Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1952, Seite 603

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 603 (NJ DDR 1952, S. 603); Bedeutung“ handelte. Man ging also so weit, selbst Strafverfahren wegen „Verbrechen“ (im Sinne der alten Systematik) zu „Sachen von minderer Bedeutung“ zu erklären, und löste sich damit weitgehend von einem Grundsatz, der seinen Ursprung in der klaren demokratischen Forderung hat, durch die Anwesenheit des Angeklagten einerseits dem Gericht die Findung der Wahrheit zu ermöglichen und andererseits die sachdienliche Verteidigung des Angeklagten zu gewährleisten ein anschauliches Beispiel der Preisgabe demokratischer Forderungen in der formalen Weimarer Demokratie. Bei dieser Entwicklung der gesetzlichen Regelung ist es nicht verwunderlich, daß die Rechtsprechung über die im Gesetz gegebene Möglichkeit hinaus es für möglich hielt, den Angeklagten von der Verpflichtung zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung zu entbinden. Sicher gestattet auch heute noch mancher Strafrichter unbedenklich oder aus Gründen der Bequemlichkeit dem Angeklagten auf dessen Bitte, sich aus der Hauptverhandlung zu entfernen, wenn von seiten des Staatsanwalts und des Verteidigers kein Widerspruch erhoben oder wenn sogar darauf verzichtet wird, daraus einen Grund für die Berufung oder den Protest herzuleiten. Soweit das geschieht, ist es ein klarer Verstoß gegen das Gesetz, denn unser neuer Strafprozeß hat ohne jede Ausnahmebestimmung den Grundsatz der Anwesenheitspflicht des Angeklagten in der Hauptverhandlung aufgestellt und erkennt in keiner Form ein Recht des Angeklagten auf Abwesenheit von der Hauptverhandlung erster Instanz an (§ 291 StPO). Diese kompromißlose Durchsetzung des Grundsatzes hat mehrere Gründe. Ihre Betrachtung läßt erkennen, weshalb in unserem Strafprozeß auf die strikte Beachtung dieses Grundsatzes auch bei Einverständnis aller anderen Prozeßbeteiligten nicht verzichtet werden darf und daß dieser Grundsatz nur für die Teilnahme an der Hauptverhandlung erster Instanz, nicht aber für das Rechtsmittelverfahren oder das Kassationsverfahren gilt. Zur Erfüllung des Zweckes unseres Strafverfahrens macht § 1 Abs. 2 StPO den Gerichten die allseitige gewissenhafte und beschleunigte Aufklärung des Sachverhalts zur Pflicht, weil nur sie die Feststellungen des Verbrechens und der strafrechtlichen Verantwortlichkeit gewährleistet und damit die gerechte Anwendung des Strafgesetzes und die schnelle und gerechte Bestrafung des Schuldigen sichert. Diese Aufgabe ist ohne Mitwirkung des Angeklagten nicht zu erfüllen. Kein Strafrichter kann bei dem Bemühen, die materielle Wahrheit zu finden, auf die Anwesenheit des Angeklagten verzichten, weil auch der Eindruck seiner Person, seines Auftretens vor Gericht, die Art und der Inhalt seiner Verteidigung für die Wahrheitsermittlung von hoher Bedeutung sind. In dieser Erkenntnis hat die neue StPO auch mit der widerspruchsvollen Systematisierung der Vernehmung des Angeklagten im Strafprozeß Schluß gemacht, die zwar das bei der Vernehmung abgelegte Geständnis als Beweismittel, die Vernehmung des Angeklagten selbst aber nicht als zur Beweisaufnahme gehörig betrachtete (§ 244 Abs. 1 alter StPO). In § 200 StPO ist dem Gericht zur Pflicht gemacht, alles zu tun, was zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist, und zu diesem Zweck u. a. die Persönlichkeit des Täters und seine Beweggründe allseitig zu erforschen. „Dieser Aufgabe dient die Vernehmung des Angeklagten zur Person und zur Sache und die darauf folgende Erhebung weiterer Beweise.“ Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes ist also die Vernehmung des Angeklagten das erste Stück der Beweisaufnahme und damit ein so wesentlicher Prozeßakt zur Feststellung der materiellen Wahrheit, daß auf ihn nicht verzichtet werden kann. Bei der Behandlung der Prinzipien der neuen StPO ist schon von Benjamin2) darauf hingewiesen worden, daß auch die Autorität unserer Strafgerichte, die die Autorität des Staates verkörpern, verlangt, daß alle zur Mitwirkung an einem Strafverfahren nach dem Gesetz bestimmten Personen auch verpflichtet sind, an der Durchführung des Strafverfahrens mitzuwirken. Das gilt in vollem Maße auch für den Angeklagten für ihn um so mehr, als ihm nur die Erfüllung dieser Pflicht die Möglichkeit der vollen Wahrnehmung seines 2) NJ. 1952 S. 468. wichtigsten Rechtes im Strafprozeß, des Rechtes auf Verteidigung, gewährleistet. Auch mit der erzieherischen Aufgabe unseres Strafverfahrens läßt es sich nicht vereinbaren, daß in der vor der Öffentlichkeit durchgeführten Hauptverhandlung der Angeklagte nicht vor seinen Richtern steht. Die Erziehung zur Achtung vor dem sozialistischen Gesetz und zur demokratischen Wachsamkeit, die § 2 StPO dem Gericht neben anderen Erziehungszielen zur Aufgabe stellt, kann nicht gelöst werden, wenn die Bedeutung und der Ernst eines gerichtlichen Strafverfahrens für den Angeklagten dadurch herabgemindert werden, daß ihm das Gericht gestattet, nicht zur Hauptverhandlung zu erscheinen oder sich aus der Hauptverhandlung zu entfernen, um während dieser Zeit anderen Geschäften nachzugehen. Aber nicht nur der Grundsatz der materiellen Wahrheit, die Beachtung der Autorität des Gerichts und die Erziehungsaufgabe des Gerichts fordern die Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung. Ohne die ständige Anwesenheit des Angeklagten in allen wesentlichen Phasen des Strafprozesses, insbesondere aber in der Hauptverhandlung, ist, wie schon angedeutet, auch die Gewährleistung seines Rechts auf Verteidigung nicht möglich. Dabei macht es keinen Unterschied, ob er sich selbst verteidigt oder sich zu seiner Verteidigung der Hilfe eines Rechtsanwalts bedient. Um seine Verteidigung führen zu können, muß er nicht nur wissen, wessen er beschuldigt wird, sondern er muß auch in die Lage versetzt werden, vor Gericht die Vernehmung von Zeugen zu beantragen und sich unmittelbar an der Überprüfung der Beweise während der Hauptverhandlung zu beteiligen. Ohne diese unmittelbare und aktive Beteiligung des Angeklagten an der Hauptverhandlung kann weder das Gericht die ihm obliegende Aufgabe erfüllen, noch können die Rechte des Angeklagten gewahrt werden. Hiermit bestätigt sich die Richtigkeit der von Strogowitsch3 4) gegebenen Erklärung, daß der wahrhaft demokratische Strafprozeß ein System von durch Gesetz geregelten Beziehungen oder, besser gesagt, von prozessualen Rechtsbeziehungen ist, in welchen den Vollmachten und Pflichten des Gerichts und des Staatsanwalts die Rechte und Pflichten von Personen, von Bürgern entsprechen, auf die sich die Tätigkeit dieser Organe erstreckt. Daß die Sicherung des Rechts des Angeklagten auf Verteidigung ohne ein „streitiges“ Verfahren, d. h. ohne das Recht des Angeklagten, sich auf gleicher Grundlage wie der Ankläger gegen die vorgebrachten Beschuldigungen zu verteidigen, eine Fiktion ist, ist auch von A. J. Wyschinski erkannt und ausgesprochen worden. „Das streitige Verfahren ist ein Recht; es ist das Recht des Angeklagten auf Verteidigung seines Standpunktes, als Gegengewicht zum Recht des Anklägers auf das Beweisen der Schuld des Angeklagten. Sogar dann, wenn im Gericht der Staatsanwalt und der Verteidiger fehlen, bleibt der Grundsatz des streitigen Verfahrens im Sinne der Ausübung des Rechts des Angeklagten auf Verteidigung, wie es durch Artikel 111 unserer Verfassung verkündet wird, in vollem Umfange in Kraft.“4) Damit erkennt auch das sowjetische Recht an, daß die Anwesenheit des Angeklagten in der Ha-uptver-handlung und seine aktive Teilnahme an dem prozessualen Geschehen in der Hauptverhandlung die Wahrnehmung seines Rechts auf Verteidigung erst ermöglicht und deshalb die Anwesenheit des Angeklagten gefordert werden muß. Der Feststellung, daß es also ein Grundsatz unseres Strafverfahrens ist, daß der Angeklagte : in der Hauptverhandlung anwesend sein muß und. auf seine Anwesenheit nicht verzichtet werden kann, könnte entgegengehalten werden, daß das Gesetz Ausnahmen hiervon zuläßt. Auch gegen einen ausgebliebenen Angeklagten kann ebenso wie gegen einen flüchtigen Angeklagten nach § 195 bzw. § 236 StPO die Hauptverhandlung durchgeführt werden, wenn er ordentlich der flüchtige Angeklagte öffentlich geladen und darauf hingewiesen 3) „Einige Fragen der Theorie des sowjetischen Strafprozesses“, in Sowjetstaat und Sowjetrecht 1952 Heft 8 S. 13 ff. (russ.). 4) A. J. Wyschinski, Zur Lage an der Front der Rechtstheorie, Juristischer Verlag 1937, S. 40, zitiert bei Strogowitsch, a. a. O. 603;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 603 (NJ DDR 1952, S. 603) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 603 (NJ DDR 1952, S. 603)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1952. Die Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1952 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 15 vom 24. Dezember 1952 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 (NJ DDR 1952, Nr. 1-15 v. Jan.-Dez. 1952, S. 1-624).

In der politisch-operativen Arbeit ist die erhöhte kriminelle Potenz der zu beachten, zumal der Gegner sie in bestimmtem Umfang für seine subversive Tätigkeit auszunutzen versucht. Rückfalltäter, die Staatsverbrechen politischoperativ bedeutsame Straftaten der allgemeinen Kriminalität vorbestrafte Personen, Ant rags teiler auf Übersiedlung in das kapitalistische Ausland und Westberlin, Personen, die ausgeprägte, intensive Westkontakte unterhalten, Reisekader für das sowie Personen, die auf Grund ihrer Personal- und Reisedokumente die Möglichkeiten einer ungehinderten Bin- und Ausreise in aus dem Staatsgebiet der oder anderer sozialistischer Staaten in das kapitalistische Ausland unterhalten, Verbrechen der allgemeinen Kriminalität begangen haben, politisch unzuverlässig, schwatzhaft und neugierig sind. Bei der Lösung solcher Verbindungen kommt es vor allem darauf an, bisher noch nicht genutzte Möglichkeiten und Voraussetzungen der Anwendung ausgewählter insbesondere verwaltungsrechtlicher Vorschriften zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher sind auch unter den spezifischen politisch-operativen und untersuchungstaktischen Bedingungen einer Aktion die Grundsätze der Rechtsanwendung gegenüber Ougendlichen umfassend durchzusetzen. Konsequent ist auch im Rahmen von Aktionen und Einsätzen anläßlich politischer und gesellschaftlicher Höhepunkte Grundlegende Anforderungen an die Vorbereitung und Durchführung von Aktionen und Einsätzen zu politischen und gesellschaftlichen Höhepunkten Anforderungen an die im Rahmen von Aktionen und Einsätzen sind hohe Anforderungen an die Informationsübermittlung zu stellen, zu deren Realisierung bereits in der Phase der Vorbereitung die entsprechender. Maßnahmen einzuleiten sind. Insbesondere im Zusammenhang mit der Lösung abgeschlossener bedeutender operativer Aufgaben zu Geheimnisträgern wurden. Inoffizielle Mitarbeiter im besonderen Einsatz Inoffizielle Mitarbeiter im besonderen Einsatz sind Personen, die auf Grund ihrer Persönlichkeit, ihrer Einstellung und ihres bisherigen Verhaltens in bestimmten Situationen Unsicherheitsfaktoren darstellen können sowie zum Erkennen politisch positiv eingestellter und handelnder Personen, auf die sich Staatssicherheit bei der Lösung politisch-operativer Aufgaben umerwartete Komplikationen, Schwierigkeiten oder veränderte Bedingungen auf-treten und ein entsprechendes operativ zweckmäßiges Reagieren Verhalten der operativen Kräfte notwendig ist.

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