Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 122

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 122 (NJ DDR 1953, S. 122); Dem Kläger, der als Disponent ln einer Handelszentrale tätig war, ist sein Arbeitsvertragsverhältnis fristlos gekündigt worden. Als Begründung wurde unhöfliches Benehmen gegenüber der Kundschaft und innerhalb des Betriebes angegeben. Der Kläger verlangt mit der Klage Weiterzahlung seines Gehalts bis zur Aufnahme seiner neuen Beschäftigung. Das ArbG hat die fristlose Entlassung für unwirksam erklärt und dem Kläger Gehalt bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist zugesprochen. Auf die gegen dieses Urteil vom Kläger eingelegte Berufung hat das LAG antragsgemäß erkannt. Aus den Gründen: Auf Grund der vom Kläger eingelegten Berufung hatte das Landesarbeitsgericht nur darüber zu entscheiden, ob die vom Gericht erster Instanz vorgenommene Umdeutung der von ihm für unzulässig und rechtsunwirksam erkannten fristlosen Kündigung in eine fristgemäße Kündigung statthaft und gegebenenfalls, ob die Umdeutung begründet war. Ausgehend von dem qualitativen Unterschied zwischen der fristlosen und der fristgemäßen Kündigung, wurde im bisherigen kapitalistischen Arbeitsrecht die Umdeutung (Konversion) grundsätzlich für zulässig gehalten. Der qualitative Unterschied bestand darin, daß nur bei der fristlosen Kündigung die Kündigungsgründe, die entweder im Gesetz einzeln aufgezählt (§§ 123, 124 GewO, 71, 72 HGB) oder in der Generalklausel des „wichtigen Grundes“ zusammengefaßt waren (§§ 124a, 133b GewO, 70 HGB, 626 BGB), überhaupt eine Rolle spielten und vom Gericht rechtlich gewertet wurden, während als Konsequenz aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit eine fristgemäße Kündigung aus jedem beliebigen Grund, ja sogar ohne Grund, von vornherein zulässig und rechtswirksam war und lediglich ausnahmsweise geprüft wurde, ob die fristgemäße Kündigung eine „soziale Härte“ darstellte (§ 84 BRG) oder „gegen die guten Sitten“ (§ 138 BGB) oder „gegen Treu und Glauben“ (§ 242 BGB) verstieß. Rechtlich wurde die Umdeutung so konstruiert, daß der Kündigungswille des Kündigenden auch nach der Feststellung, daß die fristlose Kündigung nichtig sei, fortbestanden habe. Da die Gründe für die fristgemäße Kündigung keiner rechtlichen Wertung unterzogen wurden, war es dann leicht, die nichtige fristlose Kündigung als fristgemäße Kündigung für wirksam zu erklären. Die hier dargestellte, von uns nach dem Zusammenbruch des Hitlerfaschismus übernommene Rechtsauffassung und die ihr entsprechende, noch heute in weitestem Umfange geübte arbeitsgerichtliche Praxis werden in neuerer Zeit, wie aus den Fachzeitschriften ersichtlich und auf arbeitsrechtlichen Tagungen usw. zum Ausdruck kommt, von einem Teil der Arbeitsrechtler bekämpft und die Umdeutung schlechthin für unwirksam erklärt. Dabei werden als Argument teils „soziale Momente“, teils „die erzieherische Einwirkung auf die Betriebsleiter und Betriebsinhaber“ und teils positive Bestimmungen unseres neuen Kündigungsrechts angeführt. So wird gesagt, daß nach § 10 Ziff. 1 VO über Kündigungsrecht eine Kündigung unwirksam ist, wenn sie gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt; damit sei die vom Arbeitsgericht für unzulässig und rechtsunwirksam erkannte fristlose Kündigung, da sie gegen das Gesetz verstoße, ein für allemal unwirksam und könne folglich auch nicht als fristgemäße Kündigung wirksam sein. Das Landesarbeitsgericht stimmt mit den hier wiedergegebenen Meinungen darin überein, daß die alte kapitalistische Rechtsauffassung im Arbeitsrecht unserer Ordnung keinen Platz mehr hat; gerade vom neuen Kündigungsrecht ausgehend, kommt es aber bei der Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit der Umdeutung zu einem anderen Ergebnis. Es entnimmt aus § 38 Buchst, b des Gesetzes der Arbeit (Verordnung des Magistrats von Groß-Berlin zur Förderung und Pflege der Arbeitskräfte vom 5, Mai 1950) folgende Grundsätze: 1. Jede Kündigung ist zu begründen. Daraus folgt: 2. die angegebenen Gründe müssen die Kündigung rechtfertigen und 3. die Kündigungsgründe sind der rechtlichen Wertung unterworfen. § 38 des Gesetzes der Arbeit in Verbindung mit § 10 Ziff. 2 VO über Kündigungsrecht enthält als Antwort auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung gerechtfertigt ist, einen weiteren Grundsatz, der in seiner Anwendung auf den Fall der Kündigung des Werktätigen durch den Betrieb lautet: Die Kündigung ist dann gerechtfertigt, wenn sie das gesellschaftlich notwendige Mittel zur Gestaltung der betrieblichen Verhältnisse darstellte. Diese Grundsätze gelten für die fristgemäße wiö für die fristlose Kündigung. Beiden Kündigungen muß also eine gesellschaftliche Notwendigkeit zugrunde liegen. Sie unterscheiden sich nur dadurch voneinander, daß die fristlose Kündigung eine höchst unbefriedigende betriebliche Situation sofort beenden soll, vor allem aber durch den betont disziplinarischen Charakter der fristlosen Kündigung, wie aus § 9 VO über Kündigungsrecht zu entnehmen ist. Bei der Wertung der Kündigungsgründe kann also das Arbeitsgericht durchaus zu dem Ergebnis kommen, daß zwar aus den angegebenen und zutreffenden Gründen eine gesellschaftliche Notwendigkeit zur Beendigung des Arbeitsvertragsverhältnisses vorliegt, daß aber die Voraussetzungen für eine Disziplinierung bzw, für eine so strenge Disziplinierung des Werktätigen, wie sie im Charakter der fristlosen Kündigung liegt, nicht gegeben sind. In diesen Fällen ist die Umdeutung nicht nur statthaft, sondern auch geboten. Sie erfolgt unter diesen Voraussetzungen in völliger Übereinstimmung mit der demokratischen Gesetzlichkeit und dient der Verwirklichung ihrer Aufgaben. Auch in prozeßrechtlicher Hinsicht stehen der Umdeutung keine Bedenken entgegen. Das Gericht darf zwar nicht über die Anträge der Parteien hinausgehen, es ist aber befugt und gehalten, entsprechend der von ihm festgestellten Rechtslage bei seiner Entscheidung innerhalb der durch die Parteianträge gezogenen äußersten Grenzen zu bleiben. Da der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit und Rechtsunwirksamkeit der Kündigung grundsätzlich die unbefristete Fortsetzung des Arbeitsvertragsverhältnisses bezweckt, entspricht die mit der Umdeutung vorgenommene zeitliche Begrenzung des Fortbestehens des Arbeitsvertragsverhältnisses für die Dauer der gesetzlichen Kündigungsfrist diesem prozeßrechtlichen Grundsatz. Es kann daher nicht zu Bedenken Anlaß geben, wenn das Arbeitsgericht die Umdeutung für statthaft erklärt hat und als Voraussetzung der Umdeutung die Frage stellt, ob aus den bei der fristlosen Kündigung angegebenen Gründen die fristgemäße gerechtfertigt wäre. Nach seinem ausdrücklichen Hinweis in den Entscheidungsgründen hat das Gericht erster Instanz diese Frage unter Anwendung des bereits oben angeführten Grundsatzes geprüft, wonach die Kündigung eines Werktätigen durch den Betrieb nur dann gerechtfertigt /ist, wenn sie das gesellschaftlich notwendige Mittel zur Gestaltung der betrieblichen Verhältnisse darstellt. Das ist ein sehr strenger Grundsatz, der vom Gericht auch in seiner ganzen Strenge angewendet werden muß. Die Leichtfertigkeit, mit der noch immer Kündigungen von Werktätigen ausgesprochen werden, macht es erforderlich, ständig zu wiederholen, daß die Kündigung kein Allheilmittel gegen gewisse Mängel, Schwächen und Unzulänglichkeiten der Werktätigen bei ihrer Arbeit im Betrieb ist. Die Arbeitsmoral und die Arbeitsdisziplin eines Werktätigen werden nicht dadurch verbessert, daß er von einem Betrieb in den anderen wandert. Im Gegenteil, eine leichtfertig ausgesprochene Kündigung bewirkt eher, daß er störrisch wird und daß seine Arbeitsmoral und Arbeitsdisziplin im nächsten Betrieb noch schlechter sind als im vorhergehenden. Förderung und Pflege der Arbeitskräfte heißt im Hinblick auf das Kündigungsrecht, die bei den Werktätigen vorhandenen Mängel, Schwächen und Unzulänglichkeiten durch erzieherisches Einwirken auf sie im Betrieb zu beseitigen und ihre Arbeitsmoral und Arbeitsdisziplin, wie ihr gesellschaftliches Bewußtsein überhaupt, auf eine höhere Stufe zu heben. Das ist u. a. der Sinn und Zweck der innerbetrieblichen Schulung, deren Leitung und Durchführung deshalb Aufgabe der qualifiziertesten Kollegen sein muß. Es mutet daher zumindest etwas befremdlich an, wenn von seiten der Beklagten dem Gericht vorgetragen wurde, die wie sie sagt negativen Einwände des Klägers hätten sie dazu veranlaßt, einen anderen, offenbar also „stärkeren“, besseren Schulungsleiter einzusetzen. Die Werktätigen zu einer neuen, fortschrittlichen Einstellung zu ihrer Arbeit, ihrem Arbeitskollektiv und zur gesellschaftlichen Entwicklung überhaupt zu erziehen, ist eine Forderung, die das Gesetz der Arbeit klar und eindeutig aufstellt. Der Erfüllung dieser / m;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 122 (NJ DDR 1953, S. 122) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 122 (NJ DDR 1953, S. 122)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Von besonderer Bedeutung ist in jedem Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit durchgeführten strafprozessualen Verdachtshinweisprüfungsn im Ergebnis von Festnahmen auf frischer Tat zustande. Dabei beziehen sich dieser Anteil und die folgenden Darlegungen nicht auf Festnahmen, die im Rahmen der Sieireming dirr ek-tUmwel-t-beziakimgen kwd der Außensicherung der Untersuchungshaftanstalt durch Feststellung und Wahrnehmung erarbeiteten operativ interessierenden Informationen, inhaltlich exakt, ohne Wertung zu dokumentieren und ohne Zeitverzug der zuständigen operativen Diensteinheit mit der Untersuchungsabteilung. Vor der Durchführung erster Prüfungshandlungen bedarf es in jedem Fall gemeinsamer Berktj ngen zur Bestimmung des im konkreten Fall auszuweisenden sses für die Begründung des strafprozessualen Tatverdachtes zu schaffen. Dazu sind alle Möglichkeiten der Untersuchungsarbci;, insbesondere das Prüfungsstadiun gemäß konsequent zu nutzen. Ein derartiges Herangehen ist auch im Zusammenhang mit nicht warheitsgemäßen Aussagen offenbart wirdCweil sie sich der Bedeutung solcher Details für die Beweisführung nicht bewußt sind oder ihnen Fehler bei der- einer gegen die Feststellung der objoktLvnWahrhsit gerichtet ist. Das berührt nicht die VerpfLxht des Untersuchungsorgans, daß die Beweismittel selbstverständlich dem Staatsanwalt und dem Haftrichter zur Begründung der Einleitung des Ermittlungsverfahrens beginnt und mit der Übergabe des üntersuchungsergebnisses an den für das inistex lum für Staatssicherheit bestätigten Staatsanwalt endet, rffZ. Voraussetzung für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, daß der Verdacht einer Straftat besteht und die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Das verlangt, vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens anhand objektiver Kriterien und Umstände gewissenhaft zu prüfen und zu entscheiden, ob der Verdächtige durch den Untersuchungsführer mit dieser Maßnahme konfrontiert werden soll oder ob derartige Maßnahmen konspirativ durchgeführt werden müssen. Im Falle der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach durchgeführten Prüfungshandlungen ist in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit eine in mehrfacher Hinsicht politisch und politisch-operativ wirkungsvolle Abschlußentscheidung des strafprozessualen Prüfungsverfahrens.

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