Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1952, Seite 619

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 619 (NJ DDR 1952, S. 619); Dem verständlichen Verlangen der Beklagten, nach Einstellung der Kriegshandlungen in der Stadt zu verbleiben, in der sie geboren, in der sie geheiratet und ihr ganzes Leben bisher verbracht hatte, ihrem Wunsche, in ihrer Heimat eine eigene Existenzgrundlage zu finden, kam die Verordnung der Volksrepublik Polen vom 22. Oktober 1947 entgegen, die ihr die Möglichkeit gab, die polnische Staatsangehörigkeit zu erwerben. Damals auf sich selbst angewiesen, in Ungewißheit, ob und wann ihr Mann nach Hause zurückkehren werde, konnte sie nicht erst seine Stellungnahme zu der für sie lebenswichtigen Entscheidung abwarten. Der Beklagten Treuegelöbnis gegenüber dem polnischen Volk ist schon deshalb kein schuldhafter Beitrag zur Zerrüttung der Ehe, weil es für sich allein kein Hindernis zu errichten vermochte für die Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft der Parteien, sei es in der Heimat der Beklagten, sei es an einem von den Parteien später gemeinsam zu wählenden Wohnsitz. Seit der Niederwerfung des deutschen Faschismus durch die Rote Armee hat das polnische Volk sich einer fortschrittlichen Entwicklung zugewandt und baut in seinem Land den Sozialismus auf. Seitdem leben das polnische und das deutsche Volk in Harmonie und Völkerfreundschaft, nicht getrennt, sondern verbunden durch die gemeinsame Oder-Neiße-Friedensgrenze. Alle diese Gesichtspunkte läßt der Schuldausspruch des Amtsgerichts gegen die Beklagte außer Betracht. Er verletzt damit die Bestimmung des § 15 VO über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau vom 13. Oktober 1950 und der §§ 43, 48 und 53 Abs. 2 EheG. § 74 Abs. 4 EheG; Art. 31 der Verfassung. Die Entscheidung darüber, welchem der geschiedenen Ehegatten das Sorgerecht hinsichtlich der minderjährigen Kinder zu übertragen ist, 1st ausschließlich auf die Frage abzustellen, bei welchem der früheren Gatten das Wohl des Kindes und seine Erziehung im Geiste der Demokratie besser gewährleistet ist. § 74 Abs. 4 EheG kann daher nur in den Fällen zur Anwendung gelangen, in denen die objektive Gewähr dafür gegeben ist, daß dieses Ziel bei beiden Eltern in gleicher Weise zu erreichen ist. Bezirksgericht Potsdam, Beschl. vom 9. Oktober 1952 4 T 94/52. Der fünfjährige Sohn der Parteien befindet sich seit einer Reihe von Jahren bei dem Vater, dem d'e Mutter, als sich die Eheleute voneinander trennten, das Kind überlassen hatte. Nach Scheidung der Ehe hat das AG in P. durch Beschluß vom 10. März 1952 das Sorgerecht dem Vater übertragen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Mutter hat das Bezirksgericht in Potsdam zurückgewiesen. Aus den Gründen: Die Ausführungen der Beschwerde stützen sich im wesentlichen auf den Wortlaut des § 74 Abs. 4 EheG. Die von der Beschwerdeführerin vertretene Ansicht, daß dem für allein schuldig erklärten Ehegatten das Sorgerecht nur ausnahmsweise, wenn ganz besondere Gründe vorliegen, übertragen werden kann, stützt sich, wenn es auch an ausdrücklichen Zitaten fehlt, offensichtlich auf die ältere Rechtsprechung aus der Zeit vor dem Jahre 1945 sowie auf Entscheidungen westdeutscher Gerichte aus den letzten Jahren. Die Beschwerdeführerin übersieht dabei, daß auch die Vorschrift des § 74 EheG unter den gänzlich anders gelagerten Verhältnissen der Deutschen Demokratischen Republik einen neuen Inhalt bekommt. Vor allen Dingen übersieht die Beschwerde, daß nach Art. 31 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik die Erziehung der Kinder zu geistig und körperlich tüchtigen Menschen im Geiste der Demokratie nicht nur das natürliche Recht der Eltern, sondern insbesondere auch ihre oberste Pflicht gegenüber der Gesellschaft ist. Wenn es sich um die Erziehung und Betreuung von Kindern handelt, können also irgendwelche angeblichen Rechtsansprüche der Eltern keine entscheidende Rolle spielen. Es kommt einzig und allein darauf an, ob die zu treffende Maßnahme erwarten läßt, daß sie zur Erziehung der Kinder zu geistig und körperlich tüchtigen Menschen im Geiste der Demokratie beiträgt. Für die Beantwortung dieser Frage ist es aber vollkommen unerheblich, welcher Elternteil an der Zerrüttung der Ehe, aus der das Kind stammt, schuldig ist. Die Bestimmung des § 74 Abs. 4 EheG kann daher nur in den Fällen noch zur Anwendung gelangen, in denen die objektive Gewähr dafür gegeben ist, daß das gemäß Art. 31 der Verfassung anzustrebende Ziel sowohl bei dem einen als auch bei dem anderen Elternteil zu erreichen ist. Mit anderen Worten, der Grundsatz des Art. 31 unserer Verfassung geht dem Grundsatz des § 74 Abs. 4 EheG vor. Im vorliegenden Falle befindet sich das derzeit mehr als fünfiährige Kind schon eine Reihe von Jahren beim Vater. Die Mutter hat, wie sie selbst gar nicht bestreitet, das Kind, als die Ehe auseinanderging, selbst dem Vater übergeben. Die angestellten Ermittlungen zeigen eindeutig, daß das Kind bei seinem Vater in jeder Hinsicht gut aufgehoben ist. Selbst wenn die Erziehung und Betreuung des Kindes durch die Mutter, was nach den Ermittlungen allerdings sehr zweifelhaft ist, ebenso gut wäre wie beim Vater, so würde es dennoch bei der gegebenen Sachlage der Erziehung und Entwicklung des Kindes nicht förderlich sein, wenn es, nachdem es längere Zeit bei dem Vater und den väterlichen Verwandten verbracht und sich an diese gewöhnt hat, nunmehr aus dem bisherigen Lebenskreis herausgerissen und der mütterlichen Sorge übergeben würde. Eine solche pädagogisch und erzieherisch wenig wünschenswerte Maßnahme ließe sich nur dann rechtfertigen, wenn nach dem Ergebnis der Ermittlungen keine Zweifel darüber bestehen könnten, daß die Übergabe des Kindes an die Mutter seiner weiteren Erziehung und Entwicklung wesentlich förderlicher wäre, als dies beim Vater der Fall ist. Ein solches Ergebnis haben die Ermittlungen aber nicht gezeigt, so daß die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen werden muß. Anmerkung: In dem Verfahren, in welchem die obenstehende Entscheidung ergangen ist, sind die beteiligten Gerichte noch im Sorgerechtsverfahren tätig geworden, das nunmehr den zuständigen Organen der staatlichen Verwaltung Überträgen ist. Gleichwohl wird die Entscheidung veröffentlicht, da die Entscheidung über das Sorgerecht im Falle der Verbindung des Verfahrens mit dem Eheprozeß bei den Gerichten verblieben ist und für diese Entscheidungen die gleichen Grundsätze maßgebend sind wie für das selbständige Sorgerechtsverfahren. Die Redaktion Art. 5 des Familienrechtsänderungsgesetzes vom 12. April 1938. Die Vorschriften des Art. 5 des Familienrechtsänderungsgesetzes vom 12. April 1938 über die gerichtliche Aufhebung eines Adoptionsvertrages sind nicht mehr anwendbar. Bezirksgericht Potsdam, Beschl. vom 9. Oktober 1952 4 T 178/52. Aus den Gründen: Der Beschwerdeführer verlangt auf Grund des Familienrechtsänderungsgesetzes vom 12. April 1938 gerichtliche Aufhebung eines Adoptionsvertrages. Die Bestimmungen des vom Beschwerdeführer angezogenen Gesetzes über die gerichtliche Aufhebung von Adoptionsverträgen tragen typisch nazistischen Charakter und widersprechen dem Wesen des Adoptionsvertrages. Der Adoptionsvertrag soll der Natur der Sache nach zwischen den Wahleltern und den Wahlkindern die gleichen Beziehungen schaffen, wie sie zwischen leiblichen Eltern und ihren Kindern bestehen. Diesem Grundsatz widerspricht es völlig, wenn das zitierte Gesetz eine einseitige Aufhebung des Eltern-Kindesver-hältnisses vorsieht, wenn auch unter Mitwirkung des Gerichts. Wenn das Nazigesetz, ähnlich wie im Scheidungsrecht, eine Auflösung dieses Verhältnisses durch rechtsgestaltenden Gerichtsakt ohne Vertrag der Beteiligten vorsieht, so diente eine solche Ansicht ausschließlich der damaligen Rassenpolitik; sie entspricht aber keineswegs der Bedeutung der Familie in der Deutschen Demokratischen Republik (Art. 30 der Verfassung). Die Beschwerde war daher als unbegründet zurückzuweisen. 619;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 619 (NJ DDR 1952, S. 619) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 619 (NJ DDR 1952, S. 619)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1952. Die Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1952 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 15 vom 24. Dezember 1952 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 (NJ DDR 1952, Nr. 1-15 v. Jan.-Dez. 1952, S. 1-624).

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