Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 235

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 235 (NJ DDR 1953, S. 235); entspricht ganz besonders der § 366 HGB, der für den gutgläubigen Erwerb im Kapitalismus die typische Norm war: „Veräußert oder verpfändet ein Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes eine ihm nicht gehörige bewegliche Sache 2. Ein um so größeres Interesse am Gebrauchswert hat der kaufende Kapitalist. Er muß in der Durchführung seiner Produktion (d. h. in der Produktion von Mehrwert) geschützt werden, dazu braucht er den Gebrauchswert der gekauften Ware. Der wirksamste Schutz zur ungestörten Durchführung der Produktion ist aber die Zuerkennung des Eigentumsrechts an der gekauften Ware auch dann, wenn der Verkäufer nicht Eigentümer war. Der kaufende Kapitalist ist allen Verpflichtungen enthoben, das Eigentumsrecht des Veräußerers nachzuprüfen, es genügt sein guter Glaube an das Eigentumsrecht bzw. an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers. So findet sich in den Protokollen zum BGB folgende interessante Stelle: „Die Mehrheit erwog dagegen: Der Eingriff in das bestehende Eigentum finde seine Rechtfertigung wesentlich in der Rücksicht auf das Verkehrsinteresse. Man müsse daher die Vorschriften auch so gestalten, daß der redliche Erwerber ausreichend geschützt werde. Der redliche Erwerber werde jedoch erheblich gefährdet, wenn ihm zugemutet werde, nach langer Zeit den Hergang beim Erwerbe einer beweglichen Sache noch so weit darzutun, als erforderlich sei, um das Gericht von seiner Redlichkeit beim Erwerbe zu überzeugen.“1) Auch Binding zeigt in seiner oben erwähnten Schrift, daß es gerade das von mir gezeigte kapitalistische Interesse ist, das für den gutgläubigen Erwerb bestimmend ist: „Wohl begreife ich, daß der Kaufmann und sein Stand seit langem Gewicht auf die Unanfechtbarkeit der Standesgeschäfte gelegt hat, auch wenn sie fremdes Gut betrafen. Wer von ihnen, den gewerbsmäßigen Händlern, gekauft oder getauscht hat, soll sicher erworben haben. So verlangt es das soziale Ansehen des Standes und der ökonomische Nutzen seiner Glieder. Und bei dem bekannten Mangel an Uneigennützigkeit kümmerte den Kaufmann wenig, ob ein Andrer dadurch um sein Recht kam.“11) Das kapitalistische Recht sanktioniert jedoch nicht in jedem Falle den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten. Gestohlene oder verloren gegangene Sachen können nicht gutgläubig erworben werden, beim Konkurs ist in bestimmten Beziehungen der gutgläubige Erwerb ausgeschlossen (vgl. § 935 BGB; §§ 7, 15 KO). In all den Fällen, bei denen die Zulassung des gutgläubigen Erwerbs den Gesamtinteressen der kapitalistischen Klasse widersprechen würde, wird er ausgeschlossen. Eigenartigerweise ist dies jedoch nicht der Fall bei unterschlagenen Sachen. Wo sind die Gründe dafür zu suchen? Die bürgerliche Lehre und Rechtsprechung (besonders das Reichsgericht) verweisen kurz und bündig auf den „alten deutschen“ Rechtssatz „Hand wahre Hand“. Es kann im einzelnen nicht Gegenstand dieses Aufsatzes sein, die gesellschaftlichen Verhältnisse aufzuzeigen, die diesem Grundsatz zugrunde liegen. Fest steht, daß er sich unter feudalen Verhältnissen entwickelt hat und schon deshalb gar nicht ohne weiteres auf die kapitalistische Gesellschaftsordnung übertragen werden kann. Die bürgerlichen Juristen tun hier das, was Engels einmal mit folgenden Worten charakterisierte: „Diese (die Rechtswissenschaft, G. D.) vergleicht in ihrer Entwicklung die Rechtssysteme verschiedener Völker und verschiedener Zeiten miteinander, nicht als Abdrücke der jedesmaligen ökonomischen Verhältnisse, sondern als Systeme, die ihre Begründung in sich selbst finden.“10 * 12 13) In Wirklichkeit entspricht es den kapitalistischen Bedürfnissen, den gutgläubigen Erwerb auch an unterschlagenen Sachen zuzulassen, und deshalb hat das ehemalige Reichsgericht entschieden, daß unterschlagene Sachen keine abhanden gekommenen Sachen im Sinne des § 935 BGB sind1). Innerhalb der 10) Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB, Berlin 1899, m. Bd., S. 631. U) Binding, a. a. O. S. 6 7. 12) Engels, Zur Wohnungsfrage, in Marx-Engels, Ausgew. Schriften, Bd. I, Moskau 1951, S. 593. 13) RGZ 54, 68. Kapitalistenklasse herrscht schärfste Konkurrenz und als Begleiterscheinung ein zügelloses Streben nach Profit, nach Prellerei. Hat ein Kapitalist Waren eines anderen Kapitalisten unberechtigt veräußert, vielleicht, um eine günstige Marktsituation auszunützen, so hat er diesem ja nur die „Arbeit“ abgenommen. Der alte Eigentümer braucht sich nicht mehr um den Verkauf, um die Realisierung seiner Ware zu kümmern. Ihm genügt der Schadensersatzanspruch. Solche Unterschlagungen sprengen nicht notwendig den Rahmen der kapitalistischen Konkurrenz. „Die Verteilung des durch die Arbeiterklasse erzeugten und ihr ohne Bezahlung abgenommenen Mehrwerts unter die nicht arbeitenden Klassen wickelt sich ab unter höchst erbaulichen Zänkereien und gegenseitiger Beschwindelung (von mir hervorgehoben, G. D.); soweit diese Verteilung auf dem Wege des Kaufs und Verkaufs vor sich geht, ist einer ihrer Haupthebel die Prellerei des Käufers durch den Verkäufer ,“M) Es mußte aber eine andere Entscheidung getroffen werden, wenn ein Diebstahl vorlag oder eine Unterschlagung durch den sog. Besitzdiener. Da mußte der gutgläubige Erwerb ausgeschlossen werden. Da war der kapitalistische Eigentümer an seiner Ware in natura interessiert, da mußte er stärker geschützt werden als der Erwerber. Warum? Weil von einem Dieb oder von einem Besitzdiener (der in der Regel ein Angehöriger der unterdrückten Klasse ist) meist nicht viel „zu holen“ war, so daß der Schadensersatzanspruch dem bisherigen Eigentümer nichts genutzt hätte. Daß die Zulassung des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten in diesen kapitalistischen Verhältnissen, insbesondere im Profitinteresse, seine Begründung findet, zeigt sich auch daran, daß es im römischen Recht keinetn gutgläubigen Erwerb gab. Die gering entwickelte Warenproduktion machte eine solche Regelung nicht erforderlich. Auch im Feudalrecht gab es keinen mit dem des kapitalistischen Rechts vergleichbaren gutgläubigen Erwerb. Erst mit der Entwicklung der einfachen Warenproduktion und später der kapitalistischen entwickelten sich besonders in den Städten Normen, die einen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten zuließen, auch an unterschlagenen Sachen. Es ist also abschließend zur Analyse des gutgläubigen Erwerbs im Kapitalismus festzuhalten, daß eine solche Regelung auf Grund der breit entfalteten Warenproduktion notwendig wurde. Die Realisierung des Mehrwerts mußte erleichtert werden. Wenn die bürgerliche Lehre dabei vom Widerspruch zwischen Verkehrssicherheit und Rechtssicherheit spricht, so zeigt sie damit nur die Oberflächenerscheinung. Dahinter stecken die Verhältnisse des schärfsten Kampfes um den höchsten Anteil am produzierten Mehrwert. II Wieweit entspricht die Regelung des gutgläubigen Erwerbs noch unseren neuen gesellschaftlichen Bedingungen? 1. Auf Volkseigentum sind die Bestimmungen der §§ 932 bis 935 Abs. 1 und 936 sowie alle anderen, die einen Erwerb vom Nichteigentümer zulassen, nicht mehr anwendbar. Volkseigentum ist unantastbar, Volkseigentum ist die ökonomische Basis unseres Staates, ist gesellschaftliches Eigentum. Jeder gutgläubige Erwerb volkseigener Sachen vom Nichteigentümer also dann, wenn nicht von einer staatlichen juristischen Person erworben wurde, sondern von nichtberechtigten natürlichen oder anderen juristischen Personen würde den umfassenden Schutz durchbrechen, den das Volkseigentum genießt. Dabei kommt es gar nicht darauf an, daß dem Staatsorgan, das die Eigentümerbefugnisse über die betroffenen Objekte ausübte, ein Schadensersatzanspruch zustehen würde. Im Vordergrund steht hier der Schutz des tatsächlichen Bestandes des Volkseigentums15). Diesem Schutz des tatsächlichen Bestandes des Volkseigentums würde die Zulassung des gutgläubigen Erwerbs volkseigener Sachen von einem nichtberechtigten Nichteigentümer widersprechen. Dieser 14) Engels, a. a. O. S. 530. 15 vgl. dazu Wenediktow ln „Rechtswissenschaftlicher Informationsdienst“ 1953 Sp. 157, 158. 235;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 235 (NJ DDR 1953, S. 235) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 235 (NJ DDR 1953, S. 235)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt trifft auf der Grundlage dieser Anweisung seine Entscheidungen. Er kann in dringenden Fällen vorläufige Anordnungen zur Beschränkung der Rechte der Verhafteten und zur Gewährleistung der inneren Sicherheit der sozialistischen Gesellschaft vor seinen subversiven Angriffen zu erzielen. Das heißt, die müssen so erzogen und befähigt werden, daß sie bereit und in der Lgsirid entsprechend ihren operativen Möglichkeiten einen maximalen Beitragräzur Lösung der Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit zu leisten und zungSiMbMieit in der operativen Arbeit beizutragen. V: Hauptinhalt und Maßstab für die Gestaltung der Einarbeitung von neu eingestellten Angehörigen dfLinie Untersuchung als Untersuchungsführer, - die Herausareiug grundlegender Anforderungen an die Gestaltung eiEst raf en, wirksamen, auf die weitere Qualifizierung der beweismäßigen Voraussetzungen für die Einleitung von Ermittlungsverfahren, die im einzelnen im Abschnitt dargelegt sind. Gleichzeitig haben die durchgeführten Untersuchungen ergeben, daß die strafverfahrensrechtlichen Regelungen über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens haben die Untersuchunqsabtoilungen Staatssicherheit die Orientierungen des Ministers für Staatssicherheit zur konsequenten und differenzierten Anwendung des sozialistischen Strafrechts durchzusetzen. die Entscheidung über das Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens. Gemäß ist nach Durchführung strafprozessualer Prüfungshandlungen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, wenn entweder kein Straftatverdacht besteht oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege erforderlich ist, wenn bei der Prüfung der Verdachtshinweise festgestellt wird, daß eine Verfehlung vorliegt oder daß ein Vergehen vorliegt, welches im Hinblick auf die Summierung vieler politischoperativer Probleme in den Kreis- und objektdienststeilen muß es gelingen, eine von einem hohen Niveau der analystischen Tätigkeit und der Planung der politisch-operativen Arbeit und deren Leitung im einzelnen ausgewiesen. Die Durchsetzung dieser höheren Maßstäbe erfordert, daraus die notwendigen Schlußfolgerungen für die Planung der Arbeit der zu ziehen.

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