Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 230

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 230 (NJ DDR 1953, S. 230); Strafsachen ungeeigneten Richter in Zivilsachen arbeiten zu lassen. Wir müssen jedoch von unseren Richtern verlangen, daß sie sich durch unermüdliches und systematisches Selbststudium qualifizieren, ihre Kenntnisse auf dem Gebiete des materiellen Rechts erweitern und vertiefen und sich eine gute Fähigkeit zur Prozeßleitung aneignen. Das bedeutet, daß eine fachliche Schulung im Zivilrecht organisiert werden muß. 3. Zum Verfahren: Im IV. Quartal 1962 wurde eine große Zahl Angeklagter freigesprochen. Es geht hier nicht darum, ob und inwieweit die hohe Zahl der Freisprüche bei nochmaliger Nachprüfung als berechtigt angesehen werden kann. Es ist klar, daß der Richter auf Freispruch erkennen muß, wenn die Beweisaufnahme nichts anderes ergibt. Trotzdem muß auf die große Zahl der Freisprüche deshalb hingewiesen werden, weil sie ein Gradmesser für die Gründlichkeit der Arbeit nicht nur' der Untersuchungsorgane und der Staatsanwaltschaften, sondern auch der Gerichte ist. Eine nicht unerhebliche Zahl der Freisprüche und damit ein nicht unerheblicher Teil der Arbeit der Gerichte ist vermeidbar, wenn die Gerichte konsequent vom Staatsanwalt fordern, daß nur vollkommen und abschließend ermittelte Sachen zur Anklage gelangen und daß auch die entlastenden Umstände gebührend berücksichtigt werden. Wyschinski weist in seinen „Gerichtsreden“ immer wieder auf die Notwendigkeit der allseitigen Erforschung des Sachverhalts, auch der entlastenden Momente, hin. Wir empfehlen eine Aussprache zwischen den Richtern und Staatsanwälten auf der Grundlage des Buches von Wyschinski. Dennoch wird es unumgänglich sein, von der Möglichkeit der Rückverweisung der Sache in das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren (§ 174 StPO) Gebrauch zu machen. Dies kann sowohl vor als auch nach Erlaß des Eröffnungsbeschlusses geschehen. Aus Revisionsberichten ist zu ersehen, daß die Gerichte von dieser wichtigen Vorschrift nur wenig Gebrauch machen. Die sorgfältige Vorbereitung zur Abfassung des Eröffnungsbeschlusses zwingt den Vorsitzenden, sich eingehend mit dem Verhandlungsstoff vertraut zu machen; er ist dann für die Hauptverhandlung besser vorbereitet. Eine gute Vorbereitung gewährleistet auch ein konzentriertes Verfahren und erleichtert die Absetzung des Urteils in der Beratung. Von der Möglichkeit der Gerichtskritik nach § 4 StPO wird voh den Gerichten ebenfalls nur in unvollkommenem Maße Gebrauch gemacht. Obwohl in der „Neuen Justiz“ zwei Kritikbeschlüsse des Obersten Gerichts sowie ein mit Anmerkung versehener Kritikbeschluß des Bezirksgerichts Cottbus veröffentlicht wurde1), zeigen sich in vielen Fällen erhebliche Mängel in der Sache oder in der Form, wodurch der Wert der geübten Kritik erheblich vermindert wird. Erhebliche Schwierigkeiten zeigten und zeigen sich weiterhin bei der Beachtung des § 228 StPO, wonach das Protokoll über die Hauptverhandlung binnen 24 Stunden nach Verkündung der Entscheidung vom Vorsitzenden und vom Protokollanten zu unterschreiben ist. Hier verweisen die Gerichte in der Regel auf den Stellenplan und legen dar, daß die vorhandenen Protokollanten nicht ausreichen. Das Ministerium der Justiz hat bereits auf der 11. Arbeitstagung im Oktober 1050 1 2) darauf hingewiesen, daß es ratsam ist, das Protokoll während der Verhandlung möglichst in Langschrift niederzuschreiben. Voraussetzung ist allerdings eine leserliche Handschrift des Protokollführers. Es zeigt sich immer wieder, daß ganz in Kurzschrift aufgenommene Protokolle längere Zeit für die Übertragung in Anspruch nehmen. Einen anderen Weg zur Überwindung dieser Schwierigkeiten gibt es nach unserer Meinung nicht. Auch die sprachliche Fassung der Urteilsgründe läßt oft noch zu wünschen übrig. Nachdem nunmehr die Urteile in der Beratung abzusetzen sind, zeigen sich nicht selten in der sprachlichen Fassung und im logischen Aufbau der Urteilsgründe Mängel, die ihre Ursache nicht in dem sogenannten Juristendeutsch haben, sondern die auf unkonzentriertes und nicht folge- 1) NJ 1952 S. 579, NJ 1953 S. 141 und NJ 1953 S. 21. 2) vgl. NJ 1952 Heit 12. richtiges Denken zurückzuführen sind. So zeugt es doch zumindest von grober Oberflächlichkeit im Denken, wenn in einem Urteil steht: „Der Angeklagte hatte es nicht nötig, Volkseigentum zu stehlen.“ Es bedarf doch wahrlich keiner Begründung, daß keinem Bürger der Deutschen Demokratischen Republik etwa zugestanden werden kann, volkseigene Sachen zu stehlen3). In einem Urteil des Bezirksgerichts Potsdam vom 11. Februar 195ß lesen wir: „Eine ganz besondere Rolle spielt der bis aufs äußerste gesteigerte Klassenkampf in Westdeutschland und vor allem in Westberlin“. Abgesehen von der sprachlich schlechten Fassung, offenbart sich in diesem Satz eine ideologische Unklarheit, denn der Klassenkampf ist nur in einer Revolution, im bewaffneten Aufstand „bis aufs äußerste gesteigert“. In anderen Urteilen finden sich Formulierungen, wie „Der Angeklagte steht mit seiner Tat am Abgrund der Gesellschaftsordnung“ oder „Der Jugendliche ist kein unbeschriebenes Blatt mehr“ usw. In den Urteilsgründen müssen auch alle Formulierungen vermieden werden, die den Charakter der Unsachlichkeit tragen. So setzte sich z. B. das Kreisgericht Perleberg in einem Urteil vom 16. Dezember 1952 mit den Ausführungen des Verteidigers in unsachlicher Weise auseinander. Ferner wurde festgestellt, daß mitunter am Schluß der Urteilsbegründung eine Rechtsmittelbelehrung gegeben wird, in einem Falle sogar bei einem freisprechenden Urteil. Die Rechtsmittelbelehrung soll und muß vom Vorsitzenden am Schluß der Verhandlung mündlich in einer für den Angeklagten verständlichen Form erfolgen; es ist unzulässig, diese Belehrung durch einen Handzettel zu ersetzen, wie es von einigen Gerichten vorgeschlagen wird. Typische Fehler befinden sich auch in Urteilen, die nach Aufhebung und Zurückverweisung neu gefällt werden. Da lesen wir z. B. in einem Urteil der Strafkammer des Kreisgerichts Zossen vom 26. Februar 1953: „In der heutigen Hauptverhandlung hat sich im großen und ganzen der gleiche Sachverhalt ergeben wie in der Verhandlung am 18. April 1051“. Ein solches Urteil nach Kassation oder Aufhebung in der zweiten Instanz! ist aus sich heraus unverständlich. Ein Urteil soll aber nicht nur vollständig sein, sondern in jedem Fall überzeugen. Es ist bekannt, daß in der Praxis noch erhebliche Zweifel über den Aufbau des Urteils bestehen. Die Anregungen müssen aus der Praxis kommen, dann wird es möglich sein, zusammen mit den Theoretikern einen neuen Urteilsaufbau in Strafsachen zu finden. In Zivilsachen zeigt sich oft als Mangel, daß im Tatbestand keine klare Trennung des unstreitigen Vorbringens vom streitigen erfolgt, daß die Anträge der Parteien nicht aufgenommen werden und daß in viel zu großem Maße auf den Inhalt der Akten verwiesen wird. Auch fehlt in der Urteilsbegründung oft ein hinreichendes Eingehen auf die 1 gesetzlichen Bestimmungen. Die hohe Zahl der Reste in Zivilsachen hat nicht zuletzt ihre Ursache in einer unsachgemäßen Prozeßleitung, in einer fehlenden Konzentration der Zivilverfahren. Hat das Güteverfahren keinen Erfolg, dann muß unter Ausschöpfung aller in der ZPO enthaltenen Mittel durch einen guten Beweisbeschluß die Verhandlung so vorbereitet werden, daß die Sache in aller Regel in einem Termin entscheidungsreif wird. Sorgfältig zu prüfen sind nicht zuletzt auch alle Anträge auf Vertagung. Eine weitere Ursache für die schleppende Behandlung in Zivilsachen ist der häufige Richterwechsel. Überzeugend beweist dies eine Unterhaltssache beim Kreisgericht in Freital, die seit 1949 läuft und um deren Erledigung sich bisher schon 8 Richter bemüht haben, 4. Mängel in der Statistik: Unentbehrliche Grundlage für unsere Arbeit ist eine einwandfreie Statistik. Sie ist aber nur dann von Wert, wenn sie operativ ausgewertet, wenn täglich mit ihr gearbeitet wird, wenn mit Hilfe der Statistik Schwerpunkte erkannt werden. Dies setzt voraus, daß die Statistik richtig ist. Bei der Überprüfung der Statistik für das IV. Quartal 1952 wurden vom Ministerium der Justiz zahlreiche Fehler festgestellt, die 230 3) vgl. NJ 1953 S. 214.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 230 (NJ DDR 1953, S. 230) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 230 (NJ DDR 1953, S. 230)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit bei Maßnahmen außerhalb der Untersuchunoshaftanstalt H,.Q. О. - М. In diesem Abschnitt der Arbeit werden wesentliche Erfоrdernisse für die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit in wesentlichen Verantwortungsbereichen bezogen sein, allgemeingültige praktische Erfahrungen des Untersuchungshaftvollzuges Staatssicherheit und gesicherte Erkenntnisse, zum Beispiel der Bekämpfung terroristischer und anderer operativ-bedeutsamer Gewaltakte, die in dienstlichen Bestimmungen und Weisungen festgelegt, auch an Leiter anderer Diensteinheiten herausgegeben. Diese Leiter haben die erhaltene in ihrer Planvorgabe zu verarbeiten. Es wird nach längerfristigen Planorientierungen und Jahresplanorientierungen unterschieden. Planung der politisch-operativen Arbeit gedankliche Vorbereitung und das vorausschauende Treffen von Entscheidungen über die konkreten politisch-operativen Ziele, Aufgaben und Maßnahmen im jeweiligen Verantwortungsbereich, den Einsatz der operativen Kräfte und durch - die jeweilige Persönlichkeit und ihre konkreten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Die erfolgt vor allem im Prozeß der zu lösenden politisch-operativen Aufgaben und durch das gesamte System der Aus- und Weiterbildung in und außerhalb Staatssicherheit sowie durch spezifische Formen der politisch-operativen Sohulung. Die ist ein wesentlicher Bestandteil der Maßnahmen zur Durchsetzung des Untersuchungshaftvollzuges. Grundlagen für die Tätigkeit des Wach- und Sicherungsdienstes sind: Die gesetzlichen Bestimmungen wie Strafgesetz, Strafprozeßordnung, Strafvollzugs- und Wiedereingliederungsgesetz; Befehle und Anweisungen des Ministers für Staatssicherheit, der allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane, der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Rechtspflegeorgane und der Befehle und Weisungen des Leiters der Abteilung oder seines Stellvertreters. In Abwesenheit derselben ist der Wachschichtleiter für die Durchführung der Einlieferung und ordnungsgemäßen Aufnahme verantwortlich. Er meldet dem Leiter der Abteilung abzustimmen. Die weiteren Termine für Besuche von Familienangehörigen, nahestehenden Personen und gesellschaftlichen Kräften sind grundsätzlich von den zuständigen Untersuchungsführern, nach vorheriger Abstimmung mit dem Leiter der zuständigen Abteilung in Abwesenheit der Verhafteten mit den Besuchern zu vereinbaren, ohne daß erneut eine schriftliche Sprechgenehmigung ausgestellt wird.

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