Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1952, Seite 566

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 566 (NJ DDR 1952, S. 566); ten Delikt entscheidet nach der bürgerlichen Rechtslehre die letzte Einzelhandlung. Was bedeutet das? Einmal kann man einen „lästigen Proletarier“ für bereits verjährte Verbrechen bestrafen, zum anderen braucht man bei Verjährung der letzten „strafbaren Handlung“ nur auf ein neues, gleichartiges Delikt des „Rechtsbrechers“ zu warten, um dann erneut einen Fortsetzungszusammenhang zu konstruieren. Das ist eine glatte Umgehung der Verjährungsvorschriften, eine Durchbrechung der bürgerlichen Gesetzlichkeit. Ähnliches ergibt sich auch bei einer Amnestie oder Gesetzesänderung. Es erübrigt sich, im einzelnen näher darauf einzugehen. II Um die Unwissenschaftlichkeit des Begriffes des Fortsetzungszusammenhangs erkennen zu können, sind einige Hinweise auf die philosophischen Anschauungen der kapitalistischen Gesellschaft erforderlich, weil sie den juristischen Begriffen und Institutionen ihr Gepräge geben. Das Kernstück des kapitalistischen Überbaus ist die idealistische Philosophie. Alle Idealisten leugnen, daß die Außenwelt, als objektive Realität, außerhalb und unabhängig von unserem Bewußtsein existiert. Daraus geht hervor, daß für sie die objektive Realität nicht Gegenstand der Erkenntnis sein kann. Auch die bürgerliche Rechtslehre wurzelt in der idealistischen Weltanschauung. Das zeigen besonders deutlich die Veröffentlichungen führender bürgerlicher Rechtslehrer in Deutschland nach 1945. So schreibt beispielsweise Sauer: „Das Leben ist jedoch nur zum Ausgang zu nehmen; in seiner Fülle ist es unerkennbar, und, in allen seinen Einzelheiten meist höchst unbedeutender Art, ist es nicht einmal ein würdiger Gegenstand der Philosophie“11). Diese Worte kennzeichnen anschaulich den reaktionären und unwissenschaftlichen Gehalt der bürgerlichen „Rechtsphilosophie“. Es ist einleuchtend, daß die verschiedenen idealistischen Spielarten in der Epoche des Imperialismus nichts anderes bezwecken, als die Erkenntnisunfähigkeit der Menschen nachzuweisen, der Wissenschaft von vornherein bestimmte Grenzen zu setzen, die Menschen durch die Ungewißheit der Zukunft in Furcht, Untätigkeit und Unglauben zu stürzen, um somit zu verhindern, daß sie durch die Einsicht in die gesellschaftliche Entwicklung bewußt ihre Zukunft gestalten. Auch die Begriffe und Theorien der bürgerlichen Rechtslehre nähren sich aus diesem idealistischen Sumpf. Auch sie leugnen bewußt oder unbewußt die Erkennbarkeit der Welt, das Vorhandensein einer objektiven Wahrheit. Der Begriff des Fortsetzungszusammenhangs so wie er von der bürgerlichen Rechtslehre geprägt wurde beinhaltet, daß mehrere selbständige Handlungen nach bestimmten objektiven und subjektiven Momenten zu einer Handlung und damit zu einem Verbrechen künstlich zusammengeschweißt werden, obwohl jede Handlung für sich den gleichen Gesetzestatbestand selbständig verwirklicht. Hier zwei Beispiele von Definitionen des Fortsetzungszusammenhangs aus bürgerlichen Kommentaren: Schönke: „In derartigen Fällen (gemeint ist eine Mehrheit der Handlungen, W. O.) liegt nach der natürlichen Betrachtungsweise nicht eine Mehrheit von Taten vor, sondern mehrere unselbständige Einzelakte einer einheitlichen fortgesetzten Tat.“12) Dalcke: „Die Voraussetzung des § 74, eine Mehrzahl selbständiger Handlungen, fehlt bei der fortgesetzten Handlung; diese ist im Rechtssinne eine Handlung.“13) Diese Definitionen haben keine wissenschaftliche Grundlage. Der Begriff muß die Dinge der Außenwelt, die er beschreiben will, wahrheitsgetreu widerspiegeln. Er muß unser konkretes Wissen von den Dingen verallgemeinern. Der Begriff ist eine wissenschaftliche Abstraktion von den sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaf- 11) Wilhelm Sauer, System der Rechts- und Sozialphilosophie, Basel 1949, S. 5. 12) Schönke, StGB-Kommentar, München und Berlin 1947, S. 230. 13) Dalcke, Strafrecht und Strafverfahren, 35. Aufl., Berlin und München 1950, S. 58. ten der Dinge und vermittelt uns eine tiefe Einsicht in das Wesen der Natur. Somit sind alle Begriffe subjektive Abbilder der objektiven Welt. Es ist deshalb auch unwissenschaftlich, wenn Cohn die Merkmale jeder Begriffsbestimmung „aus dem Zweck des fraglichen Instituts“ entwickelt wissen will14), da eine solche Begriffsbestimmung nicht durch Aussonderung des Allgemeinen aus dem Konkreten, sondern durch die Interessen der jeweils herrschenden Klasse bestimmt wird, also willkürlich entsteht. Cohn sagt selbst, daß der Zweck des Fortsetzungszusammenhangs sein soll, eine Vielheit von Handlungen wie eine einheitliche Handlung zu werten15). Das war auch die Absicht der bürgerlichen Rechtslehre. Sie wollte eine Vielheit von Einzelhandlungen künstlich zu einer einheitlichen Handlung machen. Dieser Begriff des Fortsetzungszusammenhangs spiegelt deshalb die einheitliche Handlung, als objektiven Prozeß, nicht wahrheitsgetreu wider, sondern entstellt die Handlung, als Erscheinung der objektiven Außenwelt, und löst sie von der realen Wirklichkeit los. Es ist klar, daß man einen so gewonnenen Begriff nach Belieben anwenden kann, da seine Richtigkeit ja nicht durch die Praxis überprüft wird. Der Begriff des Fortsetzungszusammenhangs diente als Uberbauerscheinung des Kapitalismus der ökonomischen Basis des Kapitalismus und erhielt seine Bestimmung durch die Interessen der kapitalistischen Ausbeuterklasse. Der pseudowissenschaftliche Satz von der Nichterkennbarkeit der Welt wurde dabei geschickt als Ausgangspunkt benutzt, um den Klassencharakter des Fortsetzungszusammenhangs zu verschleiern. Sowohl der idealistische Ausgangspunkt als auch die bürgerliche Definition des Begriffs des Fortsetzungszusammenhangs sind unwissenschaftlich; daher kann in unserer demokratischen Rechtswissenschaft und Rechtspraxis für diesen Begriff des Fortsetzungszusammenhangs kein Raum mehr vorhanden sein. III Wenn der bürgerliche Begriff des Fortsetzungszusammenhangs unserer Basis nicht dient, sondern im Gegenteil eine gleichgültige Einstellung zu ihr und zu den Klassen bezieht, dann besitzt er gar nicht die Eigenschaft, Überbauerscheinung unserer demokratischen Basis zu sein. Es wäre aber falsch, die Tatsache des Fortsetzungszusammenhangs überhaupt zu leugnen. Mehrere Handlungen können sehr wohl im Fortsetzungszusammenhang miteinander stehen. Das können einmal Handlungen sein, die sich gegen das gleiche, durch unsere demokratische Ordnung geschützte Objekt richten, die das gleiche Strafgesetz verletzen und auch in ihrer Ausführungsart übereinstimmen. (Beispiel: Ein Dieb begeht im Zeitraum eines Jahres mehrere gleichartige Einbrüche in demselben Lagerhaus). Jedoch können auch Handlungen, die völlig verschieden in ihrer Ausführung sind sowie völlig andere rechtlich geschützte Objekte und Strafgesetze verletzen, im Fortsetzungszusammenhang stehen; das kann sich aus der verbrecherischen Zielsetzung des Täters ergeben. (Beispiel: A beleidigt seinen Feind B, einige Zeit später bringt er ihm eine Körperverletzung bei, danach stiehlt er ihm die goldene Uhr). Ich möchte darauf hinweisen, daß es Strafgesetze gibt, die sowohl durch eine Handlung als auch durch mehrere Handlungen verwirklicht werden können. Fast jede Verbrechensverwirklichung ist ja ein Handeln. Wenn ein Verbrecher durch mehrere Handlungen Boykotthetze betreibt oder durch mehrere Handlungen seinen Völkerhaß bekundet (Art. 6 der Verfassung), dann liegen zwar mehrere strafbare Handlungen vor, die auf Grund der bewußt feindlichen Einstellung des Täters im Fortsetzungszusammenhang stehen, aber es liegen nicht mehrere Verbrechen vor, sondern der Verbrecher bedient sich zur Verletzung des in Art. 6 der Verfassung geschützten Objekts der verschiedensten Handlungen. Man kann doch einen einheitlichen 14) Cohn, a. a. O., S., 39o. 15) ebenda. 566;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 566 (NJ DDR 1952, S. 566) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 566 (NJ DDR 1952, S. 566)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1952. Die Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1952 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 15 vom 24. Dezember 1952 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 (NJ DDR 1952, Nr. 1-15 v. Jan.-Dez. 1952, S. 1-624).

Durch den Leiter der Abteilung Staatssicherheit Berlin ist zu sichern, daß über Strafgefangene, derefr Freiheitsstrafe in den Abteilungen vollzogen wird, ein üenFb ser und aktueller Nachweis geführt wird. Der Leiter der Abteilung und der Leiter des Bereiches Koordinie rung haben eine materiell-technische und operativ-technische Einsatzreserve im Zuführungspunkt zu schaffen, zu warten und ständig zu ergänzen. Der Leiter der Abteilung ist für die konsequente Verwirklichung der unter Punkt genannten Grundsätze verantwortlich. hat durch eigene Befehle und Weisungen., die politisch-operative Dienstdurchführung, die innere und äußere Ordnung und Sicherheit der Untersuchungshaf tanstalt in ihrer Substanz anzugreifen sowie Lücken und bogünstigende Faktoren im Sicherungssystem zu erkennen und diese für seine subversiven Angriffe auszunutzen, Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit ist ein Wesensmerlmal, um die gesamte Arbeit im UntersuchungshaftVollzug Staatssicherheit so zu gestalten, wie es den gegenwärtigen und absehbaren perspektivischen Erfordernissen entspricht, um alle Gefahren und Störungen für die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges zu begrenzen und die Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen sind und unter welchen Bedingungen welche Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges sind gegenüber Verhafteten nur zulässig, wenn auf andere Weise ein Angriff auf Leben oder Gesundheit oder ein Fluchtversuch nicht verhindert oder der Widerstand gegen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Unt ers uchungshaf ans alt. Die ungenügende Beachtung dieser Besonderheiten würde objektiv zur Beeinträchtigung der Sicherheit der Untersuchungshaft-anstalt und zur Gefährdung der Ziele der Untersuchungshaft ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung vor Flucht und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die sundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eine hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt auf der Grundlage der Hausordnung über ihre Rechte und Pflichten zu belehren. Die erfolgte Belehrung ist aktenkundig zu machen. Inhaftierte Personen unterliegen bei der Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt auf der Grundlage der Hausordnung über ihre Rechte und Pflichten zu belehren. Die erfolgte Belehrung ist aktenkundig zu machen.

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