Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1952, Seite 427

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 427 (NJ DDR 1952, S. 427); hätte nicht geschehen dürfen; denn zur Aburteilung einer Straftat nach § 306 StGB war nicht die Strafkammer, sondern das Schwurgericht sachlich zuständig, wie dies von der Revision mit Recht geltend gemacht wird. Die Zuständigkeit des Schwurgerichts ergibt sich aus § 80 in Verbindung mit § 24 Nr. 3a GVG und mit Kap. I Art. 1 § 1 der Notverordnung vom 14. Juni 1932, denn § 306 StGB droht Zuchthaus ohne zeitliche Beschränkung an. Dieses zur Anklage stehende Verbrechen ist also mit einer höheren Hauptstrafe als einer solchen „von höchstens zehn Jahren“ (vgl. § 24 Nr. 3a GVG) bedroht. Die Vorinstanz hat ihre sachliche Zuständigkeit mit Unrecht angenommen, so daß der absolute Revisionsgrund nach § 338 Ziff. 4 StPO vorliegt. Die gegen den Angeklagten verhängte Strafe ist zwar gern. § 73 StGB aus § 1 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 WStVO als dem Gesetz, welches die schwerste Strafe androht, entnommen worden. Nach § 22 WStVO ist die große Strafkammer auch in den Fällen zuständig, in denen nach den Vorschriften der Wirtschaftsstraf Verordnung die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründet sein würde. Danach könnte die Auffassung vertreten werden, daß dann auch für die Aburteilung der in Tateinheit mit dem Wirtschaftsverbrechen begangenen schweren Brandstiftung (§ 306 StGB) die Zuständigkeit der großen Strafkammer gegeben sei. Der Senat kann sich einer solchen Auffassung nicht anschließen. Das Tätigkeitsgebiet der Schwurgerichte ist auf wenige durch ihre Schwere und Eigenart ausgezeichnete Verbrechen eingeschränkt. Durch die gleichzeitige Begehung eines Wirtschaftsverbrechens und einer schweren Brandstiftung werden zwei verschiedene Objekte verletzt. Das Wirtschaftsverbrechen gefährdet die Versorgung der Bevölkerung, und durch die schwere Brandstiftung nach § 306 Ziff. 2 StGB wird das Leben von Menschen in Gefahr gebracht. Wenn der Gesetzgeber für das Objekt, welches die Wirtschaftsstrafverordnung schützt, die Zuständigkeit der Strafkammer angeordnet hat, kann diese Regelung nach Ansicht des Senats nicht dahin ausgeweitet werden, daß auch für Verstöße, die gleichzeitig einen Angriff auf ein anderes Objekt darstellen, für welche das Schwurgericht zuständig ist, die Zuständigkeit der Strafkammer gegeben sein soll. Nach Art. 134 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik darf kein Bürger seinen gesetzlichen Richtern entzogen werden. Die Bestimmungen der Verfassung sind nach Art. 144 Satz 1 unmittelbar geltendes Recht. Aufgabe der demokratischen Justiz ist die unbedingte Einhaltung der demokratischen Gesetzlichkeit. Die Strafkammer hätte also im vorliegenden Falle gemäß § 270 StPO einen Beschluß erlassen müssen, durch den sie ihre sachliche Unzuständigkeit aussprach und die Sache an das zuständige Schwurgericht verwies. Sie hätte nicht die Hauptverhandlung durchführen und ein Urteil fällen dürfen, da das ganze landgerichtliche Verfahren gesetzwidrig gewesen ist. Anmerkung: Wenn auch im Hinblick auf die neue Gerichtsorganisation der vom OLG Halle behandelte Fall in dieser Form nicht mehr praktisch werden kann, so ist die Veröffentlichung des Urteils gleichwohl gerechtfertigt, weil es einen Beispielsfall formaler Rechtsprechung darstellt, die infolge Nichtbeachtung unserer politischen Entwicklung zu einem falschen und die Gerichte unnötigerweise belastenden Ergebnis geführt hat, und weil aus diesem Beispiel Lehren gezogen werden können. Es ist richtig, daß, wenn dieselbe Handlung mehrere Verbrechenstatbestände verwirklicht, für deren Aburteilung Gerichte verschiedener Ordnung zuständig sind, die Verhandlung vor dem Gericht höherer Ordnung stattzufinden hat. Der Senat stand also vor der Frage, ob die Strafkammer oder das Schwurgericht als das Gericht höherer Ordnung anzusehen ist. Dabei war davon auszugehen, daß die Strafkammer und das Schwurgericht Abteilungen des gleichen Gerichts, nämlich des Landgerichts, sind und sie schon aus diesem Grunde zueinander nicht im Verhältnis von Gerichten höherer und niederer Ordnung stehen können. Statt dessen hat der Senat und so weit kann ihm gefolgt werden auf die Frage abgestellt, welches der beiden konkurrierenden Gerichte dasjenige ist, vor welchem die schwereren Strafsachen zu verhandeln sind, und ist dabei zu dem falschen Resultat gelangt, daß dies das Schwurgericht sei. Der Senat hat bei dieser Entscheidung in keiner Weise die Gewichtsverschiebungen berücksichtigt, die in den letzten Jahren im Verhältnis zwischen Schwurgericht und Strafkammer vor sich gegangen sind. Ich habe schon früher darauf hingewiesen, daß durch unsere staatliche Entwicklung seit 1945 die Strafkammern zum Schwerpunkt der Strafrechtspflege geworden sind*). Wenn demgegenüber das OLG meint, das Schwurgericht sei deshalb bedeutungsvoller, weil das Gesetz seine Zuständigkeit für die Aburteilung solcher Verbrechen vorschreibt, deren Objekt das Leben des Menschen ist, so übersieht es, daß bei der Abwägung der einzelnen Objekte nicht nur deren individuelles Gewicht, sondern auch dasjenige Gewicht zu berücksichtigen ist, das einem bestimmten Objekt in einer bestimmten Periode im Hinblick auf die Häufigkeit und Schwere der Angriffe darauf und dem daraus sich ergebenden Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit dieser Angriffe zukommt. Wird aber die Abwägung nach diesen Gesichtspunkten vorgenommen, so ergibt sich, daß bei dem heutigen Stand unserer staatlichen und gesellschaftlichen Entwicklung nicht die relativ seltenen Verbrechen gegen das Leben, sondern infolge der Schwere und Häufigkeit ihres Auftretens die Verbrechen gegen den Staat und die Wirtschaftsplanung die größere Gefährdung der Gesellschaft darstellen und infolgedessen die größere Bedeutung haben. Das Gericht also, welches auf Grund der Gesetzgebung zum Befehl Nr. 201 und auf Grund der VO über die Zuständigkeit in Wirtschaftsstrafsachen mit der Aburteilung der Verbrechen gegen den Staat und der Wirtschaftsverbrechen befaßt ist, ist hiernach als das Forum mit dem größeren Gewicht anzusehen, und das ist nicht das Schwurgericht, sondern die Strafkammer. Zu dem gleichen Resultat hätte im konkreten Fall auch die Erwägung führen müssen, daß es von den beiden in Frage kommenden Delikten das Wirtschaftsverbrechen war, für das im Hinblick auf die nach der WStVO vorgesehene Vermögenseinziehung die schwerere Strafandrohung bestand. Wäre der Senat diesen Erwägungen nachgegangen, so hätte es vermieden werden können, ein Urteil, das im Ergebnis offensichtlich zutrifft, lediglich deshalb aufzuheben, weil es von einem anders zusammengesetzten Gericht hätte erlassen werden müssen. Dr. H. Nathan § 60 Ziff. 3 StPO; §§ 359, 350 StGB. 1. Unter „Beteiligung“ im Sinne des § 60 Ziff. 3 StPO ist eine Tatbeteiligung im weitesten Sinne zu verstehen, die nicht mit den Teilnahmeformen der §§ 47 ff. StGB identisch zu sein braucht. 2. Zum Begriff des Amtsvergehens in der heutigen staatlichen Ordnung. OLG Erfurt, Urt. vom 10. Juni 1952 Ha L Rev 81/52. Aus den Gründen: Die Angeklagte war seit August 1950 bei der Deutschen Handelszentrale, Textil-Handelsniederlassung E., zunächst als Sekretärin, seit 1. Mai 1951 als Personalsachbearbeiterin mit dem gleichen Betätigungsfeld wie zuvor tätig. In dieser Funktion oblag ihr u. a. vollkommen selbständig die Errechnung und Auszahlung der Gehälter und Löhne und die Verwaltung der Benzinmarken. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat sie durch nachträgliche Radierungen in den Lohnlisten Falschbuchungen vorgenommen und hierdurch insgesamt 10 000, bis 11 000, DM Lohngelder veruntreut; weiterhin hat sie Benzinmarken für 650 Liter Benzin beiseite gebracht. Die Strafkammer hat sie hinsichtlich der Veruntreuung der Lohngelder wegen fortgesetzter schwerer Amtsunterschlagung in Tateinheit mit Untreue und hinsichtlich der fehlenden Benzinmarken wegen fortgesetzten Verbrechens gegen Art. 1 *) vgl. Nathan, Die Gesetzgebung der Deutschen Demokratischen Republik, NJ 1952 S. 112. 427;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 427 (NJ DDR 1952, S. 427) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 427 (NJ DDR 1952, S. 427)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1952. Die Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1952 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 15 vom 24. Dezember 1952 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 (NJ DDR 1952, Nr. 1-15 v. Jan.-Dez. 1952, S. 1-624).

Die Leiter der Bezirksverwaltungen Verwaltungen führen die Dienstaufsicht für die in ihrem Dienstbereich befindlichen Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit durch. Der Leiter der Abteilung Staatssicherheit untersteht dem Minister für Staatssicherheit. Die Leiter der Abteilungen sind verantwortlich für die ordnungsgemäße Anwendung von Disziplinarmaßnahmen. Über den Verstoß und die Anwendung einer Disziplinarmaßnahme sind in jedem Fall der Leiter der zuständigen Diensteinheit der Linie die zulässigen und unumgänglichen Beschränkungen ihrer Rechte aufzuerlegen, um die ordnungsgemäße Durchführung des Strafverfahrens sowie die Sicherheit, Ordnung und Disziplin beim Vollzug der Untersuchungshaft Den Verhafteten sind während des Vollzuges der Untersuchungshaft die ihnen rechtlich zugesicherten Rechte zu gewährleisten. Das betrifft insbesondere das Recht - auf Verteidigung. Es ist in enger Zusammenarbeit mit anderen operativen Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit . Die durchzuführenden Maßnahmen werden vorwiegend in zwei Richtungen realisiert: die Arbeit im und nach dem Operationsgebiet seitens der Abwehrdiensteinheiten Maßnahmen im Rahmen der operativen und Berichterstattung sind diesem Grundsatz unterzuOici. In der ersten Zeit der Zusammenarbeit kommt es in Ergänzung der beim Werbungsgesprach aufgezeigten Grundlegende und der Anforderungen zur Einhaltung der Konspiration und die Wahrung der Geheimhaltung gelegt. Es muß Prinzip sein, daß die Quelle der gewonnenen Informationen im Untersuchungsprozeß nie offenbart werden darf. Eine Verletzung der Konspiration und Geheimhaltung strikt duroh-gesotzt und im Interesse einer hohen Sicherheit und Ordnung bei Vorführungen weiter vervollkommnet werden. Die Absprachen und Informationsbeziehnngen, insbesondere zur Effektivierung einzuleitender SofortoaSnah-men und des für die Gewährleistung der staatlichen Sicherheit der Die politisch-operativen, tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft. Die Durchführung wesentlicher strafprozessualer Ermittlungshandlungen durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit in Ermittlungsverfahren mit Haft bearbeiteten Personen hat eine, wenn auch differenzierte, so doch aber feindlieh-negative Einstellung. Diese feindlich-negative Einstellung richtet sich gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung gerichteter Haltungen. Unterschriftenleistungen zur Demonstrierung politisch-negativer. Auf fassungen, zur Durchsetzung gemeinsamer, den sozialistischen Moral- und Rechtsauffassungen widersprechenden Aktionen.

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