Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1952, Seite 470

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 470 (NJ DDR 1952, S. 470); im Strafprozeß, das Prinzip der vollen Eigenverantwortlichkeit des Richters für die von ihm getroffene Entscheidung, das Prinzip der Konzentration und Beschleunigung des Strafverfahrens und das Prinzip der Wahrung des Rechts auf Verteidigung. 1. Das Prinzip der materiellen Wahrheit im Strafprozeß. Eine der grundlegenden Aufgaben der staatlichen Organe im Strafverfahren ist die vollständige Erforschung des tatsächlichen Sachverhalts. M. S. S t r o -g o w i t s c h schreibt darüber in der Monographie „Die Lehre von der Wahrheit im Strafprozeß“ (Moskau 1947): Die Feststellung der Wahrheit ist das nächste und unmittelbarste Ziel des Strafprozesses und eine notwendige Voraussetzung für jede Rechtsprechung. Die Wahrheit, deren Aufdeckung Gegenstand der Bemühungen des die Untersuchung durchführenden Gerichts ist, nennt man materielle Wahrheit. Materielle Wahrheit im Strafprozeß ist die volle und genaue Übereinstimmung der Wirklichkeit mit den von den Untersuchungsbehörden und dem Gericht gezogenen Schlußfolgerungen hinsichtlich der tatsächlichen Umstände des zu untersuchenden Straffalles und hinsichtlich der Schuld oder Nichtschuld der zur strafrechtlichen Verantwortung herangezogenen Personen.“ „ Materielle Wahrheit das ist die Aufdeckung des Verbrechens, die Überführung und Bestrafung des Täters. Materielle Wahrheit das ist die Rehabilitierung eines Menschen, auf den unbegründet der Verdacht eines Verbrechens gefallen ist. Namentlich deshalb muß bei jedem Straffall die materielle Wahrheit erforscht werden, ohne sie vermag die Justiz ihrer Aufgabe nicht gerecht zu werden. Die Ermittlung der materiellen Wahrheit ist notwendige Voraussetzung für das Funktionieren der Rechtspflege und der Durchführung eines wirkungsvollen Kampfes mit dem Verbrechen.“ ’) In den Allgemeinen Bestimmungen findet dieser Grundsatz seinen hervorragendsten Ausdruck im sechsten und siebenten Abschnitt, die sich mit Zeugen und Sachverständigen befassen. Als wichtigste Bestimmung ist in diesem Zusammenhang der § 45 zu nennen, in dem die Verpflichtung des Zeugen zur Aussage grundsätzlich festgelegt ist. Damit ist ausgesprochen, daß jeder am Strafverfahren Beteiligte die Pflicht hat, zur Aufklärung des Verbrechens beizutragen. Die grundlose Zeugnisverweigerung ist nicht mehr eine bloße Ordnungswidrigkeit, die mit einer Ordnungsstrafe oder Haft geahndet werden kann. Das künftige materielle Strafrecht wird daraus den Schluß ziehen müssen, die grundlose Verweigerung eines Zeugnisses für ein kriminelles Delikt zu erklären. Von besonderer Bedeutung ist ferner die Einengung des Zeugnisverweigerungs'echts. Nach der neuen Strafprozeßordnung sind der Verlobte, der geschiedene Ehegatte und der Verschwägerte des Beschul d:gten nicht mehr zur Verweigerung des Zeugnisses berecht’gt. Der gleiche Kreis, der gemäß § 46 das Zeugnisverweigerungsrecht gegenüber dem Beschuldigten besitzt, also die allernächsten Verwandten Ehegatten, Eltern und Kinder, Großeltern und Enkel sowie Geschwister , kann auch gemäß § 49 in Strafverfahren gegen andere Beschuldigte die Aussage verweigern, wenn er durch eine wahrheitsgemäße Aussage diese Angehörigen einer strafge ichtlichen Verfolgung aussetzen würde. Aber auch diese Ausnahmen vom Zeugnis- und Aussagezwang sind nicht gegeben, wenn nach den Strafgesetzen eine Verpflichtung zur Anzeige besteht. In diesen allerschwersten Fällen muß das Interesse des sozialistischen Staates auch den wichtigsten persönlichen Interessen vorangehen. Macht der Zeuge von einem etwa gegebenen Zeugnisverweigerungsrecht keinen Gebrauch, so muß er auch die Wahrheit sagen. Wenn ihm während seiner Vernehmung noch Bedenken kommen, kann er den Verzicht auf das Verweigerungsrecht widerrufen (§ 46 Abs. 2). Er muß sich also die Konsequenzen seiner Aussage genau überlegen; ein Recht, den Eid auf eine bereits erfolgte Aussage zu verweigern, kennt die neue Strafprozeßordnung nicht. i) zitiert nach Sowjetwissenschaft 1948, Heft 1 S. 12 ff. Auch das Recht zur Wahrung eines Berufsgeheimnisses ist insoweit eingeschränkt, als es Redakteuren, Verlegern und Druckern nicht mehr zusteht. Dies ist eine aus dem veränderten Charakter der Presse zu ziehende Konsequenz. Geistliche, Ärzte und Rechtsanwälte dürfen auch nach der neuen Strafprozeßord-nung über das schweigen, was ihnen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit anvertraut wird, Ärzte und Rechtsanwälte allerdings nur, soweit nicht eine gesetzliche Anzeigepflicht besteht (§ 47). Selbstverständlich ist es, daß eine Zeugenvernehmung nicht zu einer Gefährdung der Interessen unseres Staates führen darf. Es gibt Dinge, wie etwa bestimmte Produktionsmethoden, statistisches Material u. dergl., deren unbedingte Geheimhaltung im Interesse der Allgemeinheit liegen kann. Die Entscheidung darüber, was zu diesen Dingen gehört, kann weder dem Untersuchungsorgan noch der zu vernehmenden Person selbst überlassen werden. Dies muß Sache derjenigen staatlichen Organe sein, die sachlich für die zu behandelnden Fragen zuständig sind; nur sie sind in der Lage zu beurteilen, ob über eine Tatsache ausgesagt werden kann oder ob ihre Geheimhaltung im staatlichen Interesse erforderlich ist. Um diese Entscheidungsbefugnis sicherzustellen, ist in § 48 eine Aussageverweigerungspflicht festgelegt worden. Danach muß jeder Zeuge die Aussage verweigern, wenn er über Dinge befragt werden soll, über die er nicht ohne Verletzung einer ihm ausdrücklich auferlegten oder sonst anerkannten Schweigepflicht aussagen kann, es sei denn, daß er von der zuständigen Stelle ausdrücklich eine Aussagegenehmigung erhalten hat. Diese Aussageverweigerungspflicht trifft aber nicht nur den Zeugen; ihr entspricht eine Bestimmung, nach der Untersuchungsorgane, Staatsanwälte und Richter den Zeugen über eine bestehende Aussageverweigerungspflicht zu belehren und vor der Befreiung von dieser Pflicht jede Vernehmung in dieser Richtung zu unterlassen haben. Jede von einem Zeugen im Strafverfahren gemachte Aussage muß der Wahrheit entsprechen. Die falsche Aussage ist auch nach dem jetzt noch geltenden materiellen Strafrecht strafbar. Es gibt jedoch Fälle, in denen das zur Entscheidung berufene Gericht wegen der Bedeutung der zur Aburteilung stehenden Strafsache eine besondere Bekräftigung der erstatteten Aussage für erforderlich hält. In diesen Fällen wird der Zeuge vereidigt, aber auch nicht schlechthin, sondern nur über die Teile der Aussage, die das Gericht als wesentlich für die Entscheidung ansieht (§ 51). Die Vereidigung eines Zeugen ist also nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Diese Regelung hebt die Bedeutung des Eides als Mittel der gerichtlichen Wahrheitserforschung außerordentlich. Auf sachlich bedeutungsvolle Strafsachen und nur auf wirklich wesentliche Punkte beschränkt, bekommt der Eid ein weit größeres Gewicht als bisher. Der Ermittlung der materiellen Wahrheit dient im besonderen Maße der § 60 der neuen Strafprozeßordnung, der bestimmt, daß mit der Anfertigung von Sachverständigengutachten grundsätzlich nur die entsprechenden staatlichen Dienststellen zu beauftragen sind. Andere Sachverständige sind nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen heranzuziehen. Die bisherige Praxis hat gezeigt, daß die privaten Sachverständigen in vielen Fällen nicht die Gewähr für eine objektive Auskunft boten. Das erwies sich besonders in Arbeitsschutzsachen, wenn Berufsgenossen des Beschuldigten mit der Erstattung eines Gutachtens über die Vernachlässigung von Arbeitsschutzvors"hriften herangezogen wurden. Die Beauftragung staatlicher Dienststellen mit der Gutachtertätigkeit wird hier entscheidenden Wandel schaffen und den Wert des Sachverständigenbeweises für die Rechtsprechung wesentlich erhöhen. 2. Das Prinzip der vollen Eigenverantwortlichkeit des Richters für die von ihm getroffene Entscheidung. Art. 127 unserer Verfassung besagt, daß die Richter in ihrer Rechtsprechung unabhängig und nur der Verfassung und dem Gesetz unterworfen sind. Diese Unabhängigkeit bringt auch die volle Verantwortung für die im Einzelfall getroffene Entscheidung mit sich, die Verantwortung dafür, daß sie gemäß Gesetz und Verfassung ergangen ist. Diese Verantwortung kann dem Richter niemand abnehmen, sie trifft Vorsitzende 470;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 470 (NJ DDR 1952, S. 470) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 470 (NJ DDR 1952, S. 470)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1952. Die Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1952 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 15 vom 24. Dezember 1952 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 (NJ DDR 1952, Nr. 1-15 v. Jan.-Dez. 1952, S. 1-624).

Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der offensiven Nutzung der erzielten Untersuchungsergebnisse Potsdam, Ouristische Hochscht Diplomarbeit Vertrauliche Verschlußsache - Oagusch, Knappe, Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der Sicherung wahrer Zeugenaussagen bedeutsam sind und bei der Festlegung und Durchführung von Zeugenvernehmungen zugrundegelegt werden müssen. Das sind die Regelungen über die staatsbürgerliche Pflicht der Zeuge zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich seinFormelle, gleichgültige, politisch unkluge, undifferenzierte, letztlich ungesetzliche Entscheidungen darf es nicht geben. Immer wieder muß gerade die hohe politische Bedeutung der strikten Einhaltung der Gesetzlichkeit in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit im Ermittlungsverfahren, Dissertation, Vertrauliche Verschlußsache AUTORENKOLLEKTIV: Die weitere Vervollkommnung der Vernehmungstaktik bei der Vernehmung von Beschuldigten und bei VerdächtigenbefTagungen in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit insbesondere dann zu realisieren sein, wenn der mutmaßliche Täter aktuell bei einem Handeln angetroffen diesbezüglich verfolgt wird und sich aus den objektiven Umständen dieses Handelns der Verdacht einer Straftat besteht und die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Das verlangt, vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens anhand objektiver Kriterien und Umstände gewissenhaft zu prüfen und zu dokumentieren, ob der Auftrag durchgeführt wurde und welche weiteren politisch-operativen Maßnahmen, insbesondere zur Auftragserteilung und Instruierung der und festzulegen sind.

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