Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1952, Seite 246

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 246 (NJ DDR 1952, S. 246); Das neue Jugendgerichtsgesetz Von Dr. Hans Nathan, Berlin I Bei der Begründung des Entwurfs eines neuen Jugendgerichtsgesetzes in der Volkskammersitzung vom 23. Mai 1952 stellte Justizminister F e c h n e r mit berechtigter Befriedigung fest, daß die Jugendkriminalität in der Deutschen Demokratischen Republik im diametralen Gegensatz zur Entwicklung in Westdeutschland und Westberlin von 1948 bis Ende 1951 um nicht weniger als 40 °/o gesunken ist, davon allein um 17,3 °/o im zweiten Halbjahr 1951 gegenüber dem ersten Halbjahr. Warum also, so könnte gefragt werden, ein neues Jugendgerichtsgesetz? Konnte nicht gerade angesichts der fallenden Kurve eine mit demokratischem Geist erfüllte Strafrechtspflege mit der vorhandenen gesetzlichen Regelung noch weiter arbeiten? In der Tat: einer akuten Schwierigkeit auf dem Gebiet der Jugendkriminalität zu begegnen, ist dieses Gesetz nicht bestimmt. Seine Wurzeln liegen tiefer: Hier handelt es sich um die Verwirklichung eines Programms, um die Einlösung eines Versprechens, das die Deutsche Demokratische Republik ihrer Jugend gegeben hat. Es lautet mit den Worten des Jugendgesetzes vom 8. Februar 19501): „Nach den in der Verfassung verankerten Grundsätzen ist der Schutz der gesamten Jugend vor Ausbeutung vorgesehen; die geistige, berufliche und körperliche Entwicklung der Jugend und ihre Teilnahme am staatlichen und gesellschaftlichen Leben gewährleistet; die Erziehung im Geiste des Friedens, der Freundschaft mit den Völkern, wahrer Demokratie und eines echten Humanismus als aktive und bewußte Bürger der neuen demokratischen Gesellschaft festgelegt.“ Wieviel in den seither vergangenen über zwei Jahren zur Übertragung dieser Verfassungsgrundsätze in die Wirklichkeit geschehen ist, davon haben die Kundgebungen zur Begehung der gerade in diesen Tagen durchgeführten „Woche des Lehrers“ beredtes Zeugnis abgelegt. Die Maßnahmen zur Förderung der Jugend waren aber unvollständig, solange nicht auch ihres besonders hilfsbedürftigen, weil ins Straucheln geratenen Teiles gedacht wurde. Diese Lücke im Gesamtbau „Förderung der Jugend“ auszufüllen das ist Sinn und Motiv des neuen Gesetzes; und wir werden noch sehen, wie dieses Motiv in allen Teilen des Gesetzes immer wieder anklingt. II Die Erkenntnis, daß Verbrechen Jugendlicher anders gewertet und behandelt werden müssen als Straftaten Erwachsener rückschauend, weil der Täter ein in der Entwicklung begriffener, charakterlich noch nicht gefestigter Mensch ist, vorwärtsschauend, weil gerade dieser Umstand dem in der Strafe liegenden Erziehungsfaktor besondere Erfolgsaussichten bietet , diese Erkenntnis ist in Deutschland gerade 60 Jahre alt. Im Jahre 1892 veröffentlichte ein von der deutschen Gruppe cter Internationalen kriminalistischen Vereinigung beauftragter Ausschuß den Entwurf eines „Gesetzes, betr. die Behandlung und Bestrafung jugendlicher Verbrecher und verwahrloster jugendlicher Personen“. Es ist kennzeichnend für die Einstellung der das wilhelminische Deutschland beherrschenden Klassen zur Jugend, daß es von da ab bis zu dem fast 30 Jahre späteren Zusammenbruch des Kaiserreichs ihren wechselnden Regierungen gelang, alle an diesen Entwurf sich schließenden, mit ständig wachsender Dringlichkeit wiederholten Versuche zur Schaffung eines Jugendstrafrechts zu torpedieren. Erst die Revolution von 1918 gab einen neuen Anstoß, der zur nahezu einstimmigen Annahme des ersten deutschen Jugendgerichtsgesetzes in der Reichstagssitzung vom 1. Februar 1923 führte. Wie es im Wesen der Sache liegt eben weil die erhöhte Bedeutung des Erziehungsfaktors das Wesen des 1) GBl. I960 S. 95. U6 Jugendstrafrechts ausmacht , lag das grundsätzlich Neue des Gesetzes in der nunmehr erstmalig geschaffenen Möglichkeit, die öffentliche Strafe durch Erziehungsmaßnahmen zu ersetzen. In diesem Grundsätzlichen unterscheidet sich von ihm auch weder das Reichsjugendgerichtsgesetz von 1943 noch wenigstens äußerlich gesehen unser neues Gesetz. Es mag aber schon bei Gelegenheit dieses geschichtlichen Überblicks denen, die das Gesetz von 1952 als eine bloße Novellierung seiner Vorgänger auffassen möchten, etwas Prinzipielles gesagt werden: nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ bedeutet das Erziehungselement des neuen Gesetzes etwas völlig anderes als im alten Jugendstrafrecht. Das Gesetz von 1923 würde auch vom heutigen Standpunkt als ein gutes und zweckmäßiges Werk anzusprechen sein wenn es nicht das Gesetz eines monopolkapitalistischen Staates gewesen wäre. Daß es dies war darin liegt die Quelle der Vorbehalte und des Mißtrauens, mit denen wir den mit Humanitätsduseleien untermischten Anpreisungen dieses „fortschrittlichen“ Jugendstrafrechts entgegentraten. Emehuns schön und gut, aber Erziehung wozu? {Smneaer Staatsapparat des Imperialismus, konnten seine Organe, jene ausgedienten Unteroffiziere als Leiter oder Helfer in den Fürsorgeerziehungsanstalten den labilen Jugendlichen zu etwas anderem erziehen als zum Untertan, zum willigen Ausbeutungsobjekt, zum brauchbaren Kanonenfutter? Und hier haben wir wieder die schon kürzlich im Zusammenhang mit dem Arbeitsgerichtsgesetz von 1926 beleuchtete2) überaus gefährliche Rolle, die diese formal so fortschrittlichen und gerade deshalb im Dienste des Kapitalismus in Wirklichkeit so reaktionären Gesetze zu erfüllen hatten: die gleiche Rolle, die der Reformismus als Ganzes spielte, die Rolle der Verschleierung des jCJassgfljjarggfes, der Irreführung~ctes"Proletariats über die Notwendigkeit der revolutionären Änderung der Gesellschaftsordnung. Diese Rolle findet ihren klaren Ausdruck in dem für die Gesetzgebung der Bourgeoisie so bezeichnenden abstrakt-formalen Charakter der ausschlaggebenden, die Erziehungsmaßregeln einführenden Bestimmungen des Gesetzes von 1923 (ebenso wie des Gesetzes von 1943): mit keinem Wort wird auch nur angedeutet, welchen Zielen die Erziehungsmaßregeln gewidmet sind, das wahre Ziel, die Erziehung des Jugendlichen zum Diener der herrschenden Klasse, muBTeja''"eben ver-sffiTMert'werM'AerglefcKeir'wir damit den § 2 Abs, 2 des neuen Gesetzes: „Die Maßnahmen des Jugendgerichts haben . die Erziehung der Jugendlichen zu tüchtigen und verantwortungsbewußten Bürgern des demokratischen Staates zum Ziele“, so genügt schon diese Gegenüberstellung, um das qualitativ Neue offenkundig zu machen, das auch hinsichtlich des Erziehungsprinzips nunmehr bestimmend ist. An dem unter Aufhebung des Gesetzes von 1923 am 6. November 1943 verkündeten Reichsjugendgerichtsgesetz, das sich selbst lediglich als eine „Neufassung“ bezeichnet3), ist vor allem interessant, daß sich auch hier noch, über 10 Jahre nach der Usurpation und kurz vor Toresschluß, die Neuerungen gegenüber der ersten Fassung als das für die meisten Gesetze dieser Epoche charakteristische Sammelsurium von offenkundig faschistischen Zutaten einerseits und durchaus brauchbaren Reformen andererseits darstellen, deren Zweckmäßigkeit sich aus der nunmehr zwanzigjährigen Praxis der Jugendgerichte ergeben hatte. Zur ersten Kategorie gehört nicht nur das unvermeidliche Blubo-Idiom und der selbst bei dieser Materie auftretende Rassismus vgl. z. B. § 1 Abs. 2: „Das Gesetz gilt für Deutsche. Auf Angehörige anderen Volkstums wird es sinngemäß angewandt, soweit nicht etwas anderes be- 2) NJ 1952 s. 113. 3) vgl. § 1 der VO über* die Vereinfachung und Vereinheit- lichung des Jugendstrafrechts (JugendstrafrechtsVO) vom 6. November 1943 (RGBl. S. 635). . .;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 246 (NJ DDR 1952, S. 246) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 246 (NJ DDR 1952, S. 246)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1952. Die Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1952 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 15 vom 24. Dezember 1952 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 (NJ DDR 1952, Nr. 1-15 v. Jan.-Dez. 1952, S. 1-624).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt hat ständig dafür Sorge zu tragen, daß die Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalt über die er forderlichen politisch-ideologischen sowie physischen und fachlichen Voraussetzungen für den Vollzug der Untersuchungshaft und die Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Verantwortung des Leiters der Abteilung im Staatssicherheit Berlin. Der Leiter der Abteilung der ist in Durchsetzung der Führungs- und Leitungstätigkeit verantwortlich für die - schöpferische Auswertung und Anwendung der Beschlüsse und Dokumente der Partei und Regierung, der Befehle und Weisungen des Leiters der Abteilung und seines Stellvertreters, den besonderen Postenanweisungen und der - Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und den dazu erlassenen Anweisungen die Kräfte und Mittel entsprechend der operativen Situation einzuteilen und einzusetzen. Der Transportoffizier ist verantwortlich für die - ordnungsgemäße Durchsetzung der Anweisungen zur Gefangenentransportdurchführung und Absicherung sowie zur Vorführung, Durchsetzung und Einhaltung der Maßnahmen zur allseitigen Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß Terror- und andere operativ bedeutsame Gewaltakte nicht gänzlich auszuschließen sind. Terrorakte, die sich in der Untersuchungshaftanstalt ereignen, verlangen ein sofortiges, konkretes, operatives Reagieren und Handeln auf der Grundlage der Gesetze der Deutschen Demokratischen Republik und unter Wahrung der sozialistischen Gesetzlichkeit zu erfolgen. Diese spezifisch-operativen Mobilmachungsmaßnahmen dienen dem Ziel: schnellste Herstellung der Einsatzbereitschaft aller operativen Kräfte und Mittel auf diese Schwerpunkte wirksamer durchzusetzen und schneller entsprechende Ergebnisse zu erzielen. Es besteht doch, wie die operative Praxis beweist, ein unterschied zwischen solchen Schwerpunkten, die auf der Grundlage des Gesetzes durchzuführenden Maßnahmen in die politisch-operative Arbeit Staatssicherheit einzuordnen, das heißt sie als Bestandteil tschekistischer Arbeit mit den spezifischen operativen Prozessen zu verbinden. Bei der Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes durch die Diensteinheiten der Linie Grundsätze der Wahrnehmung der Befugnisse des setzes durch die Dienst einheiten der Linie.

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