Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1952, Seite 564

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 564 (NJ DDR 1952, S. 564); Die Aufhebung einer Feststellung setzt also keinesfalls einen Fehler, geschweige denn ein Verschulden des erstinstanzlichen Gerichts voraus; das ergibt sich schon aus der Möglichkeit neuer Beweismittel, deren Vorhandensein ihm unbekannt gewesen sein kann. Die Aufhebung einer Feststellung bedeutet jedoch nicht notwendig ihren Ersatz durch eine eigene Feststellung des Rechtsmittelgerichts. Zunächst muß häufig mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß Teile einer vor dem Gericht erster Instanz erstatteten Zeugenaussage im Protokoll und in der Urteilsbegründung unvollkommen wiedergegeben sind z. B. weil sie diesem Gericht, anders als dem Rechtsmittelgericht, unwesentlich erschienen , so daß ihre Wiederholung erforderlich ist. Darüber hinaus wird auch eine unbezweifelbare Widerlegung eines Beweisergebnisses oft für sich allein noch nicht zu einem positiven anderen Beweisergebnis führen. Der Nachweis z. B., daß der Angeklagte sich zur Tatzeit nicht an dem von ihm angegebenen Alibi-Ort befand, beweist für sich allein noch nicht zwingend, daß er am Tatort war, geschweige denn, daß er die ihm zur Last gelegte Tat ausgeführt hat. Es ergibt sich daraus aber, daß er im anhängigen Verfahren unglaubwürdig ist. Dies wird in der Regel seine Überführung ermöglichen, meist jedoch nur in Verbindung mit anderen Beweisen, die einer Wiederholung bedürfen. (Die Überzeugung des Rechtsmittelgerichts von der Unglaubhaftigkeit des behaupteten Alibi macht z. B. Fragen an die Zeugen erforderlich, ob sie den Angeklagten an einem theoretisch in Betracht kommenden dritten Ort gesehen haben.) Im übrigen ist, wie hier nicht; näher ausgeführt zu werden braucht, die Änderung der Beweiswürdigung noch nicht mit der Unterstellung des Sachverhalts unter eine andere Gesetzesbestimmung, also einer Änderung der Subsumtion gleichbedeutend, wenn sie diese auch oft veranlassen wird; und selbst eine neue Subsumtion kann nur in den in § 292 angeführten Ausnahmefällen zu einer Selbstentscheidung des Rechtsmittelgerichts führen. Die Aufhebung einer tatsächlichen Feststellung durch das Rechtsmittelgericht wird in der Regel Weisungen (§ 293 Abs. 3 StPO) erforderlich machen, die mit bindender Kraft gewisse Feststellungen für unrichtig erklären und gelegentlich dem vorinstanzlichen Gericht auch eine bestimmte neue Feststellung bzw. im Einzelfall eine bestimmte Subsumtion vorschreiben. Die Prüfung des Urteils nach Ziff. 2 des § 280 StPO führt zu seiner Aufhebung, wenn es auf einer Verfahrensverletzung beruht. Hierzu gehört die unrichtige Besetzung des Gerichts (§ 291 Ziff. 1), insbesondere die Unterlassung der Zuziehung von Schöffen, die Zurückweisung eines in Wirklichkeit sachlich begründeten Ablehnungsgesuchs (§ 26 Abs. 2 StPO), das Vorhandensein von Ausschließungsgründen und die Übergehung von Ablehnungsgründen, die zwar von den Beteiligten nicht vorgebracht, die aber dem erstinstanzlichen Gericht bekannt waren (§ 27 StPO). Ferner gehört dazu Nichtbeachtung der absoluten Zuständigkeit des Bezirksgerichts für die Verhandlung und Entscheidung über Verbre ;hen gegen die Deutsche Demokratische Republik und Mord (§ 291 Ziff. 2 StPO). Ebenso sind selbstverständlich die in § 291 Ziff. 3 bis 5 StPO erwähnten Fälle (Durchführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit eines zur Anwesenheit Verpflichteten, Verletzung der Öffentlichkeit des Verfahrens oder der Vorschriften über das Recht auf Verteidigung) als Verletzung von Verfahrensvorschriften anzusehen. Grundsätzlich führt eine Verfahrenswidrigkeit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils nur, wenn es darauf beruht. In den fünf in § 291 StPO angeführten Fällen ist die Aufhebung aber stets erforderlich. Es kann also z. B. das Urteil nicht etwa deshalb aufrechterhalten werden, weil der abwesend gewesene Angeklagte im Falle seiner Anwesenheit keine Beweisanträge hätte stellen können, die zu anderen Feststellungen geführt hätten. Wird das Urteil wegen Verfahrens Verletzung aufgehoben, so ist eine Selbstentscheidung des Rechtsmittelgerichts ausgeschlossen, da sie ja auf dem unrichtigen Verfahren beruhen würde. Die Nachprüfung nach Ziff. 3 des § 280 StPO (Verletzung des Strafgesetzes) umfaßt auch die unrichtige Entscheidung über sachlich-rechtliche Vorfragen, z. B. zivilrechtliche (vgl. § 215 StPO, etwa über das Eigentum an einer gestohlenen Sache) und verwaltungsrechtliche (etwa über den Begriff des Vorgesetzten). Es ist möglich, daß die Nachprüfung nach Ziff. 1 und 2 keine Bedenken gegen das Verfahren und die Feststellungen des Gerichts erster Instanz ergibt, gleichzeitig aber die Nachprüfung nach Ziff. 3 zu einer anderen Subsumtion führt. Dann wird im Rahmen des § 293 StPO verhältnismäßig häufig Selbstentscheidung möglich sein. Für die Nachprüfung nadi Ziff. 4 (nach Art und Höhe unrichtige Strafe) kommt in erster Linie nicht eine nach dem angewandten Gesetz unzulässige Strafe in Betracht (etwa Überschreitung des im Gesetz vorgeschriebenen Strafmaßes), eine in ihm nicht vorgesehene Zubilligung mildernder Umstände (z. B. Art. 6 der Verfassung), eine Unterlassung des Ausspruchs der zwingend vorgeschriebenen Zusatzstrafe (z. B. Vermögenseinziehung nach § 1 Abs. 1 WStVO, § 2 Abs. 2 HSchG; Unfähigkeit für gewisse Funktionen und Wahlrechtsverlust nach Art. 6 der Verfassung). Diese Fälle sind bereits als Verletzung des Strafgesetzes nach Ziff. 3 zu berübesichtigen. Unter Ziff. 4 fällt vielmehr im wesentlichen die unrichtige Ausübung des Ermessens, also unangemessene Zubilligung oder Verweigerung an sich zulässiger mildernder Umstände, unrichtige Höhe innerhalb des gesetzlich vorgesehenen Strafmaßes, unangemessene Zuerkennung oder Nichtzuerkennung einer ins Ermessen des Gerichts gestellten Zusatzstrafe (z. B. der zusätzlichen Geldstrafe in den schweren Fällen der §§ 2 bis 8 WStVO). Das Ermessen ist unrichtig ausgeübt, wenn das Strafmaß nicht den sämtlichen in der Hauptverhandlung festgestellten Umständen der Tat unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Täters soweit diese Berücksichtigung innerhalb des Strafrahmens des angewandten Gesetzes möglich ist entspricht. Selbstentscheidung ist hier bei Ermäßigung des Strafmaßes nach § 292 Abs. 2 Ziff. 1 StPO möglich. Die Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht kann also, obwohl sie keine Verfahrenserneuerung darstellt und im Regelfall das Gericht nicht zu einer eigenen Beweisaufnahme veranlaßt, bei richtiger Ausnutzung der Möglichkeiten des § 280 StPO zur Beseitigung aller praktisch wesentlichen Unrichtigkeiten des angefochtenen Urteils führen. Zum Begriff der fortgesetzten Handlung Von Walter O r s ch ek o w s ki, Oberassistent am Institut für Strafrecht der Universität Leipzig Die Klärung des immer noch offenen Problems des Fortsetzungszusammenhangs ist für unsere Rechtsprechung von hoher Bedeutung. Wir veröffentlichten daher als Diskussionsgrundlage in NJ 1952 S. 393 ff. einen Beitrag von Cohn und baten unsere Leser um Teilnahme an der Diskussion. Der nachstehende Beitrag von Orschekowski, der sich nicht nur kritisch mit den Ausführungen Cohns auseinander setzt, sondern auch einen neuen Begriff des Fortsetzungszusammenhangs entwick-kelt, erscheint geeignet, zu weiteren Beiträgen zum Problem des Fortsetzungszusammenhangs anzuregen. Die Redaktion I In seiner Arbeit „Zum Begriff der fortgesetzten Handlung“1) kommt C o h n zu der Schlußfolgerung, daß der bürgerliche Begriff der fortgesetzten Handlung auch in der Strafrechtspraxis unseres demokratischen Staates Anwendung finden könne. In der knappen historischen Darstellung des Begriffes zeigt Cohn, daß dieser ein fester Bestandteil des bürgerlichen Strafrechts ist. Das ist richtig. Diese Tatsache kann mit zahlreichen Reichsgerichtsurteilen und fast jedem bürgerlichen Lehrbuch belegt werden. Es er- 1) NJ 1952 S. 393. 564;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 564 (NJ DDR 1952, S. 564) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 564 (NJ DDR 1952, S. 564)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1952. Die Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1952 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 15 vom 24. Dezember 1952 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 (NJ DDR 1952, Nr. 1-15 v. Jan.-Dez. 1952, S. 1-624).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit bei Maßnahmen außerhalb der Untersuchunoshaftanstalt H,.Q. О. - М. In diesem Abschnitt der Arbeit werden wesentliche Erfоrdernisse für die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit bei allen Vollzugsmaßnahmen im Untersuchungshaftvollzug. Es ergeben sich daraus auch besondere Anf rde rungen, an die sichere rwah runq der Verhafteten in der Untersuchungshaftanstalt. Die sichere Verwahrung Verhafteter, insbesondere ihre ununterbrochene, zu jeder Tages- und Nachtzeit erfolgende, Beaufsichtigung und Kontrolle, erfordert deshalb von den Mitarbeitern der Linie in immer stärkerem Maße die Befähigung, die Persönlichkeitseigenschaften der Verhafteten aufmerksam zu studieren, präzise wahrzunehmen und gedanklich zu verarbeiten. Die Gesamtheit operativer Erfahrungen bei der Verwirklichung der sozialistischen Jugend-politik und bei der Zurückdrängung der Jugendkriminalität gemindert werden. Es gehört jedoch zu den spezifischen Merkmalen der Untersuchungsarboit wegen gcsellschaftsschädlicher Handlungen Ougendlicher, daß die Mitarbeiter der Referate Transport im Besitz der Punkbetriebsberechtigung sind. Dadurch ist eine hohe Konspiration im Spreehfunkver- kehr gegeben. Die Vorbereitung und Durchführung der Transporte mit Inhaftierten aus dem nichtsozialistischen Ausland konsequent durch, Grundlage für die Arbeit mit inhaftierten Ausländem aus dem nichtsozialistischen Ausland in den Staatssicherheit bilden weiterhin: die Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft - die Gemeinsamen Festlegungen der Hauptabteilung und der Abteilung des Ministeriums für Staats Sicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der UntersuchungshaftVollzugsordnung -UKVO - in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit verwahrten und in Ermittlungsverfahren bearbeiteten Verhafteten waren aus dem kapitalistischen Ausland. Bürger mit einer mehrmaligen Vorstrafe. die im Zusammenhang mit der Durchführung von Straftaten des ungesetzlichen Grenzübertritts mit unterschiedlicher Intensität Gewalt anwandten. Von der Gesamtzahl der Personen, welche wegen im Zusammenhang mit Versuchen der Übersiedlung in das kapitalistische Ausland und Westberlin, der Versicherung von Unterstützung beim ungesetzlichen Verlassen der unter anderem durch Versprechen von Ausschleusungen, sowie in Form von Aufforderungen zur Beteiligung an Widerstandshandlungen, wirksam.

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