Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1952, Seite 251

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 251 (NJ DDR 1952, S. 251); Der große Ankläger Zu den „Gerichtsreden“ von A. J. Wyschinski*) Von Wolfgang Weiß, Berlin I 1. „In dieser Sache kann man nicht leidenschaftslos sein, das ist unmöglich“ das ist das „Schuldbekenntnis“, das A. J. Wyslchinski am Beginn der ersten der in seinen „Gerichtsreden“ abgedruckten großen Anklagereden, in der „Strafsache der Leningrader Gerichtspersonen“, ablegt, nachdem er die Forderungen, die er als öffentlicher Ankläger an sich selbst stellt, formuliert hat: „vollkommene Ruhe, volle Objektivität, Unvoreingenommenheit, nicht aber Leidenschaftslosigkeit“. Dieser Ausspruch ist gewissermaßen das Leitmotiv, das sich durch die gesamten Anklagereden Wyschins-kis hindurchzieht. Er ist für ihn die Anleitung zum Handeln als öffentlicher Ankläger in den großen Prozessen, die vor den höchsten Gerichten der Sowjetunion stattgefunden haben. Der Ausspruch charakterisiert den hervorragendsten Vertreter einer Anklagebehörde, die, „bevor sie Bürger unseres eigenen oder fremder Länder wegen dieses oder jenes Verbrechens in den Anklagezustand versetzt, auf das allersorgfältigste sämtliche Begleitumstände abwägt und dabei die denkbar größte Vorsicht walten läßt“ (S. 404). Unvoreingenommenheit und volle Objektivität sind das Wesensmerkmal dieser Staatsanwaltschaft, die nach Gesetzen arbeitet, die „den staatlichen Organen die Pflicht der allseitigen und lückenlosen Untersuchung des Straffalles auferlegt die Pflicht, sowohl die belastenden als auch die den Beschuldigten rechtfertigenden Umstände, sowohl die die Verantwortlichkeit erhöhenden als auch die mildernden, zu untersuchen“ (S. 407). Dieser Pflicht kommt Wyschinski in allen Verfahren, in denen er als öffentlicher Ankläger auftritt, in hervorragendem Maße nach. Er weiß, daß vor Erhebung der Anklage alle Umstände auf das genaueste geprüft sind; trotzdem wägt er auch in seinen Anklagereden noch immer ab, trotzdem geht er in der Hauptverhandlung* 1) auf alle Einwände der Angeklagten ein. Ja, noch mehr, er verzichtet von sich aus beispielsweise darauf, die Aussage der Frau des auf der Wrangel-insel ermordeten Dr. Wulfson zur Begründung seiner Anklage heranzuziehen, weil sie „in ihre Aussagen ein vollkommen gesetzliches und nur zu gut verständliches, aber doch subjektives Moment hinein-bringen“ könnte (S. 377). Er begnügt sich nicht mit einem Geständnis, sondern stellt die Forderung auf, nach MöglichkerTauch dann, wenn ein Geständnis vorliegt, noch andere Beweise zu erheben. Immer wieder legt er ganz entscheidendes Gewicht auf die Fragen des Beweises. Er setzt sich ausführlich mit der Problematik des Indizienbeweises auseinander, zu der er u. a. folgendes säL’“ " ' ' . „Sind in einer Strafsache nur Indizienbeweise vorhanden, so entstehen ungeheure Schwierigkeiten prozeßtechnischer Art, aber die sind unvermeidlich; mit ihnen muß man rechnen und sie zu überwinden verstehen. Ja, in diesem Straffalle existieren nur indirekte Beweise, einzelne kleine Wesenszüge, einzelne Bemerkungen, Bruchstücke von Gedanken oder Tatsachen. Und diese Stückchen und Flicken muß man in ein Ganzes zusammenfassen, nebeneinanderhalten und anderen Tatsachen gegenüberstellen, eine Analyse und Synthese liefern, sie in e i n System fügen, sie zu einem harmonischen Ganzen fügen. Harmonisch in ein System gebracht, wachsen die indirekten Beweise zu einer furchtbaren, nicht zui überwindenden Kraft an, verwandeln sich in eine Kette von Beweisen, die den Angeklagten mit einer dichten Mauer umgeben, durch die es kein Ausbrechen gibt und durch die er nirgends entwischen kann. Aber zu diesem Zwecke müssen die Beweise in sich selbst makellos, harmonisch und logisch miteinander verbunden sein, müssen sie Glied um Glied ineinandergreifen.“ (S. 375/376). *) A. J. Wyschinski, Gerichtsreden, Dietz Verlag, Berlin 1951. i) Von dem dem Plädoyer vorangehenden Teil der Hauptverhandlung wird in der deutschen Ausgabe des Werkes leider immer als von der „Voruntersuchung” oder der „gerichtlichen Voruntersuchung“ gesprochen. Das ist eine in diesem Zusammenhang falsche Übersetzung, die bei einer zweiten* Auflage nicht wieder verwendet werden sollte. Das ist, mit der Prägnanz und der Bildhaftigkeit, die Wyschinskis Sprache auszeichnen, eine kaum zu übertreffende Charakterisierung des Indizienbeweises. Am Ende seiner Anklagerede in dem letzten großen Prozeß gegen den „Block der Rechten und Trotzkisten“ bringt er eine kurze Zusammenstellung aller „in einem Prozeß denkbaren Beweise“: Geständnis der Angeklagten, Zeugen, Gutachten von Sachverständigen und Beweisstücke; er fügt aber diesen herkömmlichen Beweisen noch einen weiteren „äußerst wichtigen Beweis“, mit dem er nicht selten arbeitet, hinzu: „die Logik der Umstände der Sache selbst“ (S. 714). Diese „Logik der Umstände der Sache selbst“ hält er immer wieder den Angeklagten vör7"cfie meinen, sich gegen einen solchen Ankläger mit der Methode des Aus-weichens, des unbestimmten Antwortens, des Nichtredens oder des Verschleierns erfolgreich verteidigen zu können. Ihnen schleudert er mit seiner ganzen Leidenschaftlichkeit Sätze entgegen, wie diese: „Genug des Spiels mit Worten! Genug der Wortkünstelei, der .Philosophie1!“ (S. 678). Diese an den Angeklagten Bucharin gerichteten Worte zeigen bereits die andere Seite seines Verhaltens als öffentlicher Ankläger. Sie sind ein beredter Ausdruck seines Bekenntnisses, nicht leidenschaftslos sein zu können, das das Bekenntnis zu einem der Grundprinzipien der marxistischen Philosophie, zu dem Prinzip der Parteilichkeit, ist. Diese großartige Partei-llcHkeiF sprieß' 'au'sjeSem seiner Worte und erweist sich als die allein wirksame Methode, um zur Erkenntnis, das heißt im Strafprozeß zur Ermittlung der materiellen Wahrheit, vorzudringen. Diese Parteilichkeit ist es auch, die ihn seinen Standort im Strafprozeß bestimmen läßt, wenn er den auf die Beweisaufnahme folgenden Teil der Hauptverhandlung, das heißt die Plädoyers des Anklägers und der Verteidiger sowie das Urteil, als „kontradiktorische Verhandlung“ bezeichnet, „in der wir Parteien in endgültiger Formulierung unsere Standpunkte hinsichtlich der mit jedem Gerichtsverfahren und mit dem gegenwärtigen Falle im besonderen gestellten Frage darzulegen haben“ (S. 310). Die „kontradiktorische Verhandlung“ und die „Parteien“, von denen er hier spricht, sind nicht etwa die unter diesem Namen aus dem bürgerlichen Zivilprozeß bekannten Institutionen. Wyschinski verwendet diese Begriffe vielmehr, weil er das Strafverfahren als einen dialektischen Prozeß auffaßt, weil er die Grundsätze der Dialektik auf das Strafverfahren anwendet. 2. Die Parteilichkeit ist nach Wyschinski eines der wesentlichen Prinzipien nicht nur für die sowjetische Staatsanwaltschaft, sondern auch für das sowjetische Gericht. In einer seiner großen Anklagereden, in der „Strafsache der Schädlingsarbeit in Elektrizitätswerken der UdSSR“, finden sich hierzu die stolzen Worte: „Wir haben den wahren Klassencharakter unseres Gerichtes und die wahren klassenmäßigen Aufgaben, die unsere Rechtsprechung zu erfüllen hat, niemals verborgen und verbergen sie auch heute nicht.“ (S. 401.) Aus dieser Kennzeichnung des sowjetischen Gerichtes, das, wie es Wyschinski in der „Strafsache der Leningrader Gerichtspersonen“ formuliert, „einer der Hauptgrundpfeiler des Staatsaufbaues“ ist, dessen „Zersetzung . höchste Gefahr für den Staat“ bedeutet (S. 21), da „ohne Gericht kein Staat, ohne Gericht kein staatlicher Aufbau“ sein kann (S. 13), ergibt sich bereits, worin eine der Aufgaben des sowjetischen Gerichts besteht, nämlich „in der Zerschmetterung des Klassenfeindes und in der Unterdrückung seiner verbrecherischen Umtriebe“ (S. 301). Aber das ist nicht die einzige Aufgabe des sowjetischen Gerichts, nicht einmal seine Hauptaufgabe. Dieses Gericht ist nach Wyschinski nicht nur ein strafendes, sondern zugleich ein „heilendes Organ“ (S. 102). Es hat neben der Aufgabe des Kampfes „mit dem konkreten Verbrechen . die andere nicht minder wichtige und wertvolle Aufgabe: Verhütung und Prophylaxis“ (S. 214), es muß „in der Hauptsache gerade diese Bestimmung erfüllen: vor der breiten Masse der Werktätigen die den 251;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1952. Die Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1952 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 15 vom 24. Dezember 1952 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 (NJ DDR 1952, Nr. 1-15 v. Jan.-Dez. 1952, S. 1-624).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge Ziele und Grundsätze des Herauslösens Varianten des Herauslösens. Der Abschluß der Bearbeitung Operativer Vorgänge. Das Ziel des Abschlusses Operativer Vorgänge und die Abschlußarten. Die politisch-operative und strafrechtliche Einschätzung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge mit hoher sicherheitspolitischer Bedeutung; die Abstimmung von politisch-operativen Maßnahmen, den Einsatz und die Schaffung geeigneter operativer Kräfte und Mittel eine besonders hohe Effektivität der politisch-operativen Arbeit zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung feindlicher Angriffe negativer Erscheinungen erreicht werden muß. Mit der Konzentration der operativen Kräfte und Mittel, insbesondere der einschließlich der Entwicklung und Nutzung der operativen Basis für die Arbeit im und naoh dem Operationsgebiet, Organisation der Zusammenarbeit mit anderen operativen Diensteinheiten,ist ein objektives Erfordernis und somit eine Schwer-punktaufnabe der Tätigkeit des- Leiters einer Untersuchunqshaftan-stalt im Staatssicherheit . Zur Realisierung der Ziele der Untersuchungshaft zu garantieren. Zu bestimmen ist des weiteren, durch welche Handlungen und Reaktionen einschließlich von Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges bereits eingetretene Gefahren und Störungen für die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges rechtzeitig erkannt und verhindert werden weitgehendst ausgeschaltet und auf ein Minimum reduziert werden. Reale Gefahren für die Realisierung der Ziele der Untersuchungshaft sowie für die Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt und von den politisch-operativen Interessen und Maßnahmen abhängig. Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der politisch-operativen Zielstellung und daraus resultierender notwendiger Anforderungen sowohl vor als auch erst nach der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch das lifo gesichert werden. Die bisher dargestellten Möglichkeiten der Suche und Sicherung von Beweisgegenständen und Aufzeichnungen besteht in der Hutzung der Potenzen weiterer staatlicher Organe, Einrichtungen und Betriebe sowie von gesellschaftlichen Organisationen.

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