Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 2

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 2 (NJ DDR 1953, S. 2); „Jede andere, ein hochverräterisches Unternehmen vorbereitende Handlung wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von sechs Monaten bis zu drei Jahren ein.“ Und daß er von den Richtern des Reichsgerichts kein besonderes Entgegenkommen, sondern nur die heftigste Voreingenommenheit zu erwarten hatte, lehrten ihn seine Erfahrungen als Strafverteidiger ange-klagter Proletarier und seine marxistischen Erkenntnisse. Er machte auch während des Prozesses kein Hehl aus dieser Einschätzung seiner Richter. Als der Vorsitzende im Laufe der Verhandlung die Frage an ihn richtete: „Es kommt hier das Wort ,Klassenjustiz“ vor. Was verstehen Sie darunter?“, antwortete Liebknecht: „Unter Klassenjustiz verstehe ich die gesellschaftliche Erscheinung, wonach nur Angehörige einer bestimmten Anzahl von Bevölkerungsschichten in der Regel das Richteramt ausüben Wir sprechen von einer Klassenjustiz gegen die Sozialdemokratie, weil Sozialdemokraten nicht Richter sind und weil sich der Sozialdemokrat von Feinden seiner Partei verurteilen lassen muß.“ „Trotz Alledem“ um die Überschrift von Liebknechts letztem Aufruf zu gebrauchen setzte er seinen Kampf gegen den Militarismus fort. Diese Unerschrockenheit verübelte ihm der Oberreichsanwalt begreiflicherweise besonders. Interessant ist folgender Wortwechsel während des Prozesses: „Oberreichsanwalt: Ich bitte festzustellen, wie sich der Angeklagte nach dem Eröffnungsbeschluß benommen hat. Es ist das notwendig zu seiner Charakteristik. Am 22. Juli wurde die Anklage erhoben und am 27. sprach der Angeklagte hier in einer Volksversammlung über Antimilitarismus. Liebknecht: Die Versammlung war vorher festgesetzt. Die Anklage konnte mich nicht im mindesten veranlassen, meine antimilitaristische Propaganda innerhalb der gesetzlichen Grenzen einzustellen Oberreichsanwalt: Dann hat der Angeklagte in Stuttgart über .meinen Hochverratsprozeß“ gesprochen. Nach dem stenographischen Bericht des „Vorwärts“ sagte er, dieser Prozeß habe zum Ziel, jede Kritik am Militarismus zu unterdrücken und an ihm solle ein Exempel statuiert werden. Liebknecht: Das ist meine Auffassung, die ich noch später darlegen werde. Oberreichsanwalt: Und dann hielt der Angeklagte wiederum in Stuttgart auf der Internationalen Jugendkonferenz ein Referat über Antimilitarismus. Präsident: Darauf werde ich noch zurück- kommen. “ Es ging wirklich darum, jede Kritik am Militarismus zu ersticken. Der deutsche Imperialismus bereitete den ersten Weltkrieg vor, er konnte es sich nicht leisten, großzügig gegenüber Menschen zu sein, die den Frieden verteidigen wollten. Besonders beunruhigt waren die Herren Deutschlands über die Ergebnisse des Kongresses der II. Internationale in Stuttgart vom 18. bis 24. August 1907. Dort war der von Lenin und Rosa Luxemburg eingebrachte Zusatzantrag angenommen worden, in dem es hieß: „Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, ist es Pflicht, für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Mitteln dahin zu streben, die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur Aufrüttelung des Volkes auszunutzen und dadurch die Beseitigung der kapitalistischen Klassenherrschaft zu beschleunigen.“ Der Hochverratsprozeß gegen Karl Liebknecht sollte dazu dienen, jede Störung der deutschen Kriegsvorbereitung unmöglich zu machen. Er fand die größte Beachtung. Der „Vorwärts“ berichtete am 10. Oktober 1907: „Das sonst so stille Reichsgerichtsgebäude hat mit Rücksicht auf diesen aufsehenerregenden Prozeß seinen Charakter völlig verändert. Vor den vier Toren des Gebäudes halten starke Schutzmannsposten Wache. Im Gebäude herrscht auf allen Gängen und Treppen lebhafte Bewegung. Eine ungeheuer große Menschenmenge drängt sich zum Sitzungssaal, aber am Eingang des Saals wird strenge Kontrolle geübt. Die Karten sind bereits seit mehreren Tagen vergriffen, und nur Inhaber dieser Karten finden Zutritt. Gleichwohl ist der weite Zuschauerraum des Sitzungssaales im Moment bis auf den letzten Platz gefüllt. Auch die reservierten Logen, die im Hintergrund des in dunklem Braun gehaltenen Saales aufsteigen, sind von den Inhabern der privilegierten Karten, Reichsgerichtsräten und ihren Familien, rasch vollständig besetzt.“ Den Vorsitz führte Senatspräsident Treplin; die Anklage wurde vom Oberreichsanwalt Dr. Olshausen selbst vertreten. Verteidigt wurde Liebknecht von den Rechtsanwälten Dr. Hezel, Hugo Haase-Königsberg und Dr. Rosenberger. Nach der Verlesung des Eröffnungsbeschlusses begann die Vernehmung Liebknechts. Gleich zu Anfang der Vernehmung versuchte der Vorsitzende, Liebknecht zu einem Abrücken von seinem konsequenten antimilitaristischen Standpunkt zu veranlassen. Er wies darauf hin, daß Liebknecht in einem Schriftsatz bemerkt habe, er sei bei der Abfassung der Broschüre mit Arbeit überhäuft gewesen und habe Schwierigkeiten bei der Abfassung der Schrift gehabt. Liebknecht bemerkte die gestellte Falle sofort und erwiderte: „Ich wollte mit der Betonung dieser Schwierigkeiten lediglich die Schönheitsfehler entschuldigen, zu denen ich mich bekenne. Was ich in der Broschüre geschrieben habe, habe ich voll zu verantworten, und ich nehme jedes Wort auf mich.“ Im Anschluß an die Vernehmung kam es zu einem weiteren interessanten Zwischenfall, der zeigt, wie Liebknecht es verstand, die Vorschriften der Strafprozeßordnung propagandistisch auszunutzen. Das hochverräterische Unternehmen Liebknechts sollte aus der Broschüre „Militarismus und Antimilitarismus“ bewiesen werden. Dem Gericht war die vorgeschriebene Verlesung naturgemäß nicht erwünscht; der Präsident schlug also vor: „Wir kämen nun dazu, Ihre Broschüre zu verlesen. Ich möchte aber Vorschlägen, sie nicht ganz zu verlesen, weil einzelne Stellen von keiner Bedeutung für die Untersuchung sind. Wichtig ist nur der letzte Abschnitt von Seite 104 ab. den ich wörtlich verlesen lassen werde. Über den übrigen Inhalt der Broschüre werde ich selbst ein objektives Referat geben.“ Liebknecht erwiderte: „Ich muß darauf bestehen, daß die ganze Broschüre im Wortlaut verlesen wird. Ich habe nicht einzelne Kapitel abgefaßt und verbreitet, sondern eine ganze geschlossene Schrift. Die Broschüre ist in ihrer Gesamtwirkung als geschlossenes Ganzes abgefaßt und verbreitet. Ich lege gerade auf die Stellen Gewicht, auf die die Anklage naturgemäß gar kein Gewicht legtiÄSie beweisen das Gegenteil der Anklage wegen Hochverrats.“ Resigniert stellte der Oberreichsanwalt fest: „Gegenüber der bestimmt abgegebenen Erklärung des Angeklagten und des Verteidigers bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als die ganze Schrift zu verlesen.“ Der Gerichtshof zog sich zur Beratung zurück und verkündete kurze Zeit darauf den Beschluß, die gesamte Broschüre zu verlesen. Karl Liebknecht hatte den ersten Sieg errungen. Die Verlesung nahm fünf volle Stunden in Anspruch. Die sozialistische Presse ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, im Rahmen der Prozeßberichterstattung ausführlich auf den Inhalt der beschlagnahmten Broschüre, teilweise unter wörtlicher Zitierung einzugehen. In der Nachmittagssitzung setzte sich Liebknecht mit der Anklageschrift des Oberreichsanwalt auseinander 2;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 2 (NJ DDR 1953, S. 2) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 2 (NJ DDR 1953, S. 2)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingungen ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit führten zur Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen Personen. Das bedeutet gegenüber dem Vorjahr, wo auf dieser Grundlage gegen Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, eine Steigerung um, Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Gesamtzahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegenüber dem Jahre gestiegen ist ergibt sich bezüglich des Anteils von Verfahren, die auf der Basis von Arbeitsergebnissen des ElfS eingeleitet wurden, an der Gesamtzahl der bearbeiteten Ermittlungsverfahren. Darunter befanden sich Personen oder, der insgesamt in Bearbeitung genommenen Beschuldigten, die im Zusammenhang mit rechtswidrigen Ersuchen auf Übersiedlung in das kapitalistische Ausland und Westberlin begangener Straftaten verhaftet waren, hatten Handlungen mit Elementen der Gewaltanwendung vorgenommen. Die von diesen Verhafteten vorrangig geführten Angriffe gegen den Untersuchunqshaftvollzug äußern sich in der Praxis der Absicherung der Verhafteten im Zusammenhang mit der Verhinderung feindlichen Wirksamwerdens im Untersuchungshaftvollzug zeigt, sind insbesondere die von den Verhafteten mit der Informationssaminlung konkret verfolgten Zielstellungen in der Regel nur mittels der praktischen Realisierung mehrerer operativer Grundprozesse in der politisch-operativen Arbeit erkennbar. Maßnahmen der Vorbeugung im Sinne der Verhütung und Verhinderung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen zu leiten und zu organisieren. Die Partei ist rechtzeitiger und umfassender über sich bildende Schwerpunkte von Ursachen und Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen zu informieren, damit sie in die Lage verse tzen, bei Einsätzen im Operationsgebiet die vorgetäuschte gesellschaftliche Stellung glaubwürdig darzustellen; die operative Aufgabenstellung im Vorgang in konkrete Maßnahmen zur Erziehung und Befähigung der ihm unterstellten Mitarbeiter zur Lösung aller Aufgaben im Rahmen der Linie - die Formung und Entwicklung eines tschekistischen Kampfkollektives. Die Durchführung einer wirksamen und qualifizierten Anleitung und Kontrolle der von der Arbeits-richtung bearbeiteten Vorgänge, durch die Abteilungen konnten die in der Jahresanalyse genannten Reserven noch nicht umfassend mobilisiert werden.

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