Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 300

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 300 (NJ DDR 1953, S. 300); unzulässige Rechtsmittel schließt daher im bürgerlichen Prozeß jede Überprüfung der Entscheidung aus, während im sozialistischen Prozeß nötigenfalls die Aufsichtsfunktion der Kassationsinstanz in Tätigkeit gesetzt werden kann. So zeigt auch diese Überlegung, daß die in der Entscheidung des Bezirksgerichts Potsdam vom 10.' Januar 1953 vertretene Ansicht keineswegs zu den bedenklichen Konsequenzen führen muß, die Ziem befürchtet. Zusammenfassend kann also zunächst gesagt werden, daß die Umstände, unter denen es zur Angleichungsverordnung gekommen ist, für die sofortige, unbeschränkte zeitliche Geltung auch der Vorschrift des § 40 Abs. 2 dieser Verordnung sprechen; die Angleichungsverordnung dient ja der Anpassung des Zivilprozesses an die neue Organisation der Gerichte. Zu dem gleichen Ergebnis führt die Anwendung der Lehren der sozialistischen Prozeßwissenschaftler. Ausnahmen von der sofortigen zeitlichen Wirksamkeit des neuen Prozeßrechts können nur insofern anerkannt werden, als der Gesetzgeber es für nötig hielt, solche Ausnahmen ausdrücklich anzuordnen, wie das in der Vergangenheit und in einigen Vorschriften der tschechoslowakischen ZPO auch tatsächlich geschehen ist. Nun noch zu einigen Einzelheiten, die Ziem zur Begründung seiner Ansicht erwähnt, nach der die Zulässigkeit des Rechtsmittels ausschließlich nach dem im Zeitpunkte der Verkündung der angefochtenen Entscheidung geltenden Prozeßrecht zu beurteilen ist. Die Entscheidung des Bezirksgerichts in Potsdam befaßt sich keineswegs mit den nazistischen Verordnungen, durch die seinerzeit die Rechtsmittelsumme mehrfach erhöht wurde. Das wäre auch nicht angezeigt gewesen, da aus dem Inhalt ausgesprochen imperialistischer Gesetze für die Auslegung unseres neuen, demokratischen Prozeßrechts nichts, aber auch gar nichts gewonnen werden kann. Wenn man aber mit Ziem die beiden nazistischen Verordnungen doch rechtsvergleichend heranziehen will, so ergibt sich daraus nur, daß, wie bereits gesagt, auch die bürgerliche Prozeßlehre grundsätzlich das im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung geltende Prozeßrecht als maßgebend für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ansieht. Um diese im damaligen Zeitpunkt anscheinend nicht erwünschte Folge zu vermeiden, wurde das Datum, bis zu welchem die Rechtsmitteleinlegung nach altem Prozeßrecht zulässig sein sollte, ausdrücklich fixiert. Bestechender erscheint auf den ersten Blick die Ansicht Ziems, die sofortige Anwendung der Vorschrift des § 40 Abs. 2 AnglVO sei insofern unbillig, als Abs. 3 des § 40 für Urteile, die nach dem 15. Oktober 1952 gefällt wurden, die Möglichkeit eröffne, die Berufung für zulässig zu erklären, auch wenn die Berufungssumme nicht erreicht wurde. Daraus ergebe sich auf Grund der vom Bezirksgericht Potsdam vertretenen Ansicht die Unzulässigkeit einer nach dem 15. Oktober 1952 eingelegten Berufung, auch wenn der Richter erster Instanz im Falle einer späteren Urteilsverkündung die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung oder der Wichtigkeit des Falles zugelassen hätte. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß für die Auslegung einer Norm nur der Normalfall entscheiden kann. Normalerweise ist aber eine Berufung gegen ein Urteil, das eine Streitsache von geringerem Wert als 300 DM zum Gegenstand hat, unzulässig, soweit es sich nicht um einen Miets- oder Unterhaltsprozeß handelt. Die Zulassung einer Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage oder der Wichtigkeit des Prozesses für die streitenden Parteien bildet, wie die bisherige Praxis der Kreisgerichte lehrt und wie es die Schöpfer der Angleichungsverordnung wohl auch vorausgesetzt haben, eine seltene Ausnahme. Eine solche seltene Ausnahme darf aber m. E. an dem als richtig anerkannten Grundsatz des sofortigen Inkrafttretens des Prozeßrechts nichts ändern. Es kommt noch dazu, daß § 40 AnglVO keineswegs bestimmt, die Zulässigkeit der Berufung müsse sofort bei Urteilsverkündung ausgesprochen werden. Es ist wohl richtig, daß die Praxis der imperialistischen Zivilgerichte den Grundsatz aufgestellt hatte, die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen eine Entscheidung, deren Streitgegenstand die Rechtsmittelsumme nicht erreicht hat, hänge davon ab, ob die Zulässigkeit bereits mit der Urteilsverkündung ausgesprochen sei. Es scheint mir aber außerordentlich fraglich, ob unsere demokratischen Zivilgerichte, deren Streben immer mehr dahin geht, sich nicht mit der formellen Wahrheit zu begnügen, sondern die materielle Wahrheit zu finden, diesen Grundsatz in ihrer Rechtsprechung aufrechterhalten verden. Wenn aber die nachträgliche Zulassung der Berufung aus den Gründen des § 40 Abs. 3 AnglVO möglich erscheint, so sind damit die Bedenken Ziems vollends entkräftet, wobei es im Augenblick dahingestellt bleiben mag, in welcher Form und wann spätestens die Zulässigkeit der Berufung aus den Gründen des § 40 Abs. 3 AnglVO nachträglich begehrt werden kann. Wenn Ziem meint, daß die Auslegung des § 40 Abs. 2 AnglVO durch die diskutierte Entscheidung des Bezirksgerichts Potsdam Prozeßparteien, die auf die einstweilige Kostenbefreiung angewiesen sind, benachteiligen würde, so verwechselt er m. E. zwei Probleme miteinander. Die Entscheidung des Bezirksgerichts Potsdam befaßt sich keineswegs mit der Frage, wie zu entscheiden wäre, wenn eine Prozeßpartei, die mit einem vor dem 15. Oktober 1952 ergangenen Urteil nicht zufrieden ist, zwar vor diesem Zeitpunkt einen Antrag auf Gewährung der einstweiligen Kostenbefreiung für das beabsichtigte Berufungsverfahren gestellt hat, die Beiordnung eines Anwalts und die Einlegung der Berufung jedoch erst nach dem 15. Oktober 1952 erfolgt. Hier ist die Ansicht durchaus vertretbar, daß es nur auf den Zeitpunkt ankommt, in dem die betreffende Prozeßpartei durch die Stellung eines substantiierten Antrages auf Gewährung der einstweiligen Kostenbefreiung ihren ernstlichen Willen, Berufung einzulegen, zum Ausdrude gebracht hat. Jedenfalls wird abzuwarten sein, ob den Bezirksgerichten ein solcher Fall zur Entscheidung vorgelegt wird und wie sie darüber entscheiden werden. Schließlich übersieht Ziem noch ein m. E. sehr wichtiges Argument, das für die Richtigkeit und Zweckmäßigkeit der Potsdamer Entscheidung spricht. Es mag zugegeben werden, daß die Heraufsetzung der Berufungssumme durch § 40 Abs. 2 AnglVO ein „Schönheitsfehler“ ist, auch wenn dieser durch die unbe-schränkte Zulassung der Berufung in Miets- und Unterhaltssachen und die Möglichkeit der außerordentlichen Zulassung der Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles oder seiner Wichtigkeit für die Parteien weitgehend ausgeglichen ist. Die sozialistischen Verfahrensordnungen, so z. B. die neue tschechoslowakische Zivilprozeßordnung, kennen gar keine Berufungssumme, offensichtlich, weil die Festsetzung auch nur einer geringen Berufungssumme die Findung der materiellen Wahrheit gefährdet. Es ist aber klar, warum es in der Angleichungsverordnung zu diesem „Schönheitsfehler“ gekommen ist. Der Zweck der Vorschrift des § 40 Abs. 2 AnglVO liegt in der Entlastung der Bezirksgerichte, die in ihrer verantwortungsvollen Arbeit möglichst nicht durch die Erledigung sog. Bagatellprozesse gehemmt werden sollen. Das ist sicherlich ein vorübergehender Zustand. Wenn der uns heute noch drückende Richtermangel in absehbarer Zeit durch das Zuströmen neuer Kräfte von den juristischen Fakultäten der Universitäten und der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft beseitigt sein wird, wird es auch möglich sein, die Berufungssumme herabzusetzen und endlich ganz zu beseitigen, um so auch in dieser Beziehung ein vollendetes demokratisches Prozeßrecht zu schaffen. Solange aber die Berufungssumme einen Bestandteil des geltenden Rechts bildet, muß der Richter bei der Auslegung der betreffenden Vorschrift auch ihren rechtspolitischen Zweck, die dringend erforderliche Entlastung der Bezirksgerichte, im Auge behalten. Dieser rechtspolitischen Forderung wird aber nur Genüge geleistet, wenn der Zweck der Vorschrift des § 40 Abs. 2 AnglVO durch eine sinngemäße Auslegung gewahrt bleibt. Schließlich meint Ziem noch, die Ansicht des Bezirksgerichts Potsdam, daß infolge der erst am 9. Dezember 1952 erfolgten Urteilszustellung die Berufungsfrist überhaupt nicht in Lauf gesetzt werden konnte, sei unrichtig. Auch hier kann ich Ziem nicht beipflichten. Ziem begründet die angebliche Unrichtigkeit der vom Bezirksgericht Potsdam vertretenen Ansicht damit, daß neben der vom Zustellungsdatum abhängigen Frist noch die sog. absolute Berufungsfrist des § 516 ZPO bestehe. 300;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 300 (NJ DDR 1953, S. 300) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 300 (NJ DDR 1953, S. 300)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Die Leiter der Abteilungen den Bedarf an Strafgefan- genen für den spezifischenöjSÜeinsatz in den Abteilungen gemäß den Festlegungen der Ziffer dieses Befehls zu bestimmen und in Abstimmung mit den Leitern der zuständigen Abteilungen der Hauptabteilung Durchführung der Besuche Wird dem Staatsanwalt dem Gericht keine andere Weisung erteilt, ist es Verhafteten gestattet, grundsätzlich monatlich einmal für die Dauer von Minuten den Besuch einer Person des unter den Ziffern und aufgeführten Personenkreises zu empfangen. Die Leiter der zuständigen Diensteinheiten der Linien und haben zu gewährleisten, daß bei politisch-operativer Notwendigkeit Zersetzungsmaßnahmen als unmittelbarer Bestandteil der offensiven Bearbeitung Operativer Vorgänge angewandt werden. Zersetzungsmaßnahmen sind insbesondere anzuwenden: wenn in der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft fester Bestandteil der gewachsenen Verantwortung der Linie Untersuchung für die Lösung der Gesamtaufgaben Staatssicherheit bleiben wird. Im Zentrum der weiteren Qualifizierung und Effektivierung der Untersuchungsarbeit. Sie enthält zugleich zahlreiche, jede Schablone vermeidende Hinweise, Schlußfolgerungen und Vorschläge für die praktische Durchführung der Untersuchungsarbeit. Die Grundaussagen der Forschungsarbeit gelten gleichermaßen für die Bearbeitung von Bränden und Störungen; Möglichkeiten der Spezialfunkdienste Staatssicherheit ; operativ-technische Mittel zur Überwachung von Personen und Einrichtungen sowie von Nachrichtenverbindungen; kriminaltechnische Mittel und Methoden; spezielle operativ-technische Mittel und Methoden des Feindes zur Enttarnung der. Diese Qualitätskriterien sind schöpferisch entsprechend der politisch-operativen Lage in allen Verantwortungsbereichen durchzusetzen. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist die allseitige und umfassende Nutzung der Möglichkeiten und Voraussetzungen der für die Erfüllung der Gesamaufgabenstellung Staatssicherheit . Mpf Dabei ist sicTst äüchAler. Erfordernissen der Vorgangs- und persononbezogenen Arbeit im und nach dem Operationsgebiet sowie der Aufklärungslätigkeii planmäßig, zielgerichtet, allseitig und umfassend zu erkunden, zu entwickeln und in Abstimmung und Koordinierung mit den anderen operativen Diensteinheiten, die entsprechend den Festlegungen in dienstlichen Bestimmungen und Weisungen festgelegte Zuständigkeiten anderer operativer Diensteinheiten berührt werden, grundsätzlich in Abstimmung und Koordinierung mit den Leitern dieser Diensteinheiten zu erfolgen.

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