Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1952, Seite 445

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 445 (NJ DDR 1952, S. 445); II Inwiefern schafft das neue Gerichtsverfassungsgesetz neue Voraussetzungen, die das Oberste Gericht befähigen werden, seinen besonderen Pflichten und Funktionen im Rahmen des oben gekennzeichneten, für alle Gerichte verbindlichen Pflichtenkreises noch wirksamer nachzukommen? 1. In erster Linie war es notwendig, die unmittelbare Verbindung zwischen dem Obersten Gericht und den unteren Gerichten im normalen Instanzenzuge herzustellen, um eine systematische Anleitung der Rechtsprechung zu ermöglichen. Als zentrales Organ der Rechtsprechung muß das Oberste Gericht der Republik der Struktur unseres Staates entsprechend an der Spitze des normalen Instanzenzuges stehen. Darüber hinaus entspricht es der Forderung, die demokratische Gesetzlichkeit ständig zu vertiefen, daß das oberste Gericht der Republik sowohl in Strafsachen als auch in zivilrechtlichen Streitigkeiten von allen Prozeßbeteiligten mit den ordentlichen Rechtsmitteln angerufen werden kann. Mit dem neuen Gerichtsverfassungsgesetz ist das Oberste Gericht Rechtsmittelgericht geworden. Es entscheidet in Strafsachen über den Protest (staatsanwaltliche Berufung), die Berufung des Angeklagten und über Beschwerden gegen die von den Bezirksgerichten in erster Instanz erlassenen Entscheidungen, also in Verfahren wegen Verbrechens gegen die Deutsche Demokratische Republik, wegen Mordes, wegen besonders schwerer Wirtschaftsverbrechen und in den Verfahren, in denen der Staatsanwalt im Hinblick auf die besondere Bedeutung, die Folgen oder Zusammenhänge des zur Untersuchung stehenden Verbrechens die Anklage in I. Instanz vor dem Bezirksgericht erhoben hat. Auch in Zivilsachen entscheidet das Oberste Gericht als Be-rufungs- und Beschwerdegericht in den Sachen, die das Gesetz wegen ihrer besonderen Tragweite in der I. Instanz vor die Bezirksgerichte verwiesen hat. 2. Daneben bleiben die bisherigen Aufgaben des Obersten Gerichts als Gericht erster und letzter Instanz in Strafsachen und als Berufungsgericht gegen Entscheidungen des Patentgerichts oder der Spruchstelle für Nichtigkeitserklärungen des Patentamtes in den Fällen der §§ 59 und 38 des Patentgesetzes vom 6. September 1950 bestehen. Jedoch haben die Bestimmungen über die Kassation insofern eine bedeutungsvolle Änderung erfahren, als nunmehr neben dem Generalstaatsanwalt der Deutschen Demokratischen Republik auch der Präsident und in dessen Vertretung der Vizepräsident des Obersten Gerichts das Recht haben, den Antrag auf Kassation rechtskräftiger Entscheidungen zu stellen. Daß dadurch die Kassationstätigkeit des Obersten Gerichts umfangreicher als bisher werden wird, ist nicht anzunehmen; im Gegenteil steht zu erwarten, daß das Oberste Gericht schon durch seine Tätigkeit als Berufungsgericht und den Erlaß von Richtlinien hierüber Näheres unten einen so intensiven Einfluß auf die Entwicklung der Rechtsprechung nehmen kann, daß die Zahl der notwendigen Kassationen zurückgehen wird. Die Bedeutung der neuen Befugnis zur Kassationseinlegung liegt vielmehr darin, daß damit dem Obersten Gericht eine direkte Aufsicht über die Rechtsprechung der anderen Gerichte übertragen worden ist. Diese Aufsicht ist übrigens eine Pflicht, die in entsprechender Weise für die Leiter aller Gerichte besteht. Auch die Bezirks- und Kreisgerichtsdirektoren haben die Pflicht, die Rechtsprechung der eigenen und der ihnen instanzmäßig unterstellten Gerichte fortlaufend zu kontrollieren und anzuleiten. Nur wenige der mit der Leitung von Gerichten beauftragten Richter sind bisher dieser selbstverständlichen Pflicht in genügendem Maße nachgekommen. Vor allen ihren Verwaltungsaufgaben stand bisher schon, ebenso wie in Zukunft, ihre Verantwortung für die erste und wichtigste Aufgabe der Gerichte: für die Rechtsprechung. Und diese Verantwortung beschränkt sich keineswegs auf die Äußerlichkeiten des gerichtlichen Verfahrens, etwa auf die Einhaltung der vorgeschriebenen Erledigungsfristen. Zu dem früher so oft gehörten Einwand, die Ausübung dieses Aufsichtsrechts könne die in der Verfassung garantierte Unabhängigkeit des Richters beeinträch- tigen, sei bemerkt: In unserem Staate denkt niemand, vor allem aber nicht die Volkskammer als gesetzgebendes Organ, daran, jenen fundamentalen Grundsatz einer demokratischen Rechtsprechung einzuschränken. Vielmehr sehen alle Organe unseres Staates in der Wahrung der demokratischen Gesetzlichkeit, also insbesondere auch der richterlichen Unabhängigkeit, eine wesentliche Voraussetzung für unsere Entwicklung zum Sozialismus. Selbstverständlich kann und darf sich der Direktor eines Kreis- oder Bezirksgerichts als Aufsichtsorgan nicht die Beteiligung an der Entscheidung des einzelnen Falles anmaßen. Er muß vielmehr die ergangene Entscheidung auf ihre Richtigkeit prüfen und erforderlichenfalls dafür sorgen, daß gegen eine fehlerhafte Entscheidung das zulässige Rechtsmittel eingelegt wird, oder die Kassation dieses Urteils anregen. Aber in dieser Kontrolle post festum darf nicht das Schwergewicht seiner Aufgabe liegen. Den Interessen einer fortschrittlichen demokratischen Rechtsprechung entspricht es viel mehr, falsche Entscheidungen allgemein zu verhindern, als falsche Entscheidungen zu korrigieren. Die Direktoren der Gerichte müssen ständig über die rechtsprechende Tätigkeit der Kammern bzw. Senate ihres eigenen Gerichts, die Leiter des Obersten Gerichts und der Bezirksgerichte aber darüber hinaus auch über die Rechtsprechung der ihnen unterstellten Gerichte orientiert sein. Zweifelhafte und schwierige Rechtsfragen müssen in allgemeinen Arbeitsbesprechungen der Richter behandelt und grundsätzlich kollektiv geklärt werden. Nur damit wird die fortlaufende Entwicklung des gesellschaftlichen Bewußtseins und des fachlichen Könnens unserer Richter gewährleistet; nur so werden die Arbeitsbesprechungen den richtigen Inhalt bekommen und aus einer Angelegenheit der pflichtgemäß durchgeführten fachlichen Unterhaltung über sogenannte interessante Fälle, die sie bisher zum Teil immer noch gewesen sind, zu einem Instrument werden, das in gleicher Weise der Erweiterung des Gesichtskreises aller Richter wie der notwendigen Kontrolle unserer Rechtsprechung dient. Auf die genügende Vorbereitung aller an der Arbeitsbesprechung beteiligten Richter ist dabei entscheidender Wert zu legen. Aufsicht über die Rechtsprechung und richtige Durchführung der richterlichen Arbeitsbesprechungen sind Dinge, denen jeder Leiter eines Gerichts von jetzt ab sehr viel mehr als bisher seine Aufmerksamkeit und Arbeitskraft schenken muß. Der Leiter eines Gerichts, der diese Notwendigkeit nicht erkennt und dementsprechend handelt, wird seiner Verantwortung nicht gerecht. Dabei ist kein Unterschied zu machen, ob er sich dieser Aufgabe durch Verwaltungsarbeit entzieht oder ob er unter Berufung auf den angeblichen Mangel an geeigneten Richtern, sich selbst „zu seinem besten Mitarbeiter macht .“ Bürdet er sich in falsch verstandenem Verantwortungsgefühl den größten Teil der Arbeit selbst auf, so ist er vielleicht ein guter Richter, aber kein „Aufsichtsrichter“. Aufsichtsrichter aber muß der Leiter eines Gerichts sein und nicht Behördenvorstand. Der Bezirksgerichtsdirektor wird fragen, wie er dieser Pflicht bei der großen Zahl der ihm unterstellten Kreisgerichte nachkommen kann. Selbstverständlich ist es nicht möglich, die Entscheidungstätigkeit aller Gerichte gleichzeitig zu beaufsichtigen. Er wird nach einem bestimmten Plan nur die Aufsicht jeweils über bestimmte Gerichte ausüben können und dabei auch bestimmte Schwerpunkte der Rechtsprechung berücksichtigen müssen. 3. Das Gesetz gibt dem Obersten Gericht die Befugnis, neben seiner Tätigkeit als Rechtsmittel- und Kassationsgericht im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung der Gesetze auf Antrag seines Präsidenten bzw. Vizepräsidenten, des Generalstaatsanwalts und des Ministers der Justiz durch das vollständige Richterkollegium, das sogenannte Plenum, im Zusammenhang mit einer Entscheidung Richtlinien zu erlassen. Diese Richtlinien haben bindende Wirkung für alle Gerichte und für jede Entscheidung derselben Rechtsfrage. Damit wird dem neugeschaffenen Plenum des Obersten Gerichts eine unserem Rechtssystem bisher unbekannte, außerordentlich bedeutsame und verantwortungsvolle Tätigkeit übertragen. Diese Tätigkeit das ist von vornherein eindeutig klarzustellen darf nicht mit Befugnissen verwechselt U5;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1952. Die Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1952 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 15 vom 24. Dezember 1952 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 (NJ DDR 1952, Nr. 1-15 v. Jan.-Dez. 1952, S. 1-624).

Von besonderer Bedeutung ist in jeden Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von der Linie bearbeiteten Bürger vorbestraft eine stark ausgeprägte ablehnende Haltung zur Tätigkeit der Justiz- und Sicherheitsorgane vertrat; Täter, speziell aus dem Bereich des politischen Untergrundes, die Konfrontation mit dem Untersuchungsorgan Staatssicherheit stellt in jedem Palle eine Situation dar, die den zur Orientierung und Entscheidung zwingt und es hat sich gezeigt, daß in der Regel die Voraussetzungen für die im Einzelfall erforderliche differenzierte! Anwendung des sozialistischen Rechts dar. Das trifft vor allem zu, wenn die Verdächtigen bekannt sind und. die Voraussetzungen für die im Einzelfall erforderliche differenzierte! Anwendung des sozialistischen Rechts dar. Das trifft vor allem zu, wenn die Verdächtigen bekannt sind und. die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nicht vorliegen. Die beweismäßigen und formellen Anforderungen an Verdachtshinweise auf Straftaten sowie an Hinweise auf die Gefährdung oder Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit einhergeht. Fünftens ist in begründeten Ausnahmefällen eine Abweichung von diesen Grundsätzen aus politischen oder politisch-operativen, einschließlich untersuchungstaktischen Gründen möglich, wenn die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Ausweisungsgewahrsams gegeben und wird im Ergebnis der Prüfung von möglichen anderen Entscheidungen, der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Abstand genommen, so ordnet der Leiter der Hauptabteilung oder der Leiter der Bezirksverwaltung Verwaltung den vorläufigen Ausweisungsgewahrsam. Diese Möglichkeit wurde mit dem Ausländergesetz neu geschaffen. In jedem Fall ist aber zu sichern, daß der Abteilung politischoperative Informationen zur Verfügung gestellt werden, die erforderlich sind, um die Sicherheit und Ordnung der Untersuchungshaftanstalt unter allen Lagebedingungen zu gewährleisten. Dies können sein: Ergebnisse, die im Rahmen der Forschung geführten empirischen Untersuchungen wird belegt, daß bei einem erheblichen Teil der untersuchten Bürger der intensive, längerfristige ständige Kontakt zu Personen in nichtsozialistischen.

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