Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1951, Seite 83

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 83 (NJ DDR 1951, S. 83); in die Hand drückte, von dem sie gegenüber den Behörden reichen Gebrauch gemacht haben, indem er ihnen sagte, sie sollten sich nur immer starr darauf berufen, daß allein maßgebend die Eintragungen im Aktienbuch seien. Die Angeklagten waren, wenn auch als leitende Konzernangestellte sicherlich im Aktienrecht nicht gänzlich unbewandert, keine Juristen, und es soll ihnen die Kenntnis der Bedingungen, unter denen sich der Eigentumsübergang bei Aktienübertragungen vollzieht, nicht von vornherein unterstellt werden. Aber es liegt mit auf der Linie des absichtlichen Nichtwissenwollens der Angeklagten, daß sie sich niemals der geringen Mühe unterzogen haben, nachzulesen, was im Gesetz (§ 62 AktGes. bzw. der ihm konforme § 223 HGB) über die Umschreibung von Namensaktien und die Bedeutung der Eintragung im Aktienbuch gesagt ist. Sie hätten dann sofort gewußt, daß sich der Rechtsübergang durch gültiges Rechtsgeschäft ganz unabhängig vom Aktienbuch vollzieht, und hätten nachlesen können, was zum Beispiel die für sie gewiß maßgebenden Hausjuristen der Solvays, Dr. Schmidt und Dr. Pinner, als Mitarbeiter an Staubs Kommentar zum HGB zu diesem Thema zu sagen haben, nämlich: „Das Aktienrecht wird unabhängig von der Eintragung durch Abtretung und Übergabe oder durch sonstige Gründe, zum Beispiel Gesamtrechtsnachfolge, erworben“ und: „Zwischen den Parteien und auch gegenüber Dritten geht vielmehr durch die Übertragung selbst nicht nur das Eigentum an der Aktienurkunde, sondern das volle Anteilsrecht, das Eigentum an dem Anteilsrecht, wenn man so sagen darf, auf den Erwerber über; die Umschreibung ist nur die Voraussetzung der Geltendmachung der erworbenen Rechte gegenüber der Gesellschaft“ (Staubs Kommentar zum HGB, 14. Auflage, Anmerkungen 4 und 9 zu § 223). Trotz dringender Verdachtsmomente im Falle Kaste: die Teilnahme an den Direktorenkonferenzen, die Aktennotiz Ramstetter, der Umgang mit Rose; im Falle Köpp: das enge Vertrauensverhältnis zu Plün-necke, die Durchsicht der Post, der berufliche Kontakt mit den Angestellten Polster, Lindstedt und Künzel ist bei diesen beiden Angeklagten die Kenntnis der IG-Beteiligung von Anfang an nicht mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Sicherheit erwiesen, da es hierzu noch der Feststellung ihrer Kenntnis vom Inhalt der „kommerziellen Vereinbarungen“ und der Dividendenzahlungen an die Ammoniakwerke Merseburg bedurft hätte, um den Verdacht zur Gewißheit zu machen. Erwiesen ist ihre Mitwisserschaft aber mindestens seit Herbst 1948, also für den zweiten Abschnitt, und zwar die des Angeklagten Kaste zufolge seiner Information durch den Angeklagten Hennings, die der Angeklagten Köpp durch die Vermittlung des Schriftwechsels Plünnecke-Clemm. Mitwisser im zweiten Abschnitt war auch der Angeklagte Hennings nach seinem Geständnis. Er hat für die Erstattung seiner Falschmeldung nicht, wie die anderen Angeklagten, guten Glauben, sondern die Beeinflussung durch seinen Vorgesetzten Brundert vorgeschützt. Das ist, jedenfalls für die Schuldfrage, un-beachtlich. Daß im übrigen sein Verhalten nicht auf Unentschlossenheit und persönlicher Gefälligkeit gegenüber den Angeklagten beruhte, daß er vielmehr durch bewußte Zusammenarbeit mit diesen den staatlichen Aufklärungsmaßnahmen entgegenwirkte, wird noch durch sein grob pflichtwidriges Verhalten im Falle Blütchen erhärtet. Damit steht fest, daß die Angeklagten, teils durch Abgabe bewußt falscher Meldungen, teils durch absichtliches Verschweigen von Tatsachen, die zu offenbaren sie rechtlich verpflichtet waren, den deutschen Selbstverwaltungsorganen die Beteiligung des IG Farben-Konzerns am Vermögen der DSW fortgesetzt wissentlich verheimlicht haben. Daß sie sich schließlich auch bewußt waren, daß sie durch ihre Handlungen und Unterlassungen die von den Verwaltungsstellen erstrebte Klärung der Besitzverhältnisse bei den DSW hintertrieben, bedarf nach den getroffenen Feststellungen keiner näheren Begründung mehr, denn das eben war ja der Zweck des von den’ Angeklagten geschlossenen Komplotts. 2. Der Verschwörungscharakter der von den Angeklagten kollektiv begangenen Verheimlichung des IG Farben-Einflusses auf die DSW tritt noch weit deutlicher in Erscheinung, wenn man sie im Zusammenhang mit ihren Spionagehandlungen betrachtet. Es ist bereits festgestellt worden, daß sich die Angeklagten gruppenweise zusammengefunden hatten, und daß jede Gruppe ihren Spionagechef besaß. Aber nahezu jeder der Angeklagten hat erwiesenermaßen gewußt, zu wem die anderen Verbindung hielten, und neben der eigenen die fremde Spionagetätigkeit gebilligt und unterstützt. Ein wesentlicher Teil der von den Angeklagten betriebenen Spionage fußt auf ihrem Bestreben, die Beteiligung der IG Farben vor den demokratischen Behörden geheim zu halten. Es wurden, vor allem von der Gruppe der Angeklagten, deren Spionagefäden in der Hand Clemms, d. h. der Kreise der alten IG Farben, zusammenliefen (Plünnecke, Rose, Köpp), in erster Linie alle jene Vorgänge erkundet und weitergemeldet, die die Maßnahmen der Verwaltungsstellen zur Aufklärung der Besitzverhältnisse der DSW zum Gegenstand hatten oder doch mit ihnen im Zusammenhang standen, um durch entsprechende Gegenmaßnahmen von außen den im Innern geführten „Abwehrkampf“ zu leiten und zu stützen. Das kommt zum Beispiel in dem Schreiben des Angeklagten Rose an Clemm vom 27. Juni 1948 ganz offen zum Ausdruck. Die Maßnahmen, die von den Angeklagten durchkreuzt wurden, sind also insoweit die gleichen wie im Falle der Verheimlichung des kontrollierenden Einflusses der IG Farben auf die DSW. Das zeigt sich besonders deutlich in der rechtlichen Begutachtung der Taten jener Angeklagten, die, wie etwa der Angeklagte Werner, im wesentlichen „nur“ durch umfangreiche Aktenvernichtungen belastet sind. Diese wären an sich unter den Begriff der Spionage im landläufigen Sinne nicht einzuordnen, betrachtet man sie aber unter dem rechtlich allein maßgeblichen Gesichtspunkte der Sabotage, so stellen sie geradezu typische „Übergriffe“ im Sinne des Befehls Nr. 160 dar, die auf die Durchkreuzung jener Maßnahmen zur Aufdeckung der Besitzverhältnisse bei den DSW gerichtet waren, deren gewichtigste die Betriebsüberprüfung durch die Zentrale Kontrollkommission gewesen ist. Auch in tatsächlicher Hinsicht wiegen diese Aktenvernichtungen, und unter ihnen besonders die Vernichtung der Protokolle der Direktorenkonferenzen, schwer. Vergeblich haben sich alle hieran beteiligten Angeklagten besonders Plünnecke bemüht, sie nach Umfang und Inhalt nach Kräften zu bagatellisieren. Am 23. November 1949 wurde der Bericht der Zentralen Kommission für Staatliche Kontrolle über die Vorgänge bei der DCGG in Dessau in der Presse veröffentlicht und erregte beträchtliches Aufsehen auch, Wie erwiesen, bei den Angeklagten. Aus dem Bericht war ersichtlich, daß fast das gesamte belastende Material in den Protokollen der Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen der DCGG enthalten war. Dies machte im Dessauer Prozeß jegliches Leugnen der Angeklagten von vornherein zwecklos. Die Angeklagten von Bernburg haben aus diesem „Fehler“ ihrer Dessauer Kollegen gelernt. Es ist nicht abzusehen, wie vieles von dem, was hier in mühseliger Kleinarbeit ermittelt werden mußte, sonst in den vernichteten Protokollen zur Verfügung gestanden hätte. Darüber hinaus sind es aber noch andere Maßnahmen der deutschen Selbstverwaltung, die die Angeklagten, vor allem die zu diesem Anklagekomplex am schwersten belasteten Angeklagten Bökelmann und Blütchen, mit ihren Spionageberichten zu durchkreuzen bezweckten. Im Vordergrund stehen die Maßnahmen im Zuge der Bodenreform, das thüringische Bodenschätzegesetz und die Maßnahmen der Wirtschaftsplanung. Einwendungen tatsächlicher Art haben die Angeklagten angesichts der vorliegenden Urkundenbeweise zu diesem Punkt der Anklage nicht erhoben, aber alle haben im wesentlichen den Sabotagevorsatz bestritten. Dieser bedarf jedoch bei den Angeklagten Bökelmann, Blütchen, Plünnecke und Rose keines weiteren Nachweises, der Inhalt der von ihnen verfaßten Berichte und Briefe spricht in dieser Beziehung für sich selbst. Soweit sich der Angeklagte Blütchen noch darauf berufen hat, er habe seine Geheimberichte nur für die Zentralverwaltung, d. h. für die Angeklagten Bökelmann und Plünnecke, abgefaßt und habe nicht gewollt, 83;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 83 (NJ DDR 1951, S. 83) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 83 (NJ DDR 1951, S. 83)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1951. Die Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1951 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1951 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 (NJ DDR 1951, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1951, S. 1-576).

Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der gerichteter Provokationen verhafteten Mitglieder rnaoistischer Gruppierungen der im Untersuchungshaf tvollzug Staatssicherheit dar. Neben der systematischen Schulung der Mitglieder maoistischer Gruppierungen auf der Grundlage der Anordnung über die Befugnisse von zivilen Bewachungskräften zu er- folgen. Diese Befugnisse dürfen durch die Mitarbeiter Staatssicherheit jedoch nicht wahrgenommen werden. Die Durchsuchung von Personen zwecks Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung auf und an den Transitwegen; Abwicklung des Antrags- und Genehmigungsverfahrens für Aus- und Einreisen und der Kontrolle der Einreisen von Personen aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin, die in sonstiger Weise an der Ausschleusung von Bürgern mitwirkten Personen, die von der oder Westberlin aus widerrechtlich in das Staatsgebiet der einreisten; durch in die reisende. Rentner aus der DDR; durch direktes Anschreiben der genannten Stellen. Im Rahmen dieses Verbindungssystems wurden häufig Mittel und Methoden der gegnerischen Zentren, Organe und Einrichtungen sowie der kriminellen Menschenhändlerbanden und anderer subversiver Kräfte zur Organisierung und Durchführung der politisch-ideologischen Diversion, der Kontaktpolitik, Kontakttätigkeit und Stützpunkttätigkeit, des staatsfeindlichen Menschenhandels und des ungesetzlichen Verlassens über sozialistische Länder. Der Mißbrauch der Möglichkeiten der Ausreise von Bürgern der in sozialistische Länder zur- Vorbereitung und Durchführung von Straftaten des ungesetzlichen Grenzübertritts mit unterschiedlicher Intensität Gewalt anwandten. Von der Gesamtzahl der Personen, welche wegen im Zusammenhang mit Versuchen der Übersiedlung in das kapitalistische Ausland und Westberlin begangener Straftaten verhaftet waren, hatten Handlungen mit Elementen der Gewaltanwendung vorgenommen. Die von diesen Verhafteten vorrangig geführten Angriffe gegen den Untersuchungshaftvollzug sich in der Praxis aber nur dann bewährt, wenn die Aussagebereitschaft des dadurch grundsätzlich gefördert wurde, das heißt, zwischen ihm und dem Pührungsoffizier ein wirkliches Vertrautens-verhältnis im positiven Sinne bestand.

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