Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 26

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 26 (NJ DDR 1953, S. 26); gründe ergibt, das Verhalten der Angeklagten rein formal in seiner äußeren Erscheinungsform betrachtet hat. Dementsprechend mußte auch die rechtliche Würdigung ausfallen. Eine richtige Würdigung des Verbrechens kann aber nur dann erfolgen, wenn das Verhalten der Angeklagten ir? seinem gesellschaftlichen und politischen Zusammenhang betrachtet wird. Schon der massive Angriff der Angeklagten auf die Zeugen H. hätte bei Berücksichtigung der angeblichen Motive, die in keinem Verhältnis zu den schweren Mißhandlungen stehen, zu Bedenken Anlaß geben müssen. Darüber hinaus hat das Bezirksgericht im besonderen die politische Seite, aus der heraus sich der Vorgang ereignete, und im allgemeinen den Umstand, daß gerade der Tanzsaal, das Wirtshaus, der Biertisch die geeignete Plattform für staatsfeindliche Betätigungen sind, nicht beachtet. Dabei ist zu berücksichtigen, daß in diesen Fällen die staatsfeindliche Betätigung nicht immer offen und eindeutig zum Ausdruck kommt. Vielmehr nimmt der Gegner, soweit er die Gelegenheit nicht provokatorisch herbeiführt, in der Regel die Meisten Anlässe wahr, um gegen fortschrittliche Funktionäre unseres Staates und der Parteien vorzugehen und sie unter dem Deckmantel der Trunkenheit, des Beleidigtseins, des Vergeltungstriebes u. ä. m. brutal niederzuschlagen, so wie es die Angeklagten getan haben. Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände wird das Bezirksgericht die in § 200 StPO gebotene Sachaufklärung vorzunehmen und das Verhalten jedes einzelnen Angeklagten umfassend zu berücksichtigen haben. Das Gericht wird dann aber auch Erwägungen über eine etwa erforderliche Anwendung des Art, 6 der Verfassung anstellen müssen. § 53 StGB. Eine Abwehrhandlung kann nur dann als geeignet und erforderlich angesehen werden, wenn sie zur Gefährlichkeit des Angriffs in einem entsprechenden Verhältnis steht. OG, Urt. vom 11. November 1952 3 Zst 20/52. Der Montageschlosser D. wurde am 18. Januar 1952 durch das Schöffengericht in T. von der Anklage, den Maurer K. mittels eines gefährlichen Werkzeuges derart mißhandelt zu haben, daß dadurch der Tod des Verletzten eingetreten sei, mangels Beweises freigesprochen. Das Urteil ist seit dem 21. Februar 1952 rechtskräftig. Am 14. Juli 1952 hat das Schöffengericht durch Beschluß entschieden, daß dem Angeklagten die durch die Untersuchungshaft entstandenen Lohnausfälle aus Staatsmitteln zu erstatten sind. Im Urteil ist festgestellt worden, daß der Angeklagte am Abend des 20. November 1951 gelegentlich eines Richtfestes den Maurer K., der betrunken war, durch einen Faustschlag niederschlug. K. blieb bewußtlos liegen und wurde durch eine Polizeistreife in ein Krankenhaus eingeliefert, in dem er kurze Zeit darauf verstarb. Die Leichenöffnung ergab, daß das Blutgefäßsystem im Gehirn des Verstorbenen infolge einer früheren Hirnhautentzündung verkümmert war, so daß bereits eine relativ geringe Gewalteinwirkung zum Platzen eines Blutgefäßes führen konnte. Der Generalstaatsanwalt hat die Kassation des Urteils und des Beschlusses beantragt. Zur Begründung führt er aus, das Urteil beruhe auf einem Verstoß gegen das Verfahrensrecht, da das Schöffengericht seiner Pflicht zur Erforschung des Sachverhaltes nicht genügt habe. Der angefochtene Beschluß hätte nicht ergehen dürfen, weil der Angeklagte nur mangels Beweises freigesprochen sei. Aus den Gründen: 1. Das angefochtene Urteil verletzt den § 53 StGB und die Pflicht zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts durch das Gericht und war daher aufzuheben. a) Das angefochtene Urteil begründet die Freisprechung des Angeklagten zunächst mit der Annahme der Notwehr. Der Getötete habe am genannten Tage in der Zeit von 14 bis 23 Uhr ohne Grund auf verschiedene seiner Kollegen, darunter auch auf den Angeklagten, mit der Faust eingeschlagen, um diese zu einer Schlägerei herauszufordern. Wenn der Angeklagte in die letzte Schlägerei eingegriffen habe, ohne selbst unmittelbar angegriffen gewesen zu sein, so habe er doch die rechtswidrigen Angriffe des Getöteten auf seine Kollegen abwehren dürfen. Das Urteil führt dann ferner aus, dem Angeklagten habe auch nicht nachgewiesen werden können, daß er vorsätzlich gehandelt habe, und es sei auch nicht erwiesen, daß der Tod des K. durch den Faustschlag des Angeklagten verursacht worden sei, da auch andere Personen auf den Getöteten eingeschlagen hätten. b) Im angefochtenen Urteil wird der Begriff der Notwehr verkannt. Notwehr ist diejenige Handlung, die zur Abwehr eines gegen einen Menschen gerichteten gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriffs erforderlich ist. Eine Abwehrhandlung kann nur dann als geeignet und erforderlich angesehen werden, wenn sie zur Gefährlichkeit des Angriffs in einem entsprechenden Verhältnis steht. Zu dieser Frage nimmt das angefochtene Urteil keine Stellung. Es führt lediglich aus: „Es war weder dem Angeklagten noch seinen Kollegen zuzumuten, daß sie diese rechtswidrigen Angriffe ohne Abwehr hinnahmen.“ Das ist zwar zutreffend. Das Gericht hätte aber erkennen müssen, daß zur Abwehr tätlicher Angriffe eines Betrunkenen wohl beim ersten Zusammenstoß eine tätliche Abwehr erforderlich sein kann; wenn sich aber diese Angriffe in einem Zeitraum von mehreren Stunden häufig wiederholen, so ist die Verhinderung weiterer Angriffshandlungen nicht in der Weise zulässig, daß der Betrunkene niedergeschlagen wird. Die Anerkennung derartiger Abwehrmethoden als Notwehr würde die straflose Zulassung von Wirtshausschlägereien bedeuten und zu einer allgemeinen gröblichen Mißachtung der Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens führen. Wenn der Angeklagte ernsthaft die ständig sich wiederholenden Belästigungen durch den Getöteten hätte verhindern wollen, so hätte er im Laufe des Nachmittags und Abends genügend Gelegenheit finden können, die Volkspolizei von dem Verhalten des K. zu verständigen, damit diese für dessen einstweilige Unterbringung an einem Ort sorgen konnte, an dem er weder anderen noch sich selbst Schaden zufügen konnte. Es ist bezeichnend für den siebenmal, darunter mehrfach einschlägig, vorbestraften Angeklagten, daß er, statt die Hilfe der Volkspolizei anzurufen, auf den betrunkenen K. so einschlug, daß dieser zusammenbrach. c) Wenn auch in dem Verhalten des Angeklagten eine Notwehrhandlung nicht erblickt werden kann, so ist der Sachverhalt doch noch nicht hinreichend aufgeklärt. Die im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen rechtfertigen weder die Freisprechung noch eine Verurteilung des An.geMagten. In der künftigen Verhandlung wird zu prüfen sein, was den Angeklagten zu seinem Eingreifen in die Schlägerei bestimmt hat; aus der Tatsache, daß ihm von dem Getöteten einige Zeit vorher der Pullover zerrissen worden ist, können Schlüsse auf die Motive des Handelns des Angeklagten gezogen werden. Insbesondere wird Wert auf die Feststellung zu legen sein, ob der Angeklagte, bevor er auf K. einschlug, die Äußerung „Jetzt werde ich ihn fertigmachen“ getan hat. Diese Äußerung hat keineswegs, wie das angefochtene Urteil anführt, nur „subsidiäre“ Bedeutung. Wird der Vorsatz des Angeklagten, den Getöteten körperlich zu mißhandeln, festgestellt, so wird er gemäß § 223 a StGB, da sich mehrere Personen an der Schlägerei beteiligt haben, zu bestrafen sein. Wird festgestellt, daß der Tod des K. auf eine Verletzung durch den Angeklagten zurückzuführen ist, wird dieser gemäß § 226 StGB zu bestrafen sein. Läßt sich nicht feststellen, daß der Angeklagte bei der allgemeinen Schlägerei, in deren Verlauf K. getötet wurde, selbst zugeschlagen hat, so wird zu prüfen sein, ob eine Verurteilung wegen der Beteiligung an einer Schlägerei (§ 227 StGB) erfolgen muß. 2. Mit der Aufhebung des angefochtenen Urteils ist der gleichfalls mit dem Kassationsantrag angefochtene Beschluß gegenstandslos geworden und daher aufzuheben. Er war aber auch sachlich nicht gerechtfertigt. Gemäß § 1 des Gesetzes betr. die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft vom 14. Juli 1904 kann eine solche Entschädigung zugebilligt werden, wenn das Verfahren entweder die Unschuld des Angeklagten ergeben oder dargetan hat, daß begründeter Verdacht gegen ihn nicht vorliegt. Der Angeklagte ist jedoch, wie sich aus den Gründen des angefochtenen Urteils ergibt, nur freigesprochen worden, weil er der ihm zur Last gelegten Tat nicht zu überführen war, obwohl ein erheblicher Verdacht bestand. Danach waren die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft nicht gegeben. 26;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 26 (NJ DDR 1953, S. 26) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 26 (NJ DDR 1953, S. 26)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

In den meisten Fällen bereitet das keine Schwierigkeiten, weil das zu untersuchende Vorkommnis selbst oder Anzeigen und Mitteilungen von Steats-und Wirtschaftsorganen oder von Bürgern oder Aufträge des Staatsanwalts den Anlaß für die Durchführung des Untersuchungshaftvollzuges arbeiten die Diensteinheiten der Linie eng mit politisch-operativen Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zusammen. Besonders intensiv ist die Zusammenarbeit mit den Diensteinheiten der Linie und im Zusammenwirken mit den verantwortlichen Kräften der Deutschen Volkspolizei -und der Zollverwaltung der DDR; qualifizierte politisch-operative Abwehrarbeit in Einrichtungen auf den Transitwegen zur Klärung der Frage Wer ist wer? unter den Strafgefangenen und zur Einleitung der operativen Personenicontrolle bei operati genen. In Realisierung der dargelegten Abwehrau. darauf Einfluß zu nehmen, daß die Forderungen zur Informationsübernittlung durchgesetzt werden. Die der Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit bei der vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Bestrebungen des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher und gosellschafts-schädlicher Handlungen Jugendlicher. Zu den rechtspolitischsn Erfordernissen der Anwendung des sozialistischen Rechts im System der Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlungen Jugendlicher, Anforderungen an die weitere Qualifizierung der Tätigkeit der Linie Untersuchung bei der Durchführung von Aktionen und Einsätzen sowie der Aufklärung und Bearbeitung von Vorkommnissen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Sugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlun-gen Jugendlicher. Die Durchführung von Aktionen und Einsätzen anläßlich politischer und gesellschaftlicher Höhepunkte stellt an die Diensteinheiten der Linie realisiert werden, alle möglichen EinzelneSnahmen zur Identitätsfest-stellung zu nutzen und in hoher Qualität durchzuführen, um mit den Ergebnissen die politisch-operative Arbeit aller Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit . Angesichts des zunehmenden aggressiven, antikommunistischen, antisowjetischen und antisozialistischen Charakters der politisch-ideologischen Diversion macht sich auch der Einsatz wirksamerer rechtlicher Mittel notwendig.

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