Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1951, Seite 59

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 59 (NJ DDR 1951, S. 59); die lex salica, daß für die Tötung eines königlichen Gefolgsmannes ein dreimal so hohes Wergeid wie für die Tötung eines einfachen freien Franken zu zahlen war, während das Wergeid für die Tötung eines Unfreien nur die Hälfte hiervon betrug. Aus dem System der Zwangsbußen entwickelte sich das System der peinlichen Strafen (Vierteilen, Köpfen, Verbrennen, Sieden in Wasser und öl usw.), welches ursprünglich nur gegen Knechte angewandt worden war. Die peinlichen Strafen verdrängten allmählich die anderen Zwangsmaßnahmen und bestimmten den Charakter des feudalen Strafsystems. Sie zeigen den knechtenden, den unterdrückenden Charakter des feudalen Strafrechts auf. Es ist bezeichnend für die bürgerliche Rechtswissenschaft, daß einer ihrer Vertreter den gesellschaftlichen Charakter der germanischen Sittenregeln mit dem Klassencharakter des feudalen Strafrechts unter dem Oberbegriff „germanisches Strafrecht“ zusammenfaßt. Der Klassencharakter des feudalen Strafrechts zeigt sich besonders in der Ausgestaltung der Straftatbestände; z. B. wurde die geringste Beleidigung des Feudalherrn strengstens geahndet; dagegen gab es keine Strafrechtsregel (Strafrechtsnorm), die den Leibeigenen vor ehrenrührigen Handlungen seines Herrn schützte. Die Feudalherren verletzten willkürlich die Überreste germanischer Volksfreiheiten, das Recht aller an Wald, Wiese, Wasser, die sie schließlich ganz an sich rissen. Wurden die durch diesen Raub entstandenen Privilegien aber durch Bauern verletzt, so wurden die Bauern rücksichtslos bestraft. Der Kurfürst von Brandenburg ließ „Wilderern“ die Augen ausstechen; später wurden sie mit dem Tode bestraft. Philipp von Hessen ließ den „Baumfrevlern“ den Nabel aus dem Leibe reißen und an den verletzten Baum nageln; dann ließ er sie mit Peitschenhieben so lange um den Baum herumtreiben, bis ihre Eingeweide aus dem Leib gewunden waren. Mit grausamer Härte wurde die politische Macht der Feudalherren (die in der Regel zugleich Gerichtsherren ihrer Bauern waren) verteidigt. Das „Ärgernis“ gegen des Täters eigenen Herrn zog die schwerste Strafe, das Vierteilen, nach sich. Köpfen, Rutenstreichen und Ausweisung wurden gegen „geverliche, fürsetzliche und bosshaftige aufruren des gemeynen volcks wider die oberkeyt“ angedroht. Durch ebenso grausame Strafandrohungen wurden die feudale Staatskirche und die feudalkirchlichen Anschauungen gegen „gefährliche Gedanken“ gesichert. Auf „Gotteslästerung“ und „Zauberei“ stand die Todesstrafe. Nach der Peinlichen Gerichtsordnung mußte bei kleinem Diebstahl der Dieb das Doppelte bezahlen, der arme Unvermögende aber „ein etlich zeitlang“ im Kerker liegen. Der offenbare Diebstahl wurde mit peinlicher Strafe bedroht; war der Täter aber eine „ansehnliche Person“, dann war er „bürgerlich“ mit dem vierfachen zu bestrafen. Der ungarische Bauemführer Dosza wurde nach dem gescheiterten Bauernaufstand auf einen glühend gemachten eisernen Thron gesetzt. Dann peinigte man ihn mit glühenden Zangen zu Tode. Die ungarische Magnatin Elisabeth Bathory dagegen, die auf ihrem Schlosse mit sadistischer Grausamkeit etwa 650 Mädchen umgebracht hatte, wurde lediglich dazu verurteilt, zeit ihres Lebens das Schloß nicht verlassen zu dürfen. Mit Recht klagt Sebastian Brandt in seinem „Richterlichen Clagspiegel“ darüber, daß der Edelmann und der Reiche nicht bestraft werden, sondern sich loskaufen können, und zieht daraus die Schlußfolgerung: „Also merck, dass alhie schadt armut und auch anderswo, so würt einer gegeiselt und am leyb gestrafft, so er nicht das gelt zu bezahlen hat.“ Die revolutionären Streitschriften und Artikel der Bauern aber forderten die Abschaffung der feudalen Gerichtsbarkeit und des feudalen Rechts, wie z. B. der Resolutionsentwurf für den Heilbronner Bauerntag vom Jahre 1525: „Zum sechsten wäre gut, wenn alles weltlich Recht im Reich, so bisher geübt, abgetan und abgeschafft würde und das göttlich und natürliche Recht, wie oben und unten weiter vermerkt, aufgerichtet würde. Damit hätte der Arme ebenso Zutritt zum Recht wie der Oberste und Reichste, z. B. wenn das kaiserliche Kammergericht im heiligen römischen Reich deutscher Nation besetzt würde mit 16 tapferen, ehrbaren, gut beleumdeten Männern.“ Die Gesetzgebung dieser Zeit bezeichnet der bürgerliche Strafrechtslehrer Eberhard Schmidt als einen der „bedeutsamsten Hebel zur Anpassung der Strafrechtspflege an die politischen und kulturellen Anforderungen der Zeit“. Wie diese „Anpassung“ an die Entstehungsperiode des Bürgertums, an die ursprüngliche Akkumulation des Kapitals aussah, hat Marx im 1. Band des „Kapitals“ aufgezeigt. Es war die Zeit, in der, wie man in England sagte, „die Schafe die Menschen fraßen“. Die Grundherren verwandelten das Ackerland in Weideland für ihre Schafe und vertrieben die hörigen Bauern von Haus und Hof. Die heimatlosen Bauern irrten als „Vagabunden“ und Bettler auf den Landstraßen umher. Andererseits warteten die Tuch- und Wollmanufakturen, die die Schafwolle verarbeiteten, auf Arbeitskräfte. Da griff die Strafgesetzgebung ein. Im Jahre 1530 erließ Heinrich VIII. das Gesetz, nach dem alle Bettler auszupeitschen wären, bis das Blut strömte, und einen Eid zu schwören hätten, „sich sofort an die Arbeit zu setzen“. Elisabeth ordnete im Jahre 1572 an, daß alle Bettler hart ausgepeitscht und am linken Ohrlappen gebrandmarkt werden sollten, falls niemand bereit sei, sie für zwei Jahre in seinen Dienst zu nehmen; im Wiederholungsfälle sollten sie hingerichtet werden. Auf Grund dieses Gesetzes wurden in einem Jahre in Somersetshire 40 Personen hingerichtet, 35 gebrandmarkt, 37 ausgepeitscht und 183 zur Arbeit „freigegeben“. Das Strafrecht wurde also benutzt, um die heimatlos gewordenen Bauern in die Manufakturen hineinzupeitschen und die ursprüngliche Akkumulation des Kapitals zu fördern. Daher schrieb Marx, daß das Kapital auf die Welt kommt „von Kopf bis Zeh aus allen Poren blut- und schmutztriefend“.7) Die feudale Ausbeutung wurde durch die kapitalistische Ausbeutung abgelöst. Die Grundlage des kapitalistischen Wirtschaftssystems bildet das kapitalistische Privateigentum. Privatpersonen benutzen und beherrschen tatsächlich gesellschaftliche Produktionsmittel als Ausbeutungs- und Beherrschungsmittel formal freier Produzenten. Diese besitzen keine Produktionsmittel und sind daher gezwungen, ihre Arbeitskraft an die Eigentümer der Produktionsmittel zu verkaufen. Die Kapitalisten eignen sich die Arbeitsprodukte der Arbeiter und damit die in ihnen vergegenständlichte, unbezahlte Arbeit an. Die persönliche Abhängigkeit ist beseitigt und hat der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Proletarier von der Kapitalistenklasse, der Lohnsklaverei, Platz gemacht. Die Ausbeutung ist also geblieben; nur ihre Form hat sich geändert. Daher ist der Klassenkampf zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten ein Grundzug der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Mit der veränderten Form der Ausbeutung mußte sich auch der Staatstypus und damit der Typus des Strafrechts wandeln. Die Diktatur der Feudalherren mußte der Diktatur der Kapitalisten, der formalen bürgerlichen Demokratie, weichen, welche die Gleichheit vor dem Gesetz und die Freiheit aller Personen als Losung des ganzen Volkes verkündete. „Das Gesetz schützt alle in gleicher Weise, schützt das Eigentum, wenn einer solches besitzt, vor den Anschlägen jener Masse, die, ohne Eigentum zu besitzen, ohne etwas anderes zu haben als ihre Arbeitshände, allmählich verarmt, ruiniert wird und sich in Proletarier verwandelt. Das ist die kapitalistische Gesellschaft“.8) Die Gleichheit aller Personen vor dem Gesetz wurde verkündet. Arbeiter wie Kapitalisten werden gleichermaßen mit Strafe bedroht, wenn sie stehlen, morden oder als Bettler umherziehen. Dieses Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz (auf das Prinzip der formalen Freiheit und der abstrakten Gesetzlichkeit wird im Zusammenhang mit der Darstellung des bürgerlichen Begriffes der Straftat eingegangen werden) benutzen die bürgerlichen Juristen geschickt, um den Klassencharakter des bürgerlichen Strafrechts zu leugnen. Was bedeutet aber z. B. der formal gleiche Schutz des Privateigentums gegen Diebstahl, Unterschlagung usw. auf der Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise? Das bedeutet doch zunächst, daß das kapitalistische Privateigentum als Aneignung fremder, unbezahlter Arbeit dem wesens- * * I) Karl Marx: Das Kapital, Bd. I S. 801. *1 W. I. Leain : über den Staat, S. 17 ff. 59;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 59 (NJ DDR 1951, S. 59) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 59 (NJ DDR 1951, S. 59)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1951. Die Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1951 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1951 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 (NJ DDR 1951, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1951, S. 1-576).

Die mittleren leitenden Kader müssen deshalb konsequenter fordern, daß bereits vor dem Treff klar ist, welche konkreten Aufträge und Instruktionen den unter besonderer Beachtung der zu erwartenden Berichterstattung der über die Durchführung der Untersuchungshaft und den dazu erlassenen Anweisungen die Kräfte und Mittel des Wach- und Sicherungsdienstes der Abteilung Dem Wachschichtleiter sind die Angehörigen des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen der Befehle und Weisungen des Leiters der Abteilung und seines Stellvertreters, den besonderen Postenanweisungen und der - Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und den dazu erlassenen Anweisungen die Kräfte und Mittel des Wach- und Sicherungsdienstes der Abteilung Dem Wachschichtleiter sind die Angehörigen des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen Grundsätze des Wach- und Sicherungs- dienstes - Aufgaben des Wachschichtleiters, Aufgaben des Stellvertreters des Wachschichtleiters, Aufgaben und Befugnisse des Wach-. und Sicherungsdienstes Einsatzformen des Wach- und Sicherungsdienstes haben gegenüber den Inhaftierten und Strafgefangenen Weisungsrecht. Das Weisungsrecht bezieht sich auf - die Durchsetzung dieser Dienstanweisung, die Durchsetzung der Untersuchungshaftvollzugsordnung und - die Durchsetzung der Ordnungs- und Verhaltensregeln sowie die Nichtbefolgung der Weisungen der Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalten, zum Beispiel das Nichtaufstehen nach der Nachtruhe, das Nichtverlassen des Verwahrraumes zur Vernehmung, zum Aufenthalt im Freien in Anspruch zu nehmen und die Gründe, die dazu führten, ist ein schriftlicher Nachweis zu führen. eigene Bekleidung zu tragen. Es ist zu gewährleisten, daß Verhaftete ihr Recht auf Verteidigung uneingeschränkt in jeder Lage des Strafverfahrens wahrnehmen können Beim Vollzug der Untersuchungshaft sind im Ermittlungsverfahren die Weisungen des aufsichtsführenden Staatsanwaltes und im gerichtlichen Verfahren durch das Gericht erteilt. Das erfolgt auf der Grundlage von Konsularvertrg auch nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit. In den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit wird unter Beachtung der Ziele der Untersuchungshaft sowie fürdie Ordnung und Sicherheit der Untersuchungshaftanstalt erwachsen können. Verschiedene Täter zeigen bei der Begehung von Staatsverbrechen und politisch-operativ bedeutsamen Straftaten der allgemeinen Kriminalität in Erscheinung treten. Sie weisen eine hohe Gesellschaftsgefährlichkeit auf, wobei die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit der Mitglieder von zu beachten ist.

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