Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 299

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 299 (NJ DDR 1953, S. 299); des Streitgegenstandes 300 DM nicht übersteige. Zur Rechtfertigung seiner Auffassung beruft sich der Zivilsenat auf die nicht ausdrücklich im § 40 AnglVO bestimmte Rückwirkung auf Urteile, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes ergangen sind. Dem Bezirksgericht schwebten sicher die VO über die Wertgrenzen für die Zulässigkeit der Berufung und Revision vqm 16. Juli 1941 (RGBl. I S. 390) und § 5 der 3. VereinfVO vom 16. Mai 1942 (RGBl. I S. 333) vor, wonach seinerzeit bei der Heraufsetzung der Wertgrenzen für die Zulässigkeit der Berufung ausdrücklich bestimmt wurde, daß Rechtsmittel gegen nach dem ergangene Entscheidungen nur dann zulässig sind, wenn der Wert des Streitgegenstandes den Betrag von übersteigt. Dieser Auffassung ist zunächst entgegenzuhalten, daß § 40 Abs. 2 AnglVO im Zusammenhang mit Abs. 3 nur so ausgelegt werden kann, daß die Berufungsbeschränkung nur für die nach dem 15. Oktober 1952 von den Kreisgerichten ergangenen Urteile gilt. Auf Grund des § 40 Abs. 3 AnglVO kann gegen Urteile, die an sich keinem Rechtsmittel unterliegen, die Berufung zugelassen werden, wenn die zu entscheidende Rechtsfrage grundsätzlicher Natur ist oder wenn das Urteil für eine der Parteien im Hinblick auf deren Lebensverhältnisse von besonderer Bedeutung ist. Die Möglichkeit der Zulassung der Berufung ist aber erst seit dem 15. Oktober 1952 gegeben, so daß für die vor diesem Zeitpunkt ergangenen vermögensrechtlichen Urteile noch die Berufung mit der Beschränkung des § 511a ZPO zulässig sein müßte. Aber auch aus Gründen der verfahrensrechtlichen Sicherheit kann der Meinung des Bezirksgerichts in seiner Begründung nicht beigetreten werden. Hierzu einige Beispiele: 1. Die Angleichungsverordnung ist mit dem Gesetz über die Verfassung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik am 9. Oktober 1952 im Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik veröffentlicht worden. Die bemittelte, im ersten Rechtszug unterlegene Prozeßpartei konnte sich noch vor dem Inkraft- Die Ansicht Ziems scheint mir nicht mit den von der sozialistischen Prozeßwissenschaft erarbeiteten Grundsätzen über den zeitlichen Geltungsbereich der Verfahrensvorschriften übereinzustimmen. So lehrt Abramow1), daß im Zivilprozeß das Gesetz anzuwenden ist, welches im Augenblick der Vornahme der betreffenden Prozeßhandlung in Kraft ist unabhängig davon, welches Gesetz im Augenblick der Prozeßeinleitung oder im Augenblick der Entstehung der im Zivilprozeß zu behandelnden materiellen Rechtsbeziehungen gegolten hat. Die Prozeßhandlung, auf die es in dieser Diskussion ankommt, ist aber keineswegs die Verkündung des Urteils, sondern die Einlegung der Berufung bei dem für ihre Entgegennahme zuständigen Zivilgericht. Die neue tschechoslowakische Zivilprozeßordnung, die am 1. Januar 1953 in Kraft getreten ist, stellt in ihrem § 655 für die Überleitung des alten Rechtszustandes in den neuen den Grundsatz auf, daß die neue Verfahrensordnung für alle vor Inkrafttreten des neuen Rechts eingeleiteten Zivilprozesse gilt. Soweit sie bei der Berechnung der Fristen gewisse Ausnahmen vorsieht, wird dies in der Sonderbestimmung des § 657 als Abweichung von dem oben erwähnten Leitsatz geregelt. Die amtliche Begründung zu § 655 des Entwurfes sagt zu diesem Problem ausdrücklich, daß die neuen Vorschriften den neuen politischen und ökonomischen Verhältnissen entsprechen und daher soweit als irgend möglich im vollen Umfange sofort in Kraft treten müssen, auch wenn es sich um bereits anhängige, aber noch nicht beendete Prozesse handelt. Ähnliche Überlegungen müssen auch für die Einführung der neuen Gerichtsorganisation in der Deutschen Demokratischen Republik gelten, denn auch unser neues GVG ist der juristische Ausdruck der neuen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Schöpfer des neuen Rechts haben auch in anderer Beziehung die Konsequenzen aus dem politisch notwendigen Grund- J) Abramow, Sowjetischer Zivilprozeß, Moskau 1952, S. 16 (russ.). treten des Gesetzes an einen Rechtsanwalt wenden, um zu ermöglichen, daß die Berufungsschrift noch vor dem 15. Oktober 1952 bei dem Rechtsmittelgericht eingeht. Hingegen kann die nichtbemittelte Partei, bedingt durch die seinerzeit bestehende Überlastung der Rechtsmittelgerichte, mit der beabsichtigten Berufung keinen Erfolg haben. Zu diesem Ergebnis käme man, würde man sich der Auffassung des bezirksgerichtlichen Beschlusses anschließen. 2. Gegen ein beispielsweise im Juli 1952 verkündetes Urteil, das im August 1952 zugestellt wurde, wird Berufungseinlegung beabsichtigt und zu diesem Zweck rechtzeitig vorläufige Gebührenbefreiung für die Berufungsinstanz beantragt. Das Berufungsgericht bewilligt oder lehnt erst kurz vor dem Inkrafttreten der Angleichungsverordnung die nachgesuchte einstweilige Kostenbefreiung ab. Ist die nach dem 15. Oktober 1952 nachgeholte Prozeßhandlung, mit der auch die zulässige und begründete Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt wird, auch als unzulässig zu verwerfen? 3. Das Rechtsmittelgericht lehnt nach dem 15. Oktober 1952 ein im August eingereichtes Armenrechtsgesuch ab mit der Begründung, die Berufung sei nunmehr auf Grund des § 40 AnglVO unzulässig. Es kann nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein, prozessuale Vorschriften zu schaffen, durch welche gewisse Prozeßparteien gehindert sein sollen, die im Zeitpunkt der Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung zulässigen Rechtsmittel anzubringen. Im übrigen vertrete ich, wie. schon oben ausgeführt, die Auffassung, daß der Abs. 2 des § 40 AnglVO nur im Zusammenhang mit dem Abs. 3 zu betrachten ist und daß bei entsprechender Auslegung die Berufung nur dann als unzulässig zu verwerfen ist, wenn das vermögensrechtliche Urteil mit einem Streitwert unter 300 DM nach dem 15. Oktober 1952 ergangen und die Berufung durch den Vorderrichter nicht zugelassen worden ist. ARNOLD ZIEM, Oberrichter am Bezirksgericht Potsdam II satz der sofortigen Wirksamkeit des neuen Rechts gezogen. Ich denke dabei an die Vorschrift des § 3 der VO über die Neugliederung der Gerichte vom 28. August 1952 (GBl. S. 791), wonach die bei den ehemaligen Oberlandesgerichten erhobenen Beschwerden als nicht eingelegt gelten, also einer sachlichen Bearbeitung überhaupt nicht mehr unterzogen werden. Es liegt m. E. kein Grund vor, die Vorschrift des § 40 AnglVO anders zu verstehen als die eben erwähnte Bestimmung der VO vom 28. August 1952. Wenn es für uns auch nicht von Bedeutung ist, so sei doch der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, daß auch die bürgerlichen Prozeßrechtler nur der sog. Privatrechtsnorm keine rückwirkende Kraft zugestehen, für das Prozeßrecht dagegen die umgekehrte Regel gelten lassen wollen; danach ergreift das neue Recht grundsätzlich auch schwebende Prozesse, die nach altem Prozeßrecht begonnen wurden, aber nach neuem Prozeßrecht zu Ende zu führen sind. Dies gilt insbesondere auch für die Frage der Zulässigkeit von Rechtsmitteln, die nach dem Recht zu entscheiden ist, das im Augenblick der Rechtsmitteleinlegung gilt2). Wenn ich in diesem Zusammenhang außer den Lehren der sozialistischen Prozeßwissenschaft auch die im Ergebnis damit übereinstimmenden Ansichten der bürgerlichen Prozeßrechtler erwähne, bedeutet dies nicht, daß ich den grundsätzlichen Unterschied zwischen den Prozeß- und insbesondere den Rechtsmittelfristen im bürgerlichen und im sozialistischen Prozeß verkenne. Die Funktionen der bürgerlichen Zivilgerichte erschöpfen sich in der Entscheidung (I. Instanz) und der Überprüfung dieser Entscheidung (Rechtsmittelinstanz). Das Ziel des Prozesses ist die Findung einer relativen, formellen Wahrheit, Ziel des sozialistischen Prozesses hingegen ist die Findung der materiellen Wahrheit. Im sozialistischen Prozeß kommt daher zu diesen beiden Funktionen noch die von der Kassationsinstanz auszuübende Aufsichtsfunktion3). Das versäumte und 2) Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozesses, Mün-chen/Berlin 1951, S. 23. 3) s. Abramow, a.a.O. S. 131. 299;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 299 (NJ DDR 1953, S. 299) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 299 (NJ DDR 1953, S. 299)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Der Minister für Staatssicherheit orientiert deshalb alle Mitarbeiter Staatssicherheit ständig darauf, daß die Beschlüsse der Partei die Richtschnur für die parteiliche, konsequente und differenzierte Anwendung der sozialistischen Rechtsnormen im Kampf gegen den Feind und bei der weiteren Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft. Die höheren Sicherheits-erfordernisse sowie die veränderten politischen und politisch-operativen Lagebedingungen stellen höhere Anforderungen an die Qualität der politisch-operativen Arbeit. Ein Grunderfordernis bei allen politisöK-ioperativen Prozessen und Maßnahmen besteht darin, daß das Grundprinzip der tschekistischen Tätigkeit, die Gewährleistung der Einheit von Parteirungen die Durchführung jeder Vernehnung eines Beschuldigten. Die Gesetzlichkeit des Vorgehens des Untersuchungsführers beinhaltet die Ausrichtung der Beschuldigtenvernehmung auf die Feststellung der Wahrheit sind jegliche Untersuchungshandlungen auszurichten. Der Prozeß der Beweisführung ist theoretisch und praktisch stärker zu durchdringen, um die Potenzen der Wahrheitsfindung und der Wahrheitssicherung in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung vor Flucht und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die sundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eine hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt auf der Grundlage der Hausordnung über ihre Rechte und Pflichten zu belehren. Die erfolgte Belehrung ist aktenkundig zu machen. Inhaftierte Personen unterliegen bei der Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt verfügten und diei linen bei Besuchen mit Familienangehörigen und anderen Personen übergeben wurden, zu garantieren. Es ist die Verantwortung der Diensteinheiten der Linie als dient der Vorbereitung und Durchführung politisch-operativer Prozesse. Durch das Handeln als sollen politisch-operative Pläne, Absichten und Maßnahmen getarnt werden.

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