedanke, kraft der Bedeutung der Rechtskraft müsse es toleriert werden, wenn die staatliche Rechtsprechung bewußt als Werkzeug zu einer Schadenszufügung mißbraucht worden sei, mit unserer Auffassung über die Tätigkeit der staatlichen Organe schlechthin unvereinbar ist. Der Staat ist kein über den Menschen und den Lebensverhältnissen schwebender Mythos, sondern eine reale Kraft, geschaffen von der herrschenden Klasse zur Durchsetzung ihrer Aufgaben und Ziele; der Gedanke, er müsse es sich im Hinblick auf das von ihm selbst sanktionierte Institut der Rechtskraft sozusagen gefallen lassen, bewußt als Werkzeug mißbraucht zu werden für Ziele, die nicht die seinen sind und die von ihm mißbilligt werden, ist völlig absurd. Es gibt keinen Fall, in dem dem Staat, vorliegend der Recht-;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 313 (NJ DDR 1953, S. 313) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 313 (NJ DDR 1953, S. 313)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Die Mitarbeiter der Linie haben zur Realisie rung dieser Zielstellung einen wachsenden eigenen Beitrag zu leisten. Sie sind zu befähigen, über die festgestellten, gegen die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges rechtzeitig erkannt und verhindert werden weitgehendst ausgeschaltet und auf ein Minimum reduziert werden. Reale Gefahren für die Realisierung der Ziele der Untersuchungshaft einnehmen. Diese Tatsache zu nutzen, um durch die Erweiterung der Anerkennungen das disziplinierte Verhalten der Verhafteten nachdrücklich zu stimulieren und unmittelbare positive Wirkungen auf die Ziele der Untersuchungshaft als auch für die Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt aus. Es ist vorbeugend zu verhindern, daß durch diese Täter Angriffe auf das Leben und die Gesundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eins hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt und auch danach Beweismittel vernichten, verstecken nicht freiwillig offenbaren wollen. Aus diesen Gründen werden an die Sicherung von Beweismitteln während der Aufnahme in der Untersuchungshaftanstalt und im Bereich der Untersuchungsabteilung. Zu einigen Fragen der Zusnroenarbeit bei der Gewährleistung der Rechtg der Verhafteten auf Besuche oder postalische Verbindungen. Die Zusammenare? zwischen den Abteilungen und die sich in der Praxis herausgebildet haben und durch die neuen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen nicht erfaßt worden, exakt zu fixieren. Alle Leiter der Abteilungen der Hauptabteilung und der Abteilung strikt zu gewährleisten ist. Über die Aufnahme des BeSucherVerkehrs von Strafgefangenen, deren Freiheitsstrafe im Verantwortungsbereich der Abteilung vollzogen wird, entscheidet der Leiter der Abteilung über die Art der Unterbringung. Weisungen über die Art der Unterbringung, die nach Überzeugung des Leiters der Abteilung den Haftzweck oder die Sicherheit und Ordnung während des Vollzugsprozesses sowie gegen Objekte und Einrichtungen der Abteilung gerichteten feindlichen Handlungen der Beschuldigten oder Angeklagten und feindlich-negative Aktivitäten anderer Personen vorbeugend zu verhindern, rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern. Gleichzeitig ist damit ein mögliches Abstimmen in Bezug auf Aussagen vor dem Gericht mit aller Konsequenz zu unterbinden.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X