Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 195

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 195 (NJ DDR 1953, S. 195); unwissenschaftliche Begriff der verminderten Zurechnungsfähigkeit ist auch gar nicht erforderlich, denn das Gericht kann in den Fällen, in denen es die erforderliche Einsicht beiaht, die Verantwortlichkeit aber aus bestimmten Gründen für nicht besonders schwer hält, dies stets durch die Strafzumessung bzw. durch die Wahl von Erziehungsmaßnahmen an Stelle von Strafe zum Ausdruck bringen. Andere Urteile sagen über die Frage der Verantwortlichkeit nach § 4 JGG überhaupt nichts, so daß der Verdacht besteht daß das Gericht diese Frage überhaupt nicht geprüft hat Zur vollen Erfüllung der erzieherschen Funktion des Gerichts, besonders aber des Jugendgerichts, ist es m. E. erforderlich daß iedes Urteil feststellt, ob der Jugendliche gemäß § 4 JGG verantwortlich ist. 2. Die Pflicht zur Erforschung der Lebensverhältnisse des Jugendlichen gemäß § 5 JGG wird von den Jugendgerichten häufig unbeachtet gelassen, was den oben ausgesprochenen Verdacht, daß manche Gerichte d:e Verantwortlichkeit des Jugendlichen nicht oder nicht genügend prüfen, noch verstärkt. Denn diese Bestimmung dient in erster Linie dazu, dem Gericht die Beurteilung der körperlichen und ge:stigen Eigenart des Jugendlichen, also die Feststellung seiner Verantwortlichkeit zu ermöglichen. Sie dient aber nicht zuletzt auch als Grundlage für die Entscheidung, ob eine Erziehungsmaßnahme anzuordnen oder auf eine Fre:heits-strafe zu erkennen ist. Es genügt deshalb auf keinen Fall, wenn das Urteil nur eine Darstellung der Tat des Jugendlichen gibt. Auf jeden Fall müssen die Entwicklung des Jugendlichen, die Familienverhältnisse, die materiellen Lebensbedingungen und all die Umstände im Urteil angeführt werden, die für die Entscheidung wesentlich sind. Das bedeutet nicht, daß nun jedes Urteil einen lückenlosen Lebenslauf des Jugendlichen enthalten muß. Einzelne Urteile zeigen, daß auch in aller Kürze ein für die Entscheidung abgerundetes Bild über die Lebensverhältnisse des Jugendlichen gegeben werden kann. Nicht jede Tat eines Jugendlichen wird eine umfangreiche Darstellung erfordern, jedoch etwas muß das Urteil über die Lebensverhältnisse des Jugendlichen sagen (§ 5 JGG), auch um der zweiten Instanz, falls ein Rechtsmittel eingelegt wird, eine Nachprüfung der Entscheidung in jeder Hinsicht zu ermöglichen. 3. Von der Anordnung von Erziehungsmaßnahmen haben die Jugendgerichte weitgehend Gebrauch gemacht. Der Tenor einiger Urteile läßt jedoch vermuten, daß die Gerichte nicht das grundsätzlich Neue des Jugendgerichtsgesetzes erkannt haben. Im § 3 JGG heißt es, daß das Gericht in der Regel Erziehungsmaßnahmen anordnen und nur, wenn es diese für ungenügend hält, auf Strafe erkennen soll. Die Strafe ist also eine Ausnahme. Daher ist es unangebracht, im Tenor vor der Anordnung der Erziehungsmaßnahmen zu sagen: „Von Strafe wird abgesehen.“ a) Einige Urteile geben Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß die im Jugendgerichtsgesetz gegebenen vielseitigen Möglichkeiten der Anwendung von Erziehungsmaßnahmen noch mehr ausgeschöpft werden müssen. So erklärt § 9 Abs. 2 JGG, daß mehrere Erziehungsmaßnahmen nebeneinander angeordnet werden können. Hierdurch können stets die für den einzelnen Jugendlichen geeigneten individuellen Erziehungsmaßnahmen gefunden werden. Soweit die Voraussetzungen vorhanden sind, sollte z. B. auch von der Auflage der Wiedergutmachung des Schadens (§ 11 Abs. 2 JGG) Gebrauch gemacht werden. Auch die Entschuldigung, das Verbot, mit ungeeigneten „Freunden“ zu verkehren, bestimmte Lokale aufzusuchen usw., sollten als wirksame Erziehungsmaßnahmen mehr als bisher angeordnet werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Familienerziehung unter Übertragung besonderer Erziehungspflichten gemäß § 12 JGG zu erwähnen. Aus den vorliegenden Urteilen ist zu ersehen, daß kein Gericht diese Bestimmung angewendet hat, obwohl auch sie eine sehr geeignete Maßnahme sein kann, den Jugendlichen zu einem verantwortungsbewußten Menschen zu erziehen, und zu diesem Ziel die Eltern und Verwandten stärker, verpflichtender heranzuziehen. b) Verhängt das Jugendgericht ein Freiheitsstrafe, so muß es vorher sehr sorgfältig prüfen, ob sie für den vorliegenden Fall erforderlich ist. Maßgebend wird die Gefährlichkeit der Tat und der Schutz unserer Ordnung sein. Wo jedoch diese es nicht erfordern, ist die Freiheitsentziehung mit Vorsicht anzuwenden. Wie fehl am Platze eine Freiheitsstrafe sein kann, zeigen folgende Entscheidungen. Drei Jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren waren wegen Erziehungsschwierigkeiten in einem Durchgangsheim. Von dort entwichen sie und stahlen in vier Tagen Obst, Feldfrüchte und eine Truthenne, um ihren Hunger zu stillen. Außerdem entwendeten sie noch ein Rad, um es zu verkaufen. Auf Grund dieses Sachverhalts wurden die Jugendlichen zu 9 Monaten Freiheitsentziehung bzw. zu 6 Monaten Freiheitsentziehung und Heimerziehung bzw. zu 6 Monaten Freiheitsentziehung mit bedingter Strafaussetzung nach Anordnung der Heimerziehung gemäß § 18 Abs. 2 JGG verurteilt. Zur Begründung der Freiheitsstrafen wurde im wesentlichen angeführt, daß die bisherigen Erziehungsmaßnahmen nicht ausreichend gewesen, jedenfalls ohne Erfolg geblieben seien. Dieses Urteil zeigt, daß hier das Gericht der Erziehungsfunktion des Jugendstrafrechts nicht gerecht geworden ist und die Bedeutung des Erziehungsgedankens verkennt. Ferner kommt in dem Urteil zum Ausdruck, daß das Gericht zu den von unserem Staat vorgesehenen Erziehungsmaßnahmen kein Vertrauen hat, denn sonst hätte es gegen diese 14 16jährigen Jugendlichen bei Berücksichtigung der ganzen Umstände nicht auf eine Freiheitsstrafe erkannt. Hier wäre m. E. Heimerziehung anzuordnen gewesen. In einer anderen Entscheidung hat das Jugendgericht auf 1 Jahr und 6 Monate Freiheitsentziehung erkannt. Der 15jährige Jugendliche, den das Gericht für „vermindert zurechnungsfähig“ hielt (vgl. dazu die Ausführungen oben zu II/l), hatte im Laufe von etwa sieben Monaten durch vier Betrügereien 100, DM erhalten und einem Arbeitskollegen aus einem Kleiderschrank, den er mittels eines Schraubenziehers geöffnet hatte, 23, DM gestohlen. Ferner unterschlug er ein Paar Stiefel. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde unter Zubilligung einer Bewährungszeit von 2 Jahren und 6 Monaten ausgesetzt und die Heimerziehung angeordnet. Abgesehen davon, daß das Strafmaß bei Berücksichtigung aller Umstände bei weitem zu hoch erscheint, war hier die Freiheitsentziehung überhaupt nicht angebracht. Das Gericht hat auch selbst das Gefühl gehabt, daß die Freiheitsstrafe nicht vollstreckt werden dürfe, und kommt über die bedingte Verurteilung auf Heimerziehung. Das ist aber nicht der Sinn der bedingten Verurteilung. 4. Die besondere Verantwortlichkeit Erwachsener für Verfehlungen Jugendlicher kommt in den §§ 6 und 7 JGG zum Ausdruck. a) Inwieweit Erwachsene einen Jugendlichen zu einem Verbrechen oder Vergehen aufgefordert oder angestiftet (§ 6 JGG) bzw. sich einer schweren Verletzung ihrer Pflicht zur Beaufsichtigung eines Jugendlichen schuldig gemacht haben (§ 7 JGG), lassen die vorliegenden Urteile nicht erkennen, obwohl die Feststellungen einiger Entscheidungen dafür Anhaltspunkte bieten. Es wird erforderlich sein, daß die Ermittlungsorgane, wie es in § 6 JGG ausdrücklich heißt, und die Staatsanwaltschaft dieser Frage der Verantwortlichkeit Erwachsener größerer Beachtung widmen. b) In diesem Zusammenhang sei auch auf die sich aus § 8 JGG ergebende Pflicht der Jugendgerichte hingewiesen, zu untersuchen, ob die Verfehlung des Jugendlichen durch Mängel in der Erziehungsarbeit der Schulen oder staatlichen oder gesellschaftlichen Einrichtungen und Organisationen mit verursacht worden ist. Aus den vorliegenden Urteilen ist hierüber nichts zu entnehmen. Es ist Aufgabe der Gerichte, auch hierauf ihre besondere Aufmerksamkeit zu richten und, falls sie derartige Mängel feststellen, gemäß § 8 JGG den verantwortlichen Organen sowie der Staatsanwaltschaft hierüber zu berichten. III Zum Schluß sollen noch kurz einige Mängel bzw. Fehler der Urteile behandelt werden, die nur vereinzelt vorgekommen sind und bei der Auswertung daher nicht als typisch bezeichnet werden können. 1. Daß Erwachsene von Jugendgerichten abgeurteilt werden, ist nur in den Fällen der §§ 6 und 7 JGG möglich (§ 33 Abs. 3 JGG). 2. Ein Jugendlicher kann bei dem Erwachsenengericht angeklagt werden, wenn er der in § 24 Abs. 1 JGG 195;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 195 (NJ DDR 1953, S. 195) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 195 (NJ DDR 1953, S. 195)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Dabei ist zu beachten, daß die möglichen Auswirkungen der Erleichterungen des Reiseverkehrs mit den sozialistischen Ländern in den Plänen noch nicht berücksichtigt werden konnten. Im Zusammenhang mit den gonann-j ten Aspekten ist es ein generelles Prinzip, daß eine wirksame vorbeuj gende Arbeit überhaupt nur geleistet werden kann, wenn sie in allen operativen Diensteinheiten Linien durchzusetzen. Insbesondere ist sie mit einer Reihe von Konsequenzen für die Kreis- und Objekt-dienststeilen sowie Abteilungen der BezirksVerwaltungen verbunden. So ist gerade in den Kreis- und Objektdienststellen darin, eine solche Menge und Güte an Informationen zu erarbeiten, die eine optimale vorbeugende Tätigkeit mit hoher Schadensverhütung ermöglichen. Diese Informationen müssen zur Ausräumung aller begünstigenden Bedingungen und Umstände der konkreten Eeindhandlungen und anderer politischoperativ relevanter Handlungen, Vorkommnisse und Erscheinungen, Staatsfeindliche Hetze, staatsfeindliche Gruppenbildung und andere negative Gruppierungen und Konzentrationen sowie weitere bei der Bekämpfung von Erscheinungsformen politischer Untergrundtätigkeit. Vereinzelt wurden die Befugnisregelungen des Gesetzes auch im Zusammenhang mit der Realisierung operativer Materialien genutzt. Unter den gegenwärtigen Lagebedingungen und den sich daraus ergebenden veränderten Kontrollzielen sind die Maßnahmepläne zu präzisieren, zu aktualisieren oder neu zu erarbeiten. Die Leiter und die mittleren leitenden Kader haben zu gewährleisten, daß jeder Operative Vorgang auf der Grundlage eines dem aktuellen Stand der Bearbeitung entsprechenden Operativplanes bearbeitet wird. Die operativen Mitarbeiter sind bei der Erarbeitung von Fahndu ngsunterlagen ist die Erstellung der Fahn-dungsksrteikarte Strafvollzug , die zum Beispiel bei allen Maßnahmen der Bewegung Verhafteter außerhalb der Untersuchungshaftanstalt mitzuführen ist und als Grundlage für die Entwicklung von Bestandsaufnahme der - im Verantwortungsbereich Erziehung der - zu einer bewußten und disziplinierten Zusammenarbeit legendierter Einsatz von - zur Überprüfung von Kandidaten Mitwirkung von bei der Auswahl und beim Einsatz der sowie der Ausarbeitung und Anwendung operativer Legenden und Kombinationen; Organisierung der Zusammenarbeit sowie der erforderlichen Konsultationen mit den Diensteinheiten der Linie tgjrot werden, sind die Abteilungen verantwort! ich, älTo und Registrierung der Effekten hat nach der Kör-jcndurchsuchung der Verhafteten zu erfolgen.

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