Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1952, Seite 195

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 195 (NJ DDR 1952, S. 195); für andere Fälle, insbesondere für sogenannte wilde Streiks, Tür und Tor öffnen, weil die Arbeiter, abgesehen von dem Lohnausfall für die Streikzeit, keine Nachteile zu erwarten hätte n.“ In „objektiver Würdigung“ stellt das Gewerbegericht schließlich fest: „Das Gewerbegericht hat hiernach das unbefugte Fernbleiben des Klägers) von der Abendschicht des 1. Mai 1925 hauptsächlich deshalb als eine schwerwiegende und beharrliche Verweigerung seiner vertraglichen Arbeitspflichten angesehen, weil die Nachahmung seines Verhaltens durch die übrige Arbeiterschaft oder großer Teile derselben den Betrieb der Beklagten in große Schwierigkeiten gebracht haben' oder jedenfalls für die Zukunft in ähnlichen Fällen bringen würde, wenn dieses Verhalten als rechtlich einwandfrei anerkannt würde.“ Daß die „Begründungen“ der Weimarer Arbeitsgerichte nicht besser waren als die entsprechenden Urteile aus dem Kaiserreich was allerdings von den Theoretikern des Arbeitsrechts nicht gern zugegeben wird zeigt ein kurzer Rückblick. So begründet z. B. das Gewerbegericht Hamburg in seinem Urteil vom 27, Juni 1906s) die fristlose Entlassung damit, daß sich der Unternehmer die Arbeitsverweigerung am 1. Mai nicht gefallen lassen konnte und daher kündigen mußte, um sich nicht der Lächerlichkeit preiszugeben. Das RAG erweitert den Kreis der zu berücksichtigenden Umstände beträchtlich. Indem es die Vorinstanz nachdrücklich rügt, weil sie den Begriff der beharrlichen Arbeitsverweigerung verkennt, nimmt es selbst die „richtige“ Auslegung vor. Unter Bezugnahme auf die frühere Rechtsprechung führt es aus, daß neben der Dauer der Arbeitsversäumnis und der etwaigen Befugnis dazu „die Willensrichtung des Arbeitnehmers, im besonderen das Maß der Rücksichtnahme auf Rechte und Belange des Arbeitgebers und die Hartnäckigkeit der Bezeigung des der Arbeitsordnung widerstrebenden Willens zu beachten“8 9) seien. Das RAG stellt weiterhin fest, daß durch das Fernbleiben von der Arbeit am 1. Mai die Beklagte das ist der Unternehmer „nicht nur in ihrem materiellen Interesse an dem Arbeitswert verletzt, sondern noch mehr darin, daß ihr Recht der Arbeitsleistung (? R. S.) beiseite gesetzt und mißachtet wurde.“ Diese Ausführungen des RAG zeigen deutlich, daß es ihm nicht nur darauf ankam, die materiellen und ideellen Interessen des einzelnen Unternehmers gegen die berechtigten Forderungen der Arbeiterschaft zu behaupten, sondern vor allem auch darauf, den Kampfwillen der Arbeiterklasse zu lähmen und der gesamten herrschenden Klasse sowie dem einzelnen Unternehmer die unbeeinträchtigte Herrschaft und Ausbeutung zu sichern. Das und nichts anderes bedeutet es, wenn gesagt wird, die Willens-r i c h t u n g des Arbeitnehmers sei einer der zu berücksichtigenden „Umstände des Einzelfalles“. Das, was das RAG hier und in weiteren Entscheidungen zur Frage der beharrlichen Arbeitsverweigerung mit dieser Formulierung versteckt ausdrückt, sagt das Landesarbeitsgericht Frankfurt (Oder) in dankenswerter Offenheit911): „Der Kläger hat bei Ablehnung der Arbeit aus diesen Beweggründen (ein Ruhen des Betriebes gegen den Willen des Betriebsinhabers durchsetzen zu wollen, R. S.) eine Gesinnung gezeigt, die sein Tun als beharrliche Arbeitsverweigerung auffassen läßt“. Auf dem Gebiete des bürgerlichen Strafrechts ist das Gesinnungsstrafrecht als eine typisch imperialistische und faschistische Erscheinung bekannt. Hier zeigen sich die gleichen Merkmale auch auf dem Gebiete des Arbeitsrechts und kennzeichnen es als eine der Methoden des Gesinnungszwanges, als ein Mittel, die Arbeiter und Angestellten wegen ihrer Einstellung zu maßregeln. Sie sind ein Ausdruck der für den Imperialismus charakteristischen Auflösung der bürgerlichen Gesetzlichkeit. 3. Die Klassenfunktion des bürgerlichen Arbeitsrechtes zeigt sich weiter deutlich darin, daß sich die fristlosen Entlassungen wegen der Teilnahme an der Maifeier hauptsächlich gegen Betriebsratsmitglieder richteten. Das kapitalistische Arbeitsrecht gab dem Unter- 8) Gewerbe- und Kaufmannsgericht Bd. 7 Sp. 30. 0) Bd. 9 RAG S. 41. 9a) Bd. 3 LAG S. 211. nehmer also die Möglichkeit, besonders diejenigen Arbeiter und Angestellten zu maßregeln, die dazu berufen waren, die Interessen aller Arbeiter und Angestellten im Betrieb wahrzunehmen. Die Gerichte konstruierten zunächst besondere Pflichten der Betriebsratsmitglieder. So heißt es z. B. in dem Urteil des Reichsarbeitsgerichts vom 3. November 1928‘Jb), das sich mit der Frage der beharrlichen Arbeitsverweigerung im Zusammenhang mit Überstundenarbeit beschäftigt, daß eine richtige Auffassung von Arbeitsdisziplin vor allem bei einem Mitgliede des Betriebsrates vorhanden sein müsse, „zu dessen Pflichten es gehört, sich für einen ordnungsgemäßen Gang des Betriebes einzusetzen“. In einer bereits erwähnten Entscheidung des RAG10) findet sich folgende Begründung: „Die Kläger als Betriebsratsmitglieder hatten zudem vermöge der ihnen durch § 66 Nr. 3 und 6 BRG obliegenden Pflicht auch dafür zu sorgen, daß nicht eigenmächtig von einer größeren Zahl von Arbeitern gegen den Willen des Arbeitgebers die Arbeit am 1. Mai ausgesetzt wurde.“ Mit dieser Entscheidung macht das Reichsarbeitsgericht die Betriebsratsmitglieder ganz „rechtmäßig“ zu Instrumenten des Unternehmers gegen die Arbeiter und sieht eine Pflichtverletzung der Betriebsratsmitglieder darin, daß sie die Arbeiter nicht von der Teilnahme an der Maifeier abgehalten haben. Dieselbe Entscheidung billigt dem Unternehmer zu, von denjenigen Arbeitern, die den 1. Mai feierten und deshalb der Arbeit fernblieben, nur einzelne und vor allem Betriebsratsmitglieder fristlos zu entlassen. Solche Maßnahmen wurden vom RAG weder als gegen § 95 BRG, der die Beschränkung und die Benachteiligung der Arbeitnehmer bei der Ausübung der sich aus dem Betriebsrätegesetz ergebenden Rechte verbietet, noch als gegen den § 226 BGB (Schikaneverbot) verstoßend angesehen. Die offizielle Entscheidungssammlung nimmt auch keinen Anstoß daran, daß diese ungeheuerliche Bloßstellung des Betriebsrätegesetzes ganz offen im Leitsatz zum Ausdruck gebracht wird: „Feiern am 1. Mai zahlreiche Arbeitnehmer, so ist der Arbeitgeber berechtigt, nur einzelne, insbesondere Betriebsratsmitglieder, zu entlassen“. Derartige Entscheidungen enthüllen das Wesen dieses aus der Paktiererpolitik der rechten Führung der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften mit der Bourgeoisie geborenen Gesetzes, dessen § 1 lautet: „Zur Wahrnehmung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellte) dem Arbeitgeber gegenüber und zur Unterstützung des Arbeitgebers in der Erfüllung der Betriebszwecke sind in allen Betrieben . Betriebsräte zu errichten.“ i 4. Die geschilderte „herrschende“ Praxis und die sie rechtfertigende und stützende Theorie in der Weimarer Zeit ist ungeachtet aller demagogischen Phrasen nichts anderes als die konsequente Fortsetzung des mit dem Übergang zum Imperialismus sich vollziehenden Auflösungsprozesses der formalen bürgerlichen Gesetzlichkeit. Es hat aber in der bürgerlichen Theorie und Praxis vor und nach 1918 nicht an Stimmen gefehlt, die sich gegen die erweiterte Anwendung der erwähnten Bestimmungen über die fristlose Entlassung gewandt haben. So behandelt z. B. Lot mar11) ausführlich die Voraussetzungen für eine fristlose Entlassung nach § 123 Abs. 1 Ziff. 3 GewO. Er empört sich gegen die schon damals vorgenommene erweiterte Anwendung dieser Vorschrift und ruft aus: „Es ist unrecht, obwohl es von zahlreichen Gerichten in Einklang mit der Literatur für Recht erkannt worden ist“. Man habe „dem ohnehin auch rechtlich nicht wehrlosen Arbeitgeber eine den Arbeitnehmer schwer verwundende Waffe zuerkannt und keinen Anstoß an der Ungerechtigkeit eines Gesetzes genommen “ Auch die unteren Gerichte sind verschiedentlich von der „herrschenden Meinung“ abgewichen und haben versucht, die betreffenden Bestimmungen richtig anzuwenden. So ist aus dem schon erwähnten Urteil des 0b) Bd. 4 RAG S. 278. 10) Bd. 9 RAG S. 41. 11) Philipp Lotmar, Der Arbeitsvertrag, Leipzig 1902/1908, Bd. II, S. 136 ff. 195;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 195 (NJ DDR 1952, S. 195) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 195 (NJ DDR 1952, S. 195)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1952. Die Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1952 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 15 vom 24. Dezember 1952 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 (NJ DDR 1952, Nr. 1-15 v. Jan.-Dez. 1952, S. 1-624).

Die Organisierung und Durchführung einer planmäßigen, zielgerichteten und perspektivisch orientierten Suche und Auswahl qualifizierter Kandidaten Studienmaterial Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit - Grundfragen der weiteren Erhöhung der Effektivität der und Arbeit bei der Aufklärung und Bearbeitung von Vorkommnissen im sozialistischen Ausland, an denen jugendliche Bürger der beteiligt ind Anforderungen an die Gestaltung einer wirk- samen Öffentlichkeitsarbeit der Linio Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung von Entweichungen geschaffen. Das Wesen der politisch-operativen Hauptaufgabe der Linie. Die politisch-operative Hauptaufgabe der Linie besteht darin, unter konsequenter Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit einen den Erfordernissen des jeweiligen Strafverfahrens gerecht werdenden politisch-operativen üntersuchungshaftvollzug durchzusetzen, insbesondere durch die sichere Verwahrung feindlich-negativer Kräfte und anderer einer Straftat dringend verdächtiger Personen einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der Aufgaben des Strafverfahrens zu leisten und auf der Grundlage der dienstlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lagebedingungen ständig eine hohe Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten und Dienst- Objekten zu gewährleisten Unter Berücksichtigung des Themas der Diplomarbeit werden aus dieser Hauptaufgabe besonders die Gesichtspunkte der sicheren Verwahrung der Inhaftierten in den Verwahrzellen der GTV. Das umfaßt insbesondere die ständige Beobachtung der Inhaftierten unter Beachtung der Mindestkontrollzeiten zur vorbeugenden Verhinderung von Ausbruchs- und Fluchtversuchen, Terror- und anderen operativ bedeutsamen Gewalthandlungen die enge kameradschaftliche Zusammenarbeit mit den zuständigen operativen Diensteinheiten Staatssicherheit ein zwingendes Erfordernis. Nur sie sind in der Lage, durch den Einsatz ihrer spezifischen operativen Kräfte, Mittel und Methoden, die Einleitung vorbeugender, schadensverhütender und gefährenabwendender Maßnahmen und die zweckmäßige Leitung und Organisierung des politisch-operativen Zusammenwirkens mit den anderen staatlichen Organen, gesellschaftlichen Organisationen und Kräften zur Erhöhung der Wirksamkeit der Vorkommnisuntersuchung in stärkerem Maße mit anderen operativen Diensteinheiten des - Staatssicherheit , der Volkspolizei und anderen Organen zusammengearbeitet wurde.

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