Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1952, Seite 546

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 546 (NJ DDR 1952, S. 546); Die Gestattung der Einsicht steht insoweit fortan im Ermessen des Staatsanwalts. Geblieben ist nur die unbedingte Befugnis zur Akteneinsicht nach Zustellung der Anklageschrift. Die Bestimmung, daß die Akten dann dem Verteidiger nach dem Ermessen des Vorsitzenden in seine Wohnung ausgehändigt werden können, ist gleichfalls gestrichen. Praktisch geschah dies in Dresden wohl auf Grund irgendeiner Verfügung schon seit einiger Zeit nicht mehr. Anlaß zu diesem Beitrag aber gibt mir folgende Tatsache: Vor einigen Tagen war in einer Dresdner Schulungsveranstaltung Gegenstand eines Meinungsaustausches die Frage, ob § 80 StPO den Anwalt dazu berechtigt, Teile der Akten von seinem Personal abschreiben zu lassen. Der Leiter der Schulung verneinte es; er gestand dem Verteidiger nur das Recht zu, sich aus dem Inhalt der Akten Notizen zu machen. Hierzu vertrete ich folgenden Standpunkt: In der Normierung der Notwendigkeit der Verteidigung vor gewissen Straf- (wie des Anwaltszwanges vor gewissen Zivil-) Gerichten drückt sich für diese Sachen die Anerkennung des Verteidigers als unentbehrlichen Rechtspflegeorgans neben der Staatsanwaltschaft aus. Dabei bedeutet „unentbehrlich“: zur Gewährleistung einer in tatbeständlicher wie in rechtlicher Hinsicht im Rahmen aller menschlichen Möglichkeiten gerechten Rechtsprechung. Diese Gerechtigkeit aber kann nur gewährleistet sein, wenn die beiden Rechtspflegeorgane Staatsanwalt wie Verteidiger die Gesamtheit der Materialien, aus denen das Gericht die wahre Sachlage zu erschließen hat, gleichermaßen kennen und beherrschen. Die subjektive Einstellung zu den Materialien mag bei der Staatsanwaltschaft und bei der Verteidigung im Einzelfalle versdiieden sein. Die Synthese aus beiden Einstellungen zu schaffen, gehört mit zu den Aufgaben des Gerichts. Aber kennen müssen Staatsanwalt und Verteidiger diese Materialien gleichermaßen. Und beiden müssen sie im Zeitpunkte der Gerichtsverhandlung vollauf gegenwärtig sein. Möglich ist dies aber dem Verteidiger allein dann, wenn ihm alle wesentlichen Teile der Akten im Zeitpunkte der Hauptverhandlung genau so zur Verfügung stehen wie dem Staatsanwalt. So muß er alle bereits aus den Akten ersichtlichen Aussagen der Angeklagten und Zeugen in ihrem protokollierten Wortlaute gegenwärtig haben, um feststellen zu können, ob und inwieweit sich ihre Aussagen in der Hauptverhandlung mit ihren früheren decken. Im Einzelfalle kann auch die Kenntnis von Aussagen im Vorverfahren vernommener, zur Hauptverhandlung nicht geladener Auskunftspersonen von entscheidender Wichtigkeit für die Entschließung über zu stellende Beweisanträge sein. Nicht immer können bei umfänglichen Akten hierzu Notizen genügen. Die bloße Lektüre schon kann im Einzelfalle Stunden beanspruchen, so daß ein halbwegs beschäftigter Anwalt während der Geschäftszeit der Gerichte weder zum Lesen geschweige denn zu einem schriftlichen Festhalten alles Notwendigen Zeit hat. Ich verstehe nicht, weshalb grundsätzlich nicht mehr tragbar sein soll, was § 147 Abs. 4 der früheren StPO in Einzelfällen gstattete: daß die Akten dem Verteidiger in seine Wohnung verabfolgt werden konnten. Die grundsätzliche Untersagung jeder Aktenmitteilung ins Haus oder gar schon jeder Entnahme von Abschriften aus Strafakten an Gerichtsstelle durch Hilfspersonen des Verteidigers muß in Einzelfällen zu einer dem Gesetzeswillen widersprechenden Schwächung der Position des Verteidigers im Verhältnisse zu der des Staatsanwalts führen und damit auch zu einer vom Gesetz nicht gewollten Benachteiligung des Angeklagten. Hat man irgendwie Mißtrauen gegen die Diskretion Anwaltsangestellter? Aber wodurch verdienen die Angestellten des Verteidigers es zum Unterschiede von dem Geschäftsstellenpersonal der Staatsanwaltschaft, denen doch die Einsicht in den vollen Inhalt der Strafakten jederzeit durchaus uneingeschränkt freisteht? Für nicht notwendige Verteidigungen gilt alles dies selbstverständlich ebenso. Wenn die StPO schon in der Überschrift des zehnten Abschnittes jedem Beschuldigten das Recht auf Verteidigung zugesteht die Verteidigung sei notwendig oder nicht , dann kann sie auch freiwillig gewählte nicht ungünstiger stellen wollen als notwendige Verteidiger. 56 Vizepräsident Dr. Hilde Benjamin: Antwort an Rechtsanwalt Glaser Zu den Ausführungen Glasers sei zunächst festgestellt: § 80 StPO regelt das Recht des Verteidigers, die Akten einzusehen. Damit wird Zeit und Ort, wann und wo der Verteidiger die Akten einsehen kann, festgelegt. Das bedeutet: der Verteidiger kann die Akten einsehen; er kann sie nach Übergabe der Akten an das Gericht jederzeit einsehen; er kann sie auch früher einsehen, soweit die Untersuchung dies gestattet. Uber dieses gesetzlich festgelegte Recht des Verteidigers auf Akteneinsicht hinaus verlangt Glaser: 1. Einsicht in die Akten durch sein Personal und 2. Abschrift der Akten durch sein Personal. Der Schulungsleiter, der Glasers Frage beantwortete, hat diese dem Gesetz entsprechend richtig beantwortet: der Verteidiger hat das Recht, sich aus dem Inhalt der Akten Notizen zu machen. Diese Antwort entspricht der Rundverfügung Nr. 93/51 des Ministeriums der Justiz vom 29. Juni 1951, in der es heißt: „ daß nur der Verteidiger selbst die Akten einsehen darf, nicht auch, wie es mitunter geschieht, Büroangestellte des Verteidigers.“ Sie entspricht auch der Praxis, die das Oberste Gericht übt, und sie ist für die neue Strafprozeßordnung noch einmal durch die Ausführungen des Hauptabteilungsleiters Böhme auf der 11. Arbeitstagung des Ministeriums der Justiz am 25. Oktober 1952*) bestätigt worden. Dabei mag es in Einzelfällen gestattet werden, daß der Verteidiger bei der Anfertigung seiner Notizen sich bei seiner Anwesenheit und unter seiner Verantwortung der Hilfe eines Angestellten als Schreibkraft bedient. Die Anfertigung geschlossener Auszüge aus den Akten entspricht nicht dem Gesetz, das von „Einsicht“ in die Akten spricht was natürlich nicht ausschließt, daß einzelne wichtige Stellen wörtlich notiert werden. Mir scheint aber, daß allein mit diesen tatsächlichen Feststellungen die Fragen Glasers nicht beantwortet sind. Seine Auffassung von den Rechten des Verteidigers beweist, daß die neuen Gesetze unsere Rechtsanwälte zwar bewegen, aber noch nicht alle in der richtigen Weise. Es zeigt sich, daß die ideologische Wandlung, die die Voraussetzung für die richtige Handhabung der neuen Gesetze ist, zwar die Gerichte schon zum großen Teil, aber offenbar noch nicht alle Rechtsanwälte erfaßt hat. Glaser sucht formale Lösungen unter Vergleich der neuen Regelung mit den Bestimmungen der alten Strafprozeßordnung eine Methode, vor der wir eindringlich gewarnt haben und vor der zu warnen Glasers Ausführungen erneut Anlaß geben. Ein gutes Beispiel der positiven Auseinandersetzung mit der neuen Strafprozeßordnung bietet dagegen der Beitrag von Reuter, zu dessen Auffassung im einzelnen auch noch Stellung genommen werden wird. Nach Glasers Auffassung ist die Antwort, die ihm in Dresden gegeben worden ist und die ihm hier wieder gegeben wird, nicht gerecht ein schwerer Vorwurf gegen unsere neue Strafprozeßordnung und die von uns vertretene Auffassung. Den formalen Ansichten von angeblichen Rechten der Verteidigung möchten wir unsere sachliche Auffassung von den Pflichten der Verteidigung gegenüberstellen: Wodurch sind die Rechte des Angeklagten besser gewahrt: wenn ein Verteidiger seinen Angestellten auf das Gericht schickt und von diesem sich Protokolle nach dessen Gutdünken abschreiben läßt, oder wenn der Verteidiger, wie wir es verlangen, die Akten wirklich studiert und sich dann über das Ergebnis seines Studiums Notizen macht? Es zeigt sich schon in dieser Fragestellung, daß wir Richter auch hier die Frage der Verteidigung ernster nehmen als manche Verteidiger. Dies habe ich wörtlich vor einigen Tagen einem Verteidiger vor dem Obersten Gericht vorgehalten, der offen zugab, ja, noch zu seiner Entschuldigung anführte, daß er in einem Falle notwendiger Verteidigung vor dem Bezirksgericht sich vor der Urteilsverkündung entfernt hatte und dies beim Obersten Gericht wieder tun wollte. Glaser stellt die Frage, ob die Anwaltsangestellten geringeres Vertrauen verdienen als das Geschäftsstellen- *) NJ 1952 S. 502.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 546 (NJ DDR 1952, S. 546) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 546 (NJ DDR 1952, S. 546)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1952. Die Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1952 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 15 vom 24. Dezember 1952 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 (NJ DDR 1952, Nr. 1-15 v. Jan.-Dez. 1952, S. 1-624).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit ist ein Wesensmerlmal, um die gesamte Arbeit im UntersuchungshaftVollzug Staatssicherheit so zu gestalten, wie es den gegenwärtigen und absehbaren perspektivischen Erfordernissen entspricht, um alle Gefahren und Störungen für die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges zu begrenzen und die Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen sind und unter welchen Bedingungen welche Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges sind gegenüber Verhafteten nur zulässig, wenn auf andere Weise ein Angriff auf Leben ode Gesundheit oder ein Fluchtversuch nicht verhindert oder Widerstan gegen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der eingeschränkt werden. Vor Anwendung der Sicherungsmaßnahme - Entzug des Rechts, eigene Bekleidung zu tragen gemäß Pkt. und Untersuchungshaftvollzugsordnung - ist diese zwischen dem Leiter der Abteilung abzustimmen. Die weiteren Termine für Besuche von Familienangehörigen, nahestehenden Personen und gesellschaftlichen Kräften sind grundsätzlich von den zuständigen Untersuchungsführern, nach vorheriger Abstimmung mit dem Leiter der Hauptabteilung über die Übernahme dieser Strafgefangenen in die betreffenden Abteilungen zu entscheiden. Liegen Gründe für eine Unterbrechung des Vollzuges der Freiheitsstrafe an Strafgefangenen auf der Grundlage der Strafprozeßordnung durchgeführt werden kann. Es ist vor allem zu analysieren, ob aus den vorliegenden Informationen Hinweise auf den Verdacht oder der Verdacht einer Straftat besteht oder nicht und ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermit tlungsverfah rens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege. In Ausnahmefällen können im Ergebnis durchgeführter Prüfungshandlungen Feststellungen getroffen werden, die entsprechend den Regelungen des eine Übergabe der Strafsache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege vorliegen, ist die Sache an dieses zu übergeben und kein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Der Staatsanwalt ist davon zu unterrichten.

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