Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1952, Seite 536

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 536 (NJ DDR 1952, S. 536); aber nicht zu. § 14 Ziff. 1 des Währungsumstellungsgesetzes schließt die Forderungen gegen das Deutsche Reich von der Umstellung aus. Auch aus § 5 des Vorschaltgesetzes ergibt sich, daß diese Verbindlichkeiten des Reichs praktisch nicht ins Gewicht fallen. Ein Leistungsurteil kann nach einhelliger Meinung derzeit nicht ergehen. Erst neuerdings ist die Frage dadurch auf eine andere Ebene verlagert worden, daß der amerikanische Court of Restitution Appeals feststellte, daß trotz § 14 UmstG ein Leistungsurteil auf einen Geldbetrag in der Höhe ergehen kann, die sich für die als fällig festgestellten RM-Schulden in dem zukünftigen gesetzlichen Umstellungsverhältnis ergeben wird. Auch der Versuch, im Wege der Aufrechnung diese „Reichsverbindlichkeiten“ aufzulockern, zeichnet sich ab10). Es ist weiter zu bemerken, daß dem Problemkreis der „Reichsverbindlichkeiten“ bereits ein Zuwachs in der Gestalt der „NS-Verbindlichkeiten“ beigegeben wurde. Man hätte annehmen sollen, daß diese Frage gar nicht auftritt, aber die refaschisierenden Tendenzen der Gegenwart wirken sich auch hierbei aus. Die Erörterungen dieser Fragen geben zu den schwerwiegendsten Bedenken Anlaß, weil sie, losgelöst von der historischen Entwicklung und unter bewußter Verleugnung der Ausgangspunkte der Erklärung von Jalta und des Potsdamer Abkommens, eine gefährliche Gedankenreihe ansetzen. In zahlreichen Arbeiten habe ich seit 1946 immer wieder darauf hingewiesen, daß die NSDAP und alle ihre Gliederungen und Verästelungen „bis ins letzte Glied“ liquidationslos untergegangen, eben „ausradiert“ sind11). Diese ursprünglich von zahlreichen Gerichten gebilligten Untersuchungen werden heute in ihren Folgen immer mehr eingeschränkt. Man sucht für die NSDAP und die Vermögensträger dieser Gesellschaften „zu retten, was zu retten ist“. Die Gegenüberstellung der Rechtsprobleme zu dieser Frage ergibt somit ein lehrreiches Bild. Der Grund des Unterschiedes kann nicht in einer andersartigen Betrachtung der völkerrechtlichen Position oder in einer anderen Anwendung des Begriffes der debellatio auf die gegenwärtige Situation Deutschlands allein gefunden werden. Vom völkerrechtlichen Ansatzpunkt aus kann diese Inkongruenz überhaupt nicht ganz erhellt werden, denn sowohl Art. 25 des Bonner Grundgesetzes als auch Art. 5 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik setzen die allgemeinen (oder allgemein anerkannten) Regeln des Völkerrechts als Territorialrecht. Es ist daher müßig, von der Untersuchung der debellatio auszugehen, wie dies Kelsen, Stödter und auch das Kollektiv des Instituts für Völkerrecht12) unternehmen. Insoweit ist den Ausführungen von Meister13) voll beizupflichten. Die debellatio ist nicht die einzige völkerrechtliche Untergangsform eines Staates. Mit der Klärung dieser Frage ist daher im vorliegenden Fall kein zuverlässiges Ergebnis zu finden. Die Ablehnung des Vorliegens einer debellatio im konkreten Falle Deutschland bedeutet noch lange nicht die Anerkennung einer Identität der gegenwärtigen deutschen Staatlichkeiten mit dem früheren Deutschen Reich, insbesondere mit dem Hitler-Staat. Das deutsche Volk kann aus sich heraus sein staatliches Leben ändern und wechseln, ohne daß es einer debellatio des Staates bedarf. Es kommt aber auch nicht ausschlaggebend auf die Frage an, ob die „Alliierten den Fortbestand Deutsch- 10) Dieses Problem zeigt deutlich die Rechtszerrissenheit in einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Allein der Rüstungsindustrie ist es möglich, derzeit Reichsforderungen im Wege der Aufrechnung zu realisieren. Alle anderen Reichsgläubiger haben das Nachsehen. Dabei wird die Aufrechnung für diese privilegierten Gläubiger auch gegen die vom Reich kontrollierten und nur in enger Verbindung mit dem Reich gestandenen handelsrechtlichen Gesellschaften ebenfalls zugelassen. 11) Meine Ausführungen wurden in einem Rechtsstreit vor dem LG München mit der Bemerkung vom Gegner abgetan, daß eine Bezugnahme auf die Kommissarsgesetzgebung „eines gewissen Beigeschmacks in heutiger Zeit nicht ganz entbehre". Man geht deutlich von der Linie aus, daß die NSDAP noch besteht. Die Anerkennung der rechtlichen Existenz der NSDAP und die Anerkennung des Deutschen Reiches als völkerrechtlich fortbestehend beruhen auf den gleichen politischen Gedankengängen. 12) NJ 1952 S. 293. 13) NJ 1952 S 396. lands anerkennen“. In dieser Hinsicht möchte ich den Ausführungen Meisters nicht beitreten. Zahlreiche Alliierte erkennen z. Z. für die Staatlichkeit der Bundesrepublik stets und vollständig den Fortbestand Deutschlands als Staat an, betonen sogar diese Kontinuität, holen aus dieser Anerkennung völkerrechtlicher Natur zugleich aber die Anerkennung von früheren Schulden und Verpflichtungen heraus und legen dazu noch eine politische, ja geradezu erzpolitische Note hinein. Sie geben sogar und dies muß festgehalten werden dieser „Anerkennung“ die Kraft, das „fortbestehende Deutsche Reich“ als durch die Bundesrepublik vertreten anzusehen, und billigen diesem doch nur vorübergehenden Gebilde14) die völkerrechtliche Befugnis zu, für das „Ganze“ zu sprechen. Ansätze hierzu kann man in den von Mario Giuliano15) zusammengetragenen und bekämpften Lehrmeinungen finden. Giuliano deutet an, daß solche Thesen „ideologischpolitisch motiviert“ sind, und in diesem Teil der Explikation, wenn auch nicht im Endergebnis, kann Giuliano beigetreten werden. Die Anerkennung des Fortbestandes Deutschlands als Staat durch Alliierte ist für die Frage des gegenwärtigen völkerrechtlichen Status Deutschlands nur insoweit beachtlich, als die Voraussetzungen einer debellatio untersucht werden, nicht aber für die aus dem deutschen Volke selbst und aus seiner Willensentschließung unmittelbar resultierenden Gegebenheiten. Selbst wenn die Alliierten vollkommen einig den Fortbestand des Deutschen Reiches als Staat beschließen würden, könnte das deutsche Volk als Träger der Staatsgewalt etwas anderes ausführen, wenn ein souveräner deutscher Staat angenommen werden soll. Man darf den diesbezüglichen Annahmen der Alliierten nicht einen innerstaatlichen Wert beimessen, den diese Feststellungen gar nicht haben können. Keinesfalls kann man sie als Anerkenntnisse formal auf die staatsrechtliche Ebene verlagern, wie dies eine Entscheidung des Court of Restitution Appeals16) versucht. Ebenso darf Stalins Wort: „Die Erfahrungen der Geschichte bezeugen, daß die Hitler kommen und gehen, aber das deutsche Volk, der deutsche Staat bleibt“17), nicht formal als Anerkenntnis des Fortbestandes des Deutschen Reiches als solches aufgefaßt werden, sonst ergibt sich in dieser Hinsicht eine formale Übereinstimmung mit dem Satze des Court of Restitution Appeals18 19): „Hitler und seine Kohorten rissen 1933 durch gewisse Schachzüge die Macht an sich, um die Staatsgewalt für das deutsche Volk auszuüben. Das Deutsche Reich bestand fort.“ Mit Recht sagt das Oberste Gericht zu dem Wort Stalins: „Daß hiermit nicht die Kontinuität der Staatsform, sondern das Vorhandensein eines Staates überhaupt, also das Recht des deutschen Volkes auf Selbstbestimmung, auf Neukonstituierung als Staat gemeint ist, bedarf keiner Erörterung.“10) In dieser Erkenntnis findet sich die Lösung des ganzen Problems und der Grund der unterschiedlichen Urteilsfindung des untersuchten Themas. Die Deutsche Demokratische Republik ist eine solche Neu konstituierung der Staatlichkeit durch das deutsche Volk bzw. das deutsche Volk i n einer solchen Neu konstituierung, die westdeutsche Bundesrepublik dagegen nicht. Deshalb mußte in der Bundesrepublik die Rechtsprechung die Fortsetzung und die Rechtslehre die Identität annehmen. Das Oberste Gericht fährt zutreffend fort: „Für die Frage der Identität wie auch der Rechtsnachfolge ist die Analyse der Klassenstruktur entscheidend“. Ich habe bereits in einem Beitrag darauf hingewiesen, daß die Klassenstruktur der Bundesrepublik und die der Deutschen Demokratischen Republik vollkommen n) vgl. Präambel und Art. 146 des Bonner Grundgesetzes. 15) „La situazione attuale della Gerrfiania secondo il diritto internationale", Bologna 1949. 13) vgl. NJW/RzW 1951 S. 107 und/ meine von der Schriftleitung der NJW verstümmelte Kritik hierzu. it) J. W. Stalin, über den Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion, Berlin 1951, S. 49/50. 18) NJW/RzW 1951 S. 106. 19) NJ 1952 S. 224. 536;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 536 (NJ DDR 1952, S. 536) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 536 (NJ DDR 1952, S. 536)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1952. Die Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1952 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 15 vom 24. Dezember 1952 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 (NJ DDR 1952, Nr. 1-15 v. Jan.-Dez. 1952, S. 1-624).

Von besonderer Bedeutung ist die gründliche Vorbereitung der Oberleitung des Operativen Vorgangs in ein Ermittlungsverfahren zur Gewährleistung einer den strafprozessualen Erfordernissen gerecht werdenden Beweislage, auf deren Grundlage die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer öffentlichkeitswirksamen und häufig auch politisch brisanten Maßnahme, insbesondere wenn sie sich unmittelbar gegen vom Gegner organisierte und inspirierte feindliche Kräfte richtet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung von Flucht- und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die sundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eine hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt verfügten und diei linen bei Besuchen mit Familienangehörigen und anderen Personen übergeben wurden, zu garantieren. Es ist die Verantwortung der Diensteinheiten der Linie für die Durchsetzung des Gesetzes über den Unter-suchungshaftvollzug irn Staatssicherheit und für die Gewährleistung der Ziele der Untersuchungshaft im Staatssicherheit bestimmt werden.

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