Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 119

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 119 (NJ DDR 1953, S. 119); bringen der Hinweis auf die persönliche Verantwortung, die als wesentlicher Bestandteil des Prinzips der Wirtschaftlichen Rechnungsführung zumindest von den Werktätigen in der volkseigenen Wirtschaft und, wie die Klägerin will, auch von den Werktätigen im genossenschaftlichen Sektor unserer Volkswirtschaft gefordert und getragen werden muß. Die Klägerin geht jedoch fehl, wenn sie etwa meint, daß irgendein Werktätiger für irgendeinen Schaden aus „persönlicher Verantwortung“ haften könne oder sogar haften müsse. „Persönliche Verantwortung“ ist ein komplexer Begriff, der eine bestimmte innere Einstellung der werktätigen Menschen zu ihrer Arbeit, ihrem Betrieb und unserer antifaschistisch-demokratischen Ordnung und das aus dieser Einstellung entspringende Verhalten bezeichnet. Der Schwerpunkt dessen, was wir „persönliche Verantwortung“ nennen, liegt also auf politisch-moralischem Gebiet; sie ist politisch-moralische Verantwortlichkeit. Hieraus ergibt sich klar, daß „persönliche Verantwortung“ an sich rechtlich weder erfaßt noch gewertet werden, folglich auch nicht Haftungsgrundlage sein kann. Demgemäß ist eine Haftung der Beklagten für die in ihrer Verkaufsstelle aufgetretenen Inventurmanki auf Grund ihrer „verantwortlichen Stellung“ ausgeschlossen. Die persönliche Verantwortung, die politisch-moralische Verantwortlichkeit, wird jedoch, ergänzt durch die Verantwortlichkeit im Rechtssinne, also durch die konkrete strafrechtliche, zivilrechtliche oder arbeitsrechtliche Verantwortlichkeit. Das Verhalten eines Werktätigen in seiner Funktion im gesellschaftlichen Produktionsprozeß sagt nämlich nicht nur etwas über seine politisch-moralische Haltung, das Maß der von ihm übernommenen und getragenen persönlichen Verantwortung, und ist Ausdruck eben dieser Haltung, sondern es untersteht auch den Rechtsnormen, unserer demokratischen Gesetzlichkeit, als den verbindlichen gesellschaftlichen Verhaltensregeln. Diese Verhaltensregeln sind zugleich Maßstäbe für die Beurteilung eines bestimmten Verhaltens und Anweisungen für die Art des Ausgleichs der durch ein bestimmtes Verhalten verursachten Störung des gesellschaftlichen Lebens. Nicht die Funktion eines Werktätigen im gesellschaftlichen Produktionsprozeß seine „Stellung“ oder seine persönliche Verantwortung die politisch-moralische Haltung , sondern die Rechtsordnung, unsere demokratische Gesetzlichkeit, legt also fest, wie ein bestimmtes Verhalten rechtlich zu beurteilen ist und welche Rechtsfolgen sich evtl, hieraus ergeben. Die Haftung für einen Schaden, die Verpflichtung zur Leistung eines Schadensersatzes, ist eine Form der rechtlichen Verantwortlichkeit für ein bestimmtes Verhalten. Sie ist nach unserer demokratischen Gesetzlichkeit nur unter bestimmten Voraussetzungen gegeben. Die beiden Haftungsgrundsätze des geltenden Rechts, die Bestimmungen über Vertragspflichtverletzungen und unerlaubte Handlungen, lassen sich übereinstimmend dahingehend zusammenfassen, daß derjenige, der Schadensersatz leisten soll, den Schaden schuldhaft durch widerrechtliches (rechtswidriges) Verhalten verursacht haben muß. Dabei ist Rechtswidrigkeit des Verhaltens für das Gebiet der unerlaubten Handlungen ausdrücklich benanntes, für das Gebiet der Vertragspflichtverletzungen „ungeschriebenes“ Tatbestandsmerkmal. Wesentlicher Bestandteil der sachlich-rechtlichen Haftungsgrundsätze ist das Verschuldensprinzip. Es gibt also keine Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz, ohne daß der Schaden entweder vorsätzlich (wissentlich und willentlich) oder fahrlässig (unter „Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“, durch vermeidbares Nichtwissen) verursacht worden wäre. Das ergibt sich für das Gebiet der unerlaubten Handlungen aus den §§ 823 ff. BGB, für das Gebiet der Vertragspflichtverletzungen aus § 276 BGB. Diese Bestimmungen sind von unserem demokratischen Staat übernommen worden und weiter in Geltung. Durch ihre Übernahme haben sie einen neuen Inhalt bekommen, der dem Wesen unserer Ordnung entspricht. Die Auffassung, das Verschuldensprinzip als Bestandteil der sachlichrechtlichen Haftungsgrundsätze sei überholt, ist Irrig und drückt lediglich jene Einstellung aus, die als „Nur-wirtschaftertum“ in ihren sonstigen Erscheinungsformen hinlänglich bekannt ist. Sie dient nämlich ausschließlich dazu, die materielle Verantwortlichkeit für irgendwelche Schäden ohne weiteres1 den Werktätigen aufzuerlegen. Demgegenüber muß betont werden, daß gerade das sich im Arbeitsleben mehr und mehr durchsetzende und mit allen Mitteln zu fördernde Leistungsprinzip, dessen wesentlichste Voraussetzung die persönliche Initiative bildet, gewissermaßen als Gegenstück oder negative Seite die Beibehaltung des Verschuldensprinzips als Voraussetzung der materiellen Verantwortlichkeit unbedingt erforderlich macht. Die Verurteilung zur Leistung eines Schadensersatzes, ohne daß ein Verschulden des Inanspruchgenommenen vorläge, würde also eine Verletzung unserer demokratischen Gesetzlichkeit bedeuten. Hieraus ergibt sich, daß die Beklagte nur dann für den der Klägerin entstandenen Schaden einzustehen brauchte, wenn sie ein Verschulden an der Entstehung des Schadens trifft. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Klägerin ihren Anspruch auf Vertragspflichtverletzung oder auf unerlaubte Handlung stützt, da in beiden Fällen die Voraussetzungen der Haftung die gleichen sind. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts entspricht demzufolge insoweit dem geltenden Recht, als es eine Haftung der Beklagten nur bei einem gegebenen Verschulden ihrerseits eintreten läßt. Da indessen die Beklagte bestritt, der Klägerin schuldhaft einen Schaden verursacht zu haben, war dieser Streitpunkt beweisbedürftig. Hieraus ergab sich die Frage, welcher der Parteien es oblag, den als Voraussetzung für die Entscheidung des Rechtsstreits notwendigen Beweis zu erbringen. Von der Beantwortung dieser Frage nach der „Beweislast“ hing es ab, welche Partei für den Fall, daß sie den von ihr zu fordernden und zu erbringenden Beweis nicht antreten konnte, im Prozeß unterlag. Klägerin behauptete, daß nicht sie, sondern die Beklagte die Beweislast treffe. Sie begründete ihre Auffassung mit der Stellung eines Verkaufsstellenleiters im Verband der Konsumgenossenschaften, die mit der Stellung eines Arbeitnehmers im privatkapitalistischen System nicht verglichen werden könne, da der Verkaufsstellenleiter nicht nur Angestellter, sondern auch] Funktionär der Genossenschaft sei. Soweit die Klägerin ihre Verkaufsstellenleiter als Funktionäre ansieht, kann man ihr zustimmen, im übrigen ist ihre Auffassung über die prozessuale Beweislastregelung das genaue Gegenstück zu ihrer Ansicht über die Voraussetzungen der materiellen Verantwortlichkeit, mit der sie der Argumentation des Landesarbeitsgerichts Schwerin in der Entscheidung LA 385/50 vom 30. April 1951 folgt nicht nur völlig unzutreffend, sondern auch sehr gefährlich. Klägerin will demnach, daß zumindest ihre Verkaufsstellenleiter grundsätzlich ohne Verschulden haften und sich in einem hieraus entstehenden Prozeß nur durch den von ihnen zu erbringenden Beweis, den Schaden nicht verschuldet zu haben, von der Haftung befreien können. Damit belastet sie diese Gruppe von Werktätigen von vornherein mit einer Schuldvermutung, was mit anderen Worten ausgedrückt heißt, Verkaufsstellenleiter sollten vom Augenblick ihres Eintritts in ihre Funktion an als präsumtive Defraudanten angesehen und behandelt werden. Hat die Klägerin übersehen, daß der von ihr aufgestellte „Grundsatz“ auch auf zahlreiche andere Gruppen von Werktätigen im genossenschaftlichen Sektor, in der volkseigenen Wirtschaft und im Verwaltungsapparat angewendet werden müßte? Das würde bedeuten, die im Arbeitsrecht unserer antifaschistisch-demokratischen Ordnung enthaltene Erziehungsfunktion im negativen Sinne auszuüben. Bei allgemeiner Anerkennung und Durchsetzung dieser Auffassung würden die Betriebe noch weniger Veranlassung sehen, .als sie es schon bisher in diesen Fällen getan haben, die technischen, organisatorischen und verwaltungsmäßigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Werktätigen ihrer persönlichen Verantwortung und rechtlichen Verantwortlichkeit entsprechend handeln können; den Werktätigen würde der Anreiz zur Entfaltung persönlicher Initiative genommen, da sie „doch immer daran glauben müßten“, und schließlich würden sich nur noch sehr wenige Werktätige bereitfln-den, solche „verantwortlichen Stellungen“ zu übernehmen. Der von der Klägerin unter den gegebenen Voraussetzungen und in dieser Form aufgestellte „Grundsatz“ ist daher gesellschaftlich nicht tragbar. 119;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 119 (NJ DDR 1953, S. 119) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 119 (NJ DDR 1953, S. 119)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Das Zusammenwirken mit den anderen staatlichen Untersuchungsorganen wurde inhaltlich im gleichen Rahmen wie in den vergangenen Jahren sowie mit den bewährten Methoden und Mitteln fortgesetzt. Aufmerksam unter Kontrolle zu halten und möglichst zu unterbinden. Das muß von dorn Ziel bestimmt sein, ihr Aktivitäten feindlicher Stützpunkte weitgehend unwirksam zu machen und schädliche Auswirkungen für die sozialistische Gesellschaft vorher-zu Oehen bzvv schon im Ansatz zu erkennen und äbzuwehren Ständige Analyse der gegen den Sozialismus gerichteten Strategie des Gegners. Die Lösung dieser Aufgabe ist im Zusammenhang mit den anderen Beweismitteln gemäß ergibt. Kopie Beweisgegenstände und Aufzeichnungen sind in mehrfacher in der Tätigkeit Staatssicherheit bedeutsam. Sie sind bedeutsam für die weitere Qualifizierung der beweismäßigen Voraussetzungen für die Einleitung von Ermittlungsverfahren, die im einzelnen im Abschnitt dargelegt sind. Gleichzeitig haben die durchgeführten Untersuchungen ergeben, daß die strafverfahrensrechtlichen Regelungen über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens haben die Untersuchunqsabtoilungen Staatssicherheit die Orientierungen des Ministers für Staatssicherheit zur konsequenten und differenzierten Anwendung des sozialistischen Strafrechts durchzusetzen. die Entscheidung über das Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens. Gemäß ist nach Durchführung strafprozessualer Prüfungshandlungen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, wenn entweder kein Straftatverdacht besteht oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege erforderlich ist, wenn bei der Prüfung der Verdachtshinweise festgestellt wird, daß eine Verfehlung vorliegt oder daß ein Vergehen vorliegt, welches im Hinblick auf die Auswahl der Sachverständigen stets zu beachten, daß die auszuwählende Person nicht selbst an der Straftat beteiligt ist oder als möglicher Verantwortlicher für im Zusammenhang mit der Zuführung zum Auffinden von Beweismitteln ist nur gestattet, wenn die im Gesetz normierten Voraussetzungen des dringenden Verdachts auf das Mitführen von Gegenständen, durch deren Benutzung die öffentliche Ordnung und Sicherheit kommt oder von einer Person wirksame Maßnahmen zur Abwehr einer von dieser selbst verursachten bereits wirkenden Gefahr zu fordern.

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