Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 202

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 202 (NJ DDR 1953, S. 202); Soweit es sich aber um die arbeitsrechtliche materielle Verantwortlichkeit im allgemeinen handelt, gehen die Meinungen gar nicht auseinander, nur über die Haftung der Verkaufsstellenleiter und der übrigen Werktätigen, die mit der Verwaltung von Geld und Ware zu tun haben, bestehen Differenzen. Schneider behauptet, daß in jedem Falle ein dem Werktätigen nachzuweisendes Verschulden die unabdingbare Voraussetzung dafür sei, ihn für einen von ihm verursachten Schaden materiell verantwortlich zu machen. Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden. Auch in der Frage der arbeitsrechtlichen materiellen Verantwortlichkeit gibt es Ausnahmen von der Regel. Wenn wir uns nämlich das Arbeitsleben ansehen, können wir feststellen, wie es manche Berufe mit sich bringen, daß dem Werktätigen im Rahmen seines Arbeitsvertragsverhältnisses die verantwortliche Besorgung von Geschäften seines Betriebes übertragen wird (so z. B. der Kellner, der Waren erhält, sie an die Gäste verkauft und nach Arbeitsschluß darüber abrechnet; der Bierfahrer der Brauerei, der Kohlenmann, die für ihre Betriebe Bier bzw. Kohle ausfahren und die Rechnungen für diese Lieferungen kassieren; der Kassierer der Energieversorgungsbetriebe; der Briefträger, der Zeitungsgelder, Rundfunk- und Postgebühren erhebt). Diesen Werktätigen werden von der Betriebsleitung Vermögenswerte anvertraut, über deren Verbleib sie Rechenschaft abzulegen haben. Ihnen allen kann es passieren, daß die Abrechnung mit einem Fehlbetrag abschließt. Die Ursache dafür wird sich nur selten feststellen lassen. Sie könnte z. B. darin liegen, daß der Werktätige einen Fehler begangen, vielleicht sich beim Herausgeben von Geld versehen hat; sie könnte aber auch in einem Fehler des Betriebes (Rechenfehler in der Rechnung, im Lieferschein usw.) liegen. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten liegt die schwierige Frage des Beweises. Während es dem Betrieb so gut wie unmöglich ist, den Beweis für ein Verschulden beispielsweise des Kassierers, der sich beim Geldwechseln geirrt hat, zu erbringen, könnte der Kassierer sehr viel leichter etwaige Fehler des Betriebes nachweisen. Genau so verhält es sich mit dem Verkaufsstellenleiter der HO oder der Konsumgenossenschaft. Auch er erhält Waren, die er für die HO bzw. die Konsumgenossenschaft verkauft, auch bei ihm besteht die selbstverständliche Verpflichtung, über die verkauften Waren abzurechnen, auch bei ihm können Fehlbeträge auf treten, auch bei ihm wird der Nachweis eines Verschuldens nur in seltenen Fällen erbracht werden können, während es umgekehrt ihm selbst nicht schwer fallen würde, Umstände, die zu der Entstehung des Fehlbetrages führten und die er nicht zu vertreten hat (Buchungsfehler, Einbruch, doppelte Belastung usw.), vorzutragen und zu beweisen. An diesen Besonderheiten im Arbeitsvertragsverhältnis des genannten Personenkreises kann man nicht vorübergehen. Deshalb entscheidet das Landesarbeitsgericht Thüringen in ständiger Rechtsprechung: Der Werktätige, der im Rahmen seines Arbeitsvertragsverhältnisses fremde Vermögenswerte zu verwalten hat, trägt für diese Vermögenswerte die volle Verantwortung. Er haftet daher für auftretende Fehlbeträge, ohne daß ihm ein Verschulden an der Entstehung der Fehlbeträge nachgewiesen zu werden braucht. Die Ersatzpflicht entfällt, wenn der Werktätige selbst beweist, daß ihn an der Entstehung des Fehlbetrages kein Verschulden trifft. II Der Hinweis Schneiders, daß vor 1945 ein ähnlicher Standpunkt vertreten wurde, ist richtig. Es ist aber nicht einzusehen, weshalb Regeln, die vor 1945 zum Schutz des privatkapitalistischen Handels herangezogen wurden, heute, wo es um den Schutz des volkseigenen und genossenschaftlichen Handels geht, nicht mehr gelten sollten. Übrigens lehnt ja auch Schneider die volle materielle Haftung für schuldhaft verursachte Fehlbeträge mit der sich daraus ergebenden Umkehr der Beweislast nicht grundsätzlich ab, sondern hält den Abschluß von Verträgen, in denen eine solche Haftung übernommen wird, für durchaus zulässig, er knüpft die Zulässigkeit des Abschlusses nur an bestimmte Voraussetzungen hinsichtlich des Personenkreises und der Organisation des Haftungsbereiches. Der Unterschied zwischen der Auffassung Schneiders und der des Landesarbeitsgerichts Thüringen die identisch ist mit der Ansicnt, die ich in den von Schneider zitierten Artikeln vertreten habe besteht also nur darin, daß Schneider zur Begründung der vollen materiellen Haftung den Abschluß eines Vertrages für erforderlich hält, während die Rechtsprechung des LAG Thüringen davon ausgeht, daß eine solche Haftung bereits von Gesetzes wegen besteht. Daß diese Auffassung voll und ganz dem geltenden Recht entspricht, ergibt sich aus § 675 BGB. Danach sind auf den „Dienstvertrag“ die Vorschriften über den Auftrag anzuwenden, wenn dieser eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat. Das ist beim Arbeitsvertragsverhältnis des Verkaufsstellenleiters der Fall. Daher trifft ihn nach § 666 BGB die Verpflichtung zur Rechenschaftslegung und nach § 667 BGB die Verpflichtung zur Herausgabe des Vermögens, das unter Berücksichtigung aller Zu- und Abgänge vorhanden sein muß. Rechenschaftslegung bedeutet aber schon nach dem Sprachgebrauch, daß der dazu Verpflichtete dartun muß, was mit dem Vermögen geschehen ist, d. h., wie er mit dem ihm anvertrauten Geld oder Gut gewirtschaftet hat. Durchaus logisch hat deshalb die Rechtsprechung zu §§ 666, 667 BGB bisher ständig dahin erkannt, daß der Beauftragte den Verbleib der Einnahmen und bei der Unmöglichkeit der Herausgabe die Gründe hierfür nachzuweisen hat. Diese in der Rechtsprechung zu §§ 666, 667 BGB entwickelten Grundsätze müssen auch in der arbeitsrechtlichen Praxis, bei der Mankohaftung der Filialleiter, gelten. III Die Bedenken Schneiders, die Umkehr der Beweislast bei der Mankohaftung würde bei den Leitungen der Handelsorgane die Verantwortungslosigkeit begünstigen und bei den Werktätigen die Verantwortungsfreudigkeit lähmen, können durch die Erfahrungen, die in Thüringen über die Auswirkung der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts gesammelt wurden, widerlegt werden. Die Urteile der Thüringischen Arbeitsgerichte, die mit der Rechtsprechung des LAG übereinstimmen, wurden in zahlreichen von den Arbeitsrichtern durchgeführten Veranstaltungen mit den Angestellten der HO und der Konsumgenossenschaften diskutiert. Dadurch wurden diese Urteile in den einzelnen Verkaufsstellen sehr schnell bekannt. Man kann schon heute sagen, daß diese Aufklärungsarbeit ihre Früchte getragen hat. Dadurch, daß den Verkaufsstellenleitern ihre volle Haftung für die Filiale vor Augen geführt wurde, hat sie diese zur Beobachtung der größtmöglichen Sorgfalt gebracht. Aber auch die Leitungen der Handelsorgane wurden durch die Abweisung der Klagen in den Fällen, in denen Mängel in der Organisation festgestellt wurden, dazu veranlaßt, die zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung der Verkaufsstelle notwendigen Maßnahmen zu treffen. Aber nicht nur die Erfahrungen der Praxis sprechen gegen Schneider; was er vorbringt, ist auch nicht mit den Grundsätzen des Obersten Gerichts über die Verantwortlichkeit leitender Funktionäre in der demokratischen Wirtschaft zu vereinbaren. Das Oberste Gericht hat wiederholt entschieden, daß der Funktionär in der demokratischen Wirtschaft, soweit er zur selbständigen Bearbeitung eines Aufgabenbereichs berufen ist, sich weder auf die Pflichtverletzung und damit auf die Mitverantwortlichkeit eines Vorgesetzten noch auf die mangelnde Mitarbeit der unter seiner Leitung tätigen Angestellten berufen kann5). Im Urteil vom 29. Januar 1053 in dem Prozeß gegen leitende Funktionäre der Landesleitung Thüringen der HO Lebensmittel* 4 5) tritt das Oberste Gericht der Tendenz, daß einer die Schuld auf den andern abzuschieben versucht, entschieden entgegen und stellt fest, daß jeder in seinem Arbeitsbereich für eine geordnete Wirtschaftsführung Sorge zu tragen habe, wobei er notfalls die Hilfe der Staatlichen Kontrollkommission in Anspruch nehmen müsse. Schneider sagt dagegen: „Gerade die leitenden Angestellten5) sind aber dafür verantwortlich, S) OGSt Bd. 1 S. 102 und 178. 4) NJ 1953 S. 79. 5) von mir gesperrt; H. P. 202;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 202 (NJ DDR 1953, S. 202) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 202 (NJ DDR 1953, S. 202)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

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