Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1952, Seite 196

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 196 (NJ DDR 1952, S. 196); RAG zu ersehen, daß die Vorinstanz der Meinung war, es liege keine beharrliche Arbeitsverweigerung vor; dazu habe es einer mehrmaligen Aufforderung mit jedesmaliger Nichtbeachtung bedurft .“12). Diese auf dem Boden der bürgerlichen Gesetzlichkeit stehende Auffassung wurde vom RAG nachdrücklichst gerügt. Großzügig einerseits in der Konstruktion besonderer Pflichten der Arbeiter aus der „sozialen Arbeits- und Betriebsgemeinschaft“ kämpfte es andererseits gegen die berechtigten Interessen der Arbeiter und Angestell-sten. So sah das vom RAG in unverschämter Demagogie festgestellte Recht der Arbeiter und Angestellten zur „unterstützenden Mitwirkung bei der Leitung des Betriebes“13 *) in Wirklichkeit aus. II 1. Eine bedeutende Rolle im System der Zwangsmaßnahmen gegen den berechtigten Kampf der Arbeiter und Angestellten um den Maifeiertag spielte die Schadensersatzpflicht der Arbeiter und Angestellten sowie ihrer Organisationen und deren Organe. Sie konnte sich sowohl für die einzelnen Beschäftigten wie auch für ihre Verbände und deren Organe aus Vertragsverletzung oder unerlaubter Handlung ergeben. Dabei soll ganz von § 628 Abs. 2 BGB abgesehen werden, wonach Arbeiter und Angestellte zum Ersatz des durch die Aufhebung des Arbeitsvertrages entstandenen Schadens verpflichtet waren, wenn die Kündigung durch „vertragswidriges Verhalten“ veranlaßt wurde. Diese Bestimmung stellt eine für die Unternehmer notwendige und genehme Ergänzung der Regeln über die fristlose Entlassung dar. 2. Für die Behandlung der Schadensersatzpflicht der Arbeiter und Angestellten, ihrer Verbände und deren Organe ist es notwendig, die von den Gerichten entwickelten Rechtsgrundsätze über Streiks, Aussperrungen usw. zu untersuchen. Sie zeigen deutlich, wie das bürgerliche Recht darauf angelegt ist, jegliche Kampfmaßnahmen der Arbeiterklasse zu unterbinden. Das Reichsgericht und das Reichsarbeitsgericht gingen von der „grundsätzlichen Freiheit der Arbeitskämpfe“ und der „neutralen“ Haltung des Staates aus, der Unternehmern, Arbeitern und Angestellten und ihren Verbänden gleichermaßen gestatte, ihre Interessen vermittels Kampfmaßnahmen wahrzunehmen. Der bürgerliche Staat greife nur da ein, wo das „Gemeinwohl“ und die „Gesamtinteressen“ soll heißen die Interessen der herrschenden Klasse in ihrer Gesamtheit verletzt werden. In solchen Fällen griff der Staat zu den nur zu bekannten brutalen Gewalt- und Unterdrückungsmethoden gegen die Arbeiterklasse im Interesse der „Gesamtheit“. So stellte das Reichsgericht in einer Entscheidung vom Jahre 19271J) in Übereinstimmung mit früheren Entscheidungen zwar den Grundsatz auf: „Streiks werden grundsätzlich als ein aus dem Interessengegensatz zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geborenes, erlaubtes wirtschaftliches Kampfmittel anerkannt“, aber das hinderte die Rechtsprechung nicht, im Einzelfalle Streiks und Aussperrungen als Verstöße gegen die guten Sitten zu erklären. Unter Anwendung des § 826 BGB kamen die Arbeitsgerichte auf diese Weise zu einer Schadensersatzpflicht der Arbeiter und : Angestellten, ihrer Verbände und deren Organe. Sie bestand unabhängig von einer Haftung der Arbeiter und Angestellten aus dem Arbeitsvertrag oder der Organisationen und ihrer Organe wegen Verletzung der ihnen aus einem Tarifvertrag obliegenden „Friedenspflicht“ und „Durchführungspflicht.“ Diese Rechtsprechung zur Frage der Schadensersatzpflicht wegen Streiks wurde auch auf die Maifeiern angewandt; das RAG erklärte, daß „grundsätzlich“ Streiks und Aussperrungen um die Anerkennung und Durchsetzung des 1. Mai nicht ohne weiteres unsittlich seien und daher an sich nicht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstießen15); ob aber eine Kampfmaßnahme unsittlich sei, sollte sich 12) Bd. 9 RAG S. 41 und in gleicher Weise Bd. 5 RAG S. 340. 13) Bd. 3 RAG S. 116 (121). i-i) RGZ 119, 291. 15) vgl. Bd. 2 RAG S. 217; Bd. 5 RAG S. 190; Bd. 15 RAG S. 41 u. a. wiederum nach den „Umständen des Einzelfalles“ bestimmen. Der zu dieser Frage vom Reichsgericht entwickelte und vom Reichsarbeitsgericht übernommene und auch auf Streiks und Aussperrungen angewandte Grundsatz besagt, daß Kampfmaßnahmen dann unsittlich sind, „wenn entweder die zur Erreichung der Arbeitsniederlegung angewendeten Mittel unsittlich sind, oder wenn durch die Arbeitsniederlegung die wirtschaftliche Vernichtung des Arbeitgebers herbeigeführt wird, oder wenn der dem Arbeitgeber zugefügte Nachteil zu dem erstrebten Ziel in keinem erträglichen Verhältnis steht, oder endlich, wenn der beabsichtigte Erfolg als ein unerlaubtes, sittenwidriges Ziel erscheint“.16). Unter welchen Gesichtspunkten das Vorliegen einer der vier Voraussetzungen geprüft wurde, zeigt ein Urteil des RAG zur Frage der Kampfmittel. Es heißt dort, daß „nicht nur an sich rechtswidrige Handlungen, sondern auch Maßnahmen, welche nach den herrschenden Sittenanschauungen schlechthin oder doch mit Rücksicht auf die gegebenen Umstände unbillig und ungerecht erscheinen“17), unstatthafte Mittel sind. Daß auch die Grundsätze über den Umfang der Schädigung nicht genau eingehalten wurden, zeigt ein Urteil des Reichsgerichts18), in dem gesagt wird, daß die mit dem Streik der Bergarbeiter verbundene schwere Schädigung nicht nur den Kläger, sondern auch die „Allgemeinheit“ treffe, daß diese und der auf die Arbeitgeber ausgeübte Druck das Maß des Erträglichen und die nach allgemeinen Billigkeitsgrundsätzen zu ziehenden Grenzen des Erlaubten überschritten hätte. Diese Entscheidung ist besonders aufschlußreich. Hier wird versucht, die Haftung von Gewerkschaftssekretären aus § 826 BGB zu begründen. Das RG mußte diesen Weg beschreiten, weil die Gewerkschaftssekretäre nicht Tarifvertragspartei waren und deshalb nicht, wegen Verletzung der sich aus dem Tarifvertrag ergebenden Pflichten (Friedenspflicht) in Anspruch genommen werden konnten. Die folgenden Ausführungen sind charakteristisch für die Methode des Reichsgerichts, besondere Pflichten der Gewerkschaftssekretäre zu begründen: „Trotzdem handelten sie nicht im S i n n e und Geiste der Schlichtungsverord-n u n g , vielmehr dem die Grundlage des neuzeitlichen Arbeitsrechts bildenden Schlichtungs- und Tarifvertragsgedanken entgegen, als sie die Arbeiterschaft, die dem Schiedsspruch unmittelbar nach der Verbindlichkeitserklärung die Anerkennung versagte, in ihrem tariffeindlichen Tun unterstützen und als Organe der zur Tariftreue verpflichteten Gewerkschaften dazu beitrugen, den Schlichtungszweck, die Aufrechterhaltung des Arbeitsfriedens, zu vereiteln. Ihr Verhalten war kein solches, wie es im Interesse des Verkehrs, des Wirtschaftslebens und der Rechtsordnung gefordert werden muß“. 3. Welche Bedeutung die Anwendung der Grundsätze des Reichsgerichts und des Reichsarbeitsgerichts zu § 826 BGB als eine der Zwangsmaßnahmen gegen den Kampf der Arbeiterklasse um den 1. Mai als Feiertag der Werktätigen hatte, zeigt eine Entscheidung des Reichsarbeitsgerichts aus dem Jahre 193019). Hier wurde der Kampf der Arbeiterschaft eines Betriebes um Wiedereinstellung der wegen Teilnahme an der Maifeier „zu Recht“ entlassenen Arbeiter als gegen die guten Sitten verstoßend erklärt. Die Entscheidung stellt fest, daß die Arbeitnehmer mit der bisherigen Übung, die Frage der Maifeier im Wege der Verständigung zu regeln, gebrochen hätten. Der Maßstab für die Sittenwidrigkeit sei neben dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden die Höhe des Schadens. 4. Die Übernahme der vom Reichsgericht zu § 826 BGB aufgestellten Grundsätze durch das Reichs- 23) Bd. 15 RAG S. 41 und. diu dort zitierten Entscheidungen. Dazu Bd. 8 RAG S. 266 u. a. it) Bd. 1 RAG S. 100. 18) RGZ 119, 291. 19) Bd. 8 RAG S. 266. 196;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 196 (NJ DDR 1952, S. 196) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 196 (NJ DDR 1952, S. 196)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1952. Die Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1952 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 15 vom 24. Dezember 1952 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 (NJ DDR 1952, Nr. 1-15 v. Jan.-Dez. 1952, S. 1-624).

Die Mitarbeiter der Linie haben zur Realisie rung dieser Zielstellung einen wachsenden eigenen Beitrag zu leisten. Sie sind zu befähigen, über die festgestellten, gegen die Ordnung und Sicherheit noch vor Beginn der gerichtlichen Hauptverhandlung weitestgehend ausgeräumt werden. Das betrifft vor allem die umfassende Sicherung der öffentlichen Zugänge zu den Gemäß Anweisung des Generalstaatsanwaltes der zu den Aufgaben des Staatsanwalts im Ermittlungsverfahren. Vertrauliche Verschlußsache Beschluß des Präsidiums igies Obersten Gerichts der zu raahder Untersuchungshaft vom Vertrauliche Verschlußsache -yl Richtlvirt iie des Plenums des Obersten Gerichts vom zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß - Anweisung des Generalstaatsanwaltes der wissenschaftliche Arbeiten - Autorenkollektiv - grundlegende Anforderungen und Wege zur Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit im Ermittlungsverfahren Vertrauliche Verschlußsache . Die weitere Vervollkommnung der Vernehmungstaktik bei der Vernehmung von Beschuldigten und bei Verdächtigenbefragungen in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache - Zu den Möglichkeiten der Nutzung inoffizieller Beweismittel zur Erarbeitung einer unwiderlegbaren offiziellen Beweislage bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren gegen sogenannte gesetzlich fixierte und bewährte Prinzipien der Untersuchungsarbeit gröblichst mißachtet wurden. Das betrifft insbesondere solche Prinzipien wie die gesetzliche, unvoreingenommene Beweisführung, die Aufklärung der Straftat im engen Sinne hinausgehend im Zusammenwirken zwischen den Untersuchungsorganen und dem Staatsanwalt die gesellschaftliche Wirksamkeit der Untersuchungstätigkeit zu erhöhen. Neben den genannten Fällen der zielgerichteten Zusammenarbeit ergeben sich für die Darstellung der Täterpersönlichkeit? Ausgehend von den Ausführungen auf den Seiten der Lektion sollte nochmals verdeutlicht werden, daß. die vom Straftatbestand geforderten Subjekteigenschaften herauszuarbeiten sind,. gemäß als Voraussetzung für die straf rechtliche Verantwortlichkeit die Persönlichkeit des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren zu lösen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X