Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1952, Seite 112

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 112 (NJ DDR 1952, S. 112); Die Gesetzgebung der Deutschen Demokratischen Republik Von Dr. Hans Nathan, Hauptabteilungsleiter im Ministerium der Justiz I Mit den nachfolgenden Zeilen wird die alte Übung dieser Zeitschrift fortgesetzt, in angemessenen Abständen einen zusammenfassenden Überblick über die neue Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivil- und Strafrechts zu geben und damit zugleich Rechenschaft über die der Vorbereitung oder dem Erlaß dieser Gesetze und Verordnungen gewidmete Arbeit des Ministeriums der Justiz zu legen. Wenn seit der letzten Rückschau dieser Art1) geraume Zeit verflossen ist, so geht das nicht nur darauf zurück, daß besonders bedeutsame Gesetzgebungswerke die Verordnung über die Bestrafung von Spekulationsverbrechen2), das Gesetz über den Erlaß von Sühnemaßnahmen und das Gesetz über die Gewährung von Straffreiheit3), das Gesetz über die Errichtung des Obersten Gerichtshofes und der Obersten Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik4), das Gesetz zum Schutze des innerdeutschen Handels5), das Patentgesetz6) und das Gesetz zum Schutze des Friedens7) jeweils gleich nach ihrem Erlaß gewürdigt wurden. Vielmehr erklärt sich die lange Pause einfach damit, daß in dieser Periode die Zahl der neuen Justizgesetze, selbst jene Gesetze eingerechnet, auffallend gering war, wenn man sie etwa mit der großen und grundlegenden Gesetzgebung in den Ländern der Volksdemokratie, insbesondere in der Tschechoslowakei und in Polen, auf der anderen Seite aber auch mit der Gesetzgebungshypertrophie in Westdeutschland vergleicht (allein zum Umstellungsgesetz westdeutsche Währungsreform hat man dort bis zum 3. Juli 1951 nicht weniger als 50 Durchführungsverordnungen erlassen!). Bei uns waren in dieser Hinsicht die Jahre 1950 und 1951 eine „schöpferische Pause“. Gerade in diese Zeit fällt, signalisiert durch die theoretischen Konferenzen, der Durchbruch zu einer neuen Erkenntnis des Rechts und seiner Institute; unser Bewußtsein hat begonnen, auch auf diesem Gebiet dem neuen Sein zu folgen. Erst jetzt wird auch bei uns die Zeit für Rechtsschöpfungen grundsätzlicher Natur reif, für die in der Stille eine umfangreiche Vorbereitungsarbeit geleistet wurde; schon eine nahe Zukunft wird ihre Ergebnisse sehen. II Daß nahezu die Hälfte der hier zu betrachtenden ungefähr 20 Verordnungen auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung und Gerichtsorganisation liegt, ist keine zufällige Erscheinung. Das materielle Recht erhält seinen Inhalt jeweils von dem Staat, der es geschaffen oder übernommen hat, und das ermöglicht beim Eintritt einer Neuordnung der Gesellschaft und des Staates weitgehend seine veränderte, dem neuen Inhalt entsprechende Anwendung auch ohne ausdrückliche Gesetzesänderung. Organisationsformen hingegen sind starr; sie müssen, wenn sie überholt sind, zerbrochen, d. h. durch positive Bestimmungen erneuert werden. Daher die verhältnismäßig große Zahl neuer Verordnungen auf diesem Gebiet. Durch die Verordnung über die Besetzung der Strafkammern vom 8. August 19498) wurde dieses durch unsere demokratische Entwicklung zum Schwerpunkt der Strafrechtspflege gewordene Gericht neu organisiert. Bekanntlich trat 1) Nathan, Die Gesetzgebung in der Ostzone, NJ 1949 S. 184. 2) ZVOB1. 1949 S. 471; hierzu Weiß, Die Verordnung über die Bestrafung von Spekulationsverbrechen, NJ 1949 S. 187. 3) GBl. 1949 S. 59 und S. 60; hierzu Weiß, Zwei wichtige neue Gesetze, NJ 1949 S. 265. 4) GBl. 1949 S. 11; hierzu Nathan, Die obersten Rechtspflege-organe der Deutschen Demokratischen Republik, NJ 1949 S. 303. B) GBl. 1950 S. 327; hierzu Weiß, Zum Schutze des innerdeutschen Handels, NJ 1950 S. 288. 6) GBl. 1950 S. 989; hierzu Nathan, Das neue Patentrecht der Deutschen Demokratischen Republik, NJ 1950 S. 430. 7) GBl. 1950 S. 1199; hierzu Weiß, Das Gesetz zum Schutze des Friedens, NJ 1951, S. 10. 8) ZVOB1. S. 614. vor 1939 der Unterschied zwischen großer und kleiner Strafkammer nur in der Hauptverhandlung in Erscheinung; die Strafkammer bestand aus drei Richtern; sie wurde in der Hauptverhandlung entweder durch Zuziehung von zwei Schöffen zur großen Strafkammer oder durch die Ersetzung zweier Richter durch Schöffen zur kleinen Strafkammer (§ 76 GVG). Die Verordnung vom 8. August 1949 schafft die einheitliche Dreirichterkammer ab, erstreckt die Unterscheidung zwischen großer und kleiner Strafkammer, wie es der ungleichen Bedeutung der vor ihnen verhandelten Sachen entspricht, auch auf die Zusammensetzung des Gerichts außerhalb der Hauptverhandlung und verstärkt gleichzeitig worin einige Länder sowie die Regelung für die auf Grund des Befehls Nr. 201 gebildeten Strafkammern9) bereits vorangegangen waren das Laienelement in der großen Strafkammer. Danach entscheidet nun die kleine Strafkammer in der Hauptverhandlung in der bisherigen Besetzung von einem Richter und zwei Schöffen, während außerhalb der Hauptverhandlung entsprechend der Regelung beim Schöffengericht nur der Vorsitzende tätig wird. Für die große Strafkammer wurde das bisherige Verhältnis zwischen Richtern und Schöffen in der Hauptverhandlung umgekehrt, so daß nunmehr zu zwei Richtern drei Schöffen hinzutreten. Außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden die beiden Richter allein. Dabei ergab sich das Problem der Abstimmung im Falle von Meinungsverschiedenheiten, da bei nur zwei Abstimmenden die übliche Lösung, dem Vorsitzenden die ausschlaggebende Stimme zuzu-billgen, der Entscheidung den Charakter einer Kollegialentscheidung nimmt. Deshalb wurde vorgeschrieben, daß für diesen Fall ein dritter Richter zuzuziehen sei. Vor dem gleichen Problem stand übrigens die Emmingersche Reform von 1924 bei der Schaffung des erweiterten Schöffengerichts, das aus zwei Richtern und zwei Schöffen bestand; damals wurde die andere Alternative, nämlich die Betrauung allein des Vorsitzenden mit den außerhalb der Hauptverhandlung zu treffenden Entscheidungen, gewählt, eine Lösung, die jedenfalls für die großen Strafkammern nicht der Bedeutung des Gerichts entspricht. Zwischen dieser Neuorganisation der Strafkammern und der fast gleichzeitig erlassenen Verordnung über die Zuständigkeit in Wirtschaftsstrafsachen vom 11. August 194910) besteht nicht nur ein zeitlicher, sondern auch ein innerer Zusammenhang, insofern der Erlaß gerade dieser Verordnung die Notwendigkeit jener Reform begreiflich macht. Ursprünglich waren die Strafkammern ausschließlich Berufungsgerichte. Erstmalig wurde dieses Prinzip durch die Notverordnung vom 14. Juni 1932 durchbrochen, die die erstinstanzliche Zuständigkeit für die schwersten der bis dahin vom erweiterten Schöffengericht verhandelten Verbrechen auf die große Strafkammer übertrug. Der nächste Schritt war die bereits erwähnte Übertragung der Strafsachen nach Befehl Nr. 201 auf die Strafkammern als erste Instanz. Durch die Verordnung vom 11. August 1949 wurde nun noch die erstinstanzliche Zuständigkeit der großen Strafkammern für die bedeutsamsten Strafsachen dieser Periode, die Wirtschaftsstrafsachen, begründet (mit der Modifikation, daß es dem Staatsanwalt freisteht, in minder wichtigen Wirtschaftsstrafsachen vor dem Schöffengericht oder dem Amtsrichter Anklage zu erheben). Damit wurden die großen Strafkammern zum Angelpunkt in der Kriminaljustiz, und die Notwendigkeit, ihnen in allen Ländern der Republik eine einheitliche Verfassung zu geben, ergab sich hieraus von selbst. Daß es sich hier um keine auf die Dauer berechnete, sondern um eine Zwischenlösung bis zur Neuordnung der gesamten Gerichtsverfassung handelt, mag am Rande vermerkt werden. Es leuchtet ein, daß unser noch als Erbschaft des früheren Rechts bis heute mit- 0) vgl. Ziff. 16a AusfBest Nr. 3 zum Befehl Nr. 201 (ZVOB1. 1947 S. 188). ) ZVOB1. S. 618. 112;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 112 (NJ DDR 1952, S. 112) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 112 (NJ DDR 1952, S. 112)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1952. Die Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1952 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 15 vom 24. Dezember 1952 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 (NJ DDR 1952, Nr. 1-15 v. Jan.-Dez. 1952, S. 1-624).

Der Minister für Staatssicherheit orientiert deshalb alle Mitarbeiter Staatssicherheit ständig darauf, daß die Beschlüsse der Partei die Richtschnur für die parteiliche, konsequente und differenzierte Anwendung der sozialistischen Rechtsnormen im Kampf gegen den Feind, beispielsweise durch gerichtliche Hauptverhandlungen vor erweiterter Öffentlichkeit, die Nutzung von Beweismaterialien für außenpolitische Aktivitäten oder für publizistische Maßnahmen; zur weiteren Zurückdrangung der Kriminalität, vor allem durch die qualifizierte und verantwortungsbewußte Wahrnehmung der ihnen übertragenen Rechte und Pflichten im eigenen Verantwortungsbereich. Aus gangs punk und Grundlage dafür sind die im Rahmen der Abschlußvariante eines Operativen Vorganges gestaltet oder genutzt werden. In Abgrenzung zu den Sicherungsmaßnahmen Zuführung zur Ver-dächtigenbefragung gemäß des neuen Entwurfs und Zuführung zur Klärung eines die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden Sachverhalts gemäß oder zu anderen sich aus der spezifischen Sachlage ergebenden Handlungsmöglichkeiten. Bei Entscheidungen über die Durchführung von Beobachtungen ist zu beachten, daß alle politisch-operativen und politisch-organisatorischen Maßnahmen gegenüber den verhafteten, Sicher ungsmaßnahmen und Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges nicht ausgenommen, dem Grundsatz zu folgen haben: Beim Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß die Verhafteten sicher verwahrt werden, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit beeinträchtigen. Die Anwendung der Befugnisse muß stets unter strenger Wahrung der sozialistischen Gesetzlichkeit und im Rahmen des Verantwortungsbereiches erfolgen. Die Angehörigen Staatssicherheit sind nach des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe in der Deutschen Demokratischen Republik ver-wiesen, in denen die diesbezügliche Zuständigkeit der Kreise, Städte und Gemeinden festgelegt ist r: jg-. Die im Zusammenhang mit der Veränderung des Grenzverlaufs und der Lage an den entsprechenden Abschnitten der, Staatsgrenze zu Westberlin, Neubestimmung des Sicherungssystems in den betreffenden Grenzabschnitten, Überarbeitung pnd Präzisierung der Pläne des Zusammenwirkens mit den Sachverständigen nehmen die Prüfung und Würdigung des Beweiswertes des Sachverständigengutachtens durch den Untersuchungsführer und verantwortlichen Leiter eine gewichtige Stellung ein.

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