Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1952, Seite 197

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 197 (NJ DDR 1952, S. 197); arbeitsgericht und deren uneingeschränkte Anwendung auf Streiks sind auch in der bürgerlichen Theorie und Praxis nicht ohne Widerspruch geblieben. So schreibt F1 a t o w in seiner Anmerkung zu einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg aus dem Jahre 192720) daß diese Grundsätze, praktisch gehand-habt, dazu angetan seien, „nahezu jeden Arbeitskampf unter das Damoklesschwert zivilrechtlicher Schadensersatzklagen zu bringen“. Aber die Erwartung, der Flatow in der Anmerkung zu dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Ausdruck verlieh, daß das Reichsarbeitsgericht eine andere Auffassung vertreten werde, ist enttäuscht worden. In der Revisionsinstanz hat das Reichsarbeitsgericht21) ungeachtet der von Flatow ausgesprochenen Bedenken die vom Reichsgericht entwickelten Grundsätze uneingeschränkt übernommen. Flatow stellt dazu fest, daß der Standpunkt des Reichsarbeitsgerichts „einer grundsätzlichen Nachprüfung angesichts der Entwicklung des kollektiven Gedankens und seiner Bewertung durch Staat und Gesellschaft bedarf“. Aber der „kollektive Gedanke“ war nur eines der Mittel, um der Arbeiterklasse vorzutäuschen, es wären nach 1918 entscheidende Veränderungen erfolgt. Um seine Bewertung durch den bürgerlichen Staat und die bürgerliche Gesellschaft zu kennzeichnen, muß klar herausgestellt werden, daß die in Frage stehenden „Grundsätze“ vom Reichsgericht bereits lange vor der Weimarer Republik entwickelt wurden. Schon die Entscheidung des Reichsgerichts vom 17. September 190822) formuliert sie vollständig. Sie stammen wie Flatow im gleichen Zusammenhänge bemerkt aus der „den Gewerkschaften und dem Tarifvertrag ablehnend gegenüberstehenden Vorkriegszeit“23). Das hinderte Reichsgericht und Reichsarbeitsgericht allerdings nicht daran, sie uneingeschränkt und z. T. noch erweitert nach 1918 anzuwenden, ungeachtet der Phrasen von der „sozialen Arbeits- und Betriebsgemeinschaft“ und der „Demokratisierung des Arbeitsrechts“. Diese Tatsachen zeigen, daß das Reichsgericht und das Reichsarbeitsgericht es mit der besonders von den reformistischen Theoretikern entwickelten „Idee des kollektiven Arbeitsrechts“ niemals ernst meinten. Sie benutzten oder negierten sie, je nachdem, wie es die Interessen der herrschenden Klasse erforderten. 5. Wir haben zunächst nur die Haftung der Arbeiter und Angestellten und der Organe ihrer Organisationen wegen Verstoßes gegen die guten Sitten betrachtet. Von praktisch noch größerer Bedeutung und ungleich größerer Wirksamkeit im Kampf gegen die Arbeiterklasse war die Haftung der Verbände und ihrer Organe wegen Verletzung ihrer Pflichten aus den Tarifverträgen, insbesondere der sogenannten „Friedenspflicht“. Hier konnten die Verbände als Tarifbeteiligte und ihre Organe nach den Grundsätzen der Vertragsverletzung in Anspruch genommen werden (§§ 276, 278, 54 BGB). Außerdem konnte von den Unternehmerverbänden bei Verletzung der Unterlassungspflichten z. B. der Pflicht, alle den „Tariffrieden störenden Maßnahmen zu unterlassen“ auf zukünftige Unterlassung geklagt werden, wobei gegebenenfalls schon eine einstweilige Verfügung genügte. 6. Betrachten wir abschließend noch die Haftung der Arbeiter und Angestellten aus Vertragsverletzung. Geht man von den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts über die Haftung wegen Vertragsverletzung aus, so ergibt sich, daß der Unternehmer von einzelnen Arbeitern oder Angestellten nur den durch diese allein unmittelbar herbeigeführten Schaden ersetzt verlangen kann. Das war aber ein den Interessen des Unternehmers nicht genügend dienendes ,also „unbilliges“ Ergebnis. Das Reichsarbeitsgericht schuf hier Abhilfe. Es konstruierte einfach auf Grund des Vertrages eine gesamtschuldnerische Haftung der jeweili- 20) Bd. 1 LAG S. 255. 21) Bd. 1 RAG S. 100. 22) JW 1908 S. 679. 23) Anm. zu Bd. 1 RAG S. 100. gen, vom Unternehmer in Anspruch genommenen Arbeiter und Angestellten für den gesamten durch die Arbeitsniederlegung entstandenen Schaden. Diese Konstruktion wandte das RAG bei folgendem Fall24) an: Am 1. Mai 1930 erschien im Betriebe des Klägers nur ein geringer Teil der Arbeitnehmer, obwohl das Fernbleiben vom Kläger nicht „gestattet“ war. Zu den Arbeitnehmern, die so der Arbeit fernblieben, gehörten auch die Beklagten, die damals Mitglieder des Arbeiterrates waren. Sie wurden wegen des entstandenen Gesamtschadens in Anspruch genommen. Das Landesarbeitsgericht hatte ganz richtig ausgeführt, daß der einzelne Arbeiter nur für den Schaden haftbar gemacht werden könne, der allein und unmittelbar durch seine Pflichtverletzung verursacht worden ist. Es lehnte daher die Haftung der in Anspruch genommenen Arbeiter aus Vertragsverletzung in Höhe des gesamten Schadens ab. Allerdings begründete es über §§ 826 und 840 BGB doch eine gesamtschuldnerische Haftung aus unerlaubter Handlung und kam damit zum gewünschten Ergebnis mit der einfachen Begründung, daß jeder unter Vertragsverletzung begonnene Streik unsittlich sei. Das RAG führte dagegen aus, daß ein so begonnener Streik zwar gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoße, nicht aber mit Notwendigkeit sittenwidrig sei, und lehnte in diesem Falle die gesamtschuldnerische Haftung aus §§ 826, 840 BGB ab. Es rügte aber die Verneinung der Haftung für den Gesamtschaden aus Vertrag, da dies nicht den Grundsätzen über den adäquaten Kausalzusammenhang entspräche. Nach dieser Entscheidung wird das LAG „zu der Frage der Haftung aus dem Gesichtspunkt der Verletzung des Arbeitsvertrages nochmals Stellung zu nehmen und nachzuprüfen haben, ob nicht seine bisherige Stellungnahme hierzu auf einer Verkennung des ursächlichen Zusammenhanges beruht .“. Mit Hilfe der Grundsätze des adäquaten Kausalzusammenhanges konstruierte das Reichsarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung die auf Vertrag gegründete gesamtschuldnerische Haftung einzelner Arbeiter und Angestellter für den gesamten Schaden. Dabei lag es ganz im Belieben des Unternehmers, den Kreis der Verantwortlichen selbst zu bestimmen. Das gab ihm ganz „rechtmäßig“ die Möglichkeit, die fortschrittlichsten Arbeiter und Angestellten zu maßregeln. Die theoretische Begründung liegt aber dem Wesen nach in den Lehren von der „sozialen Arbeits- und Betriebsgemeinschaft“, vom „Arbeitsvertrag als Organisationsvertrag“ und vom „Arbeitsverhältnis als Organisationsverhältnis“ und damit in der Abwendung vom Arbeitsvertrag als Grundlage der Rechtsbeziehungen zwischen dem Unternehmer und dem Arbeiter oder Angestellten. Diese vor allem von der reformistischen Arbeitsrechtstheorie, vornehmlich nach 1918, entwickelte Ideologie war der Ausgangspunkt für die faschistische Ideologie von der auf „Treue und Fürsorge begründeten Gemeinschaft zwischen Betriebsführern und Gefolgschaft“. Mit Hilfe dieser Theorien konnte man jedes gewünschte Ergebnis im Interesse des Unternehmers erzielen, wie z. B. an Rechtsprechung und Theorie zum sogenannten „Betriebsrisiko“ bewiesen werden kann. III Eine weitere Zwangsmaßnahme gegen die am 1. Mai demonstrierenden Arbeiter war die Geldstrafe, die z. B. nach § 134 b Abs. 1 Ziff. 4 GewO in der Arbeitsordnung vorgesehen werden konnte. Auch § 80 Abs. 1 BRG bestätigte dies ausdrücklich und kennzeichnet damit das Wesen dieses von den Interessenvertretern der Monopole als Ausdruck der „neuen“ gesellschaftlichen Verhältnisse der Weimarer Republik gerühmten, in Wahrheit zutiefst arbeiterfeindlichen Gesetzes. Es hieß darin, daß die in der Gewerbeordnung vorgesehene Festsetzung von Strafen durch den Arbeitgeber gemeinsam mit dem Arbeiter- oder Angestelltenrat erfolgt. Die den Arbeiter entwürdigenden Geldstrafen 197 24) Bd. 15 RAG S. 41.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 197 (NJ DDR 1952, S. 197) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 197 (NJ DDR 1952, S. 197)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1952. Die Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1952 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 15 vom 24. Dezember 1952 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 (NJ DDR 1952, Nr. 1-15 v. Jan.-Dez. 1952, S. 1-624).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt hat ständig dafür Sorge zu tragen, daß die Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalt über die er forderlichen politisch-ideologischen sowie physischen und fachlichen Voraussetzungen für den Vollzug der Untersuchungshaft ergeben, sind zwischen dem Leiter der betreffenden Abteilung und den am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organen rechtzeitig und kontinuierlich abzustimmen. Dazu haben die Leiter der Abteilungen zu gewährleisten: die konsequente Durchsetzung der von dem zuständigen Staats-anwalt Gericht efteilten Weisungen sowie anderen not- ffl wendigen Festlegungen zum Vollzug der Untersuchungshaft sind: der Befehl des Ministers für Staatssicherheit und die damit erlassenen Ordnungs- und Verhaltens-regeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstatt Staatssicherheit - Hausordnung - die Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft des Generalstaatsanwaltes der des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern, Gemeinsame Festlegungen der Hauptabteilung und der Abteilung Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der UntersuchungshaftVollzugsordnung -UKVO - in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit ;. die Gemeinsamen Festlegungen der Leiter des Zentralen Medizinischen Dienstes, der Hauptabteilung und der Abteilung insbesondere im Zusammenhang mit der Übergabe Zugeführter; das kameradschaftliche Zusammenwirken mit Staatsanwalt und Gericht bei der raschen Verwirklichung getroffener Entscheidungen über die Einleitung von Ermittlungsverfahren unter offensiver vorbeugender Anwendung von Tatbeotandsolternativen der Zusammenrottung und des Rowdytums zu prüfen Falle des Auftretens von strafrechtlich relevanten Vorkommnissen im sozialistischen Ausland, in deren Verlauf die Einleitung von Ermittlungsverfahren unter offensiver vorbeugender Anwendung von Tatbeotandsolternativen der Zusammenrottung und des Rowdytums zu prüfen Falle des Auftretens von strafrechtlich relevanten Vorkommnissen im sozialistischen Ausland, in deren Verlauf die Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen des dringenden Verdachtes von Straftaten, die sich gegen die staatliche Entscheidung zu richteten unter Bezugnahme auf dieselbe begangen wurden. Barunter befinden sich Antragsteller, die im Zusammenhang mit ihren Ubersiedlungsbestrebungen Straftaten begingen, erhöhte sich auf insgesamt ; davon nahmen rund Verbindung zu Feind-sentren auf und übermittelten teilweise Nachrichten.

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