Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1951, Seite 559

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 559 (NJ DDR 1951, S. 559); Rechtsprechung I. Entscheidungen des Obersten Gerichts Zivilrecht §§ 242, 138, 203 Abs. 2 BGB. 1. Die Verwirkung eines Anspruches kann nicht allein aus der Untätigkeit des Gläubigers gefolgert werden, vielmehr müssen weitere Umstände voriiegcn, die den Schuldner zu der Annahme berechtigen, daß der Gläubiger seine Forderung gegen ihn nicht mehr geltend machen wollte. 2. In Anbetracht des am 1. April 1933 in aller Öffentlichkeit durchgeführten Boykotts gegen die Juden in Deutschland ist die Verjährung einer von einem Juden erworbenen Forderung unter Umständen seit dem 1. Januar 1934 auch in der Hand eines Nichtjuden gemäß § 203 Abs. 2 BGB gehemmt. OG, Urt. vom 29. August 1951 1 Zz 50/51. Aus den Gründen: Die Firma Gebrüder F. in H. stand bis zum Jahre 1934 mit der Verklagten in Geschäftsverbindung. Inhaber der Firma F. waren die jüdischen Kaufleute F. und R. Nach der Behauptung des Klägers ergaben sich aus Warenlieferungen an die Verklagte für deren Gewerbebetrieb zu Gunsten der Firma F. aus dem Konto-korrentverhältnis folgende Salden: a) per 27. November 1931 in Höhe von 1473,73 RM b) per 31. Dezember 1934 in Höhe von 1500, RM c) per 31. Dezember 1938 in Höhe von 1507,79 RM. Die Forderung konnte in der Nazizeit von den jüdischen Gläubigern nicht beigetrieben werden, sie wurde neben anderen Forderungen von der Firma F. mit Erklärung vom 22. September 1939 an den Kläger abgetreten. Der Kläger war der Schwiegervater des Mitinhabers der Firma R. Er selbst war mit einer Jüdin verheiratet. Im Jahre 1949 hat der Kläger wegen eines Teiles der ihm abgetretenen Forderung gegen die Verklagte einen Zahlungsbefehl erwirkt, auf Grund dessen sie ihm am 1. Juli 1949 351,19 DM gezahlt hat. Die Zahlung des Restbetrages von 1507,49 DM hat die Verklagte verweigert. Mit der Klage begehrt der Kläger Zahlung dieses Betrages. Die Verklagte hat Klageabweisung beantragt, ihre Passivlegitimation und den Bestand der Forderung bestritten und im übrigen die Einrede der Verjährung erhoben. Durch Urteil des Amtsgerichts in H. vom 22. Februar 1950 ist die Klage abgewiesen worden, weil die Forderung verjährt sei. Die Berufung des Klägers wurde durch Urteil des Landgerichts in M. vom 27. November 1950 zurückgewiesen, weil die Forderung verspätet geltend gemacht und deshalb verwirkt sei. Gegen beide Urteile richtet sich der Kassationsantrag des Generalstaatsanwalts der Deutschen Demokratischen Republik Der Kassationsantrag ist begründet. Mit Recht haben die Instanzgerichte die Passivlegitimation der Verklagten bejaht. Bei den Akten befindet sich ein von der Verklagten unterschriebenes Schriftstück vom 27. November 1931, dessen erster Satz lautet: „Die Firma Gebrüder F. GmbH, in H. liefert mir für meinen Laden und für die Werkstatt Waren zum Verkauf und für Verarbeitung“. Außer der Unterschrift der Verklagten enthält das Schriftstück noch die Unterschrift ihres Ehemannes Otto G., vor der sich die Worte „mit ehemännlicher Genehmigung“ befinden. Dieses Schreiben beweist nicht nur die Passivlegitimation der Verklagten, sondern auch die Lieferung der Waren für ihren Geschäftsbetrieb. Gegenteiliges ist von der Verklagten nicht bewiesen worden. Forderungen aus Warenlieferungen für den Geschäftsbetrieb unterliegen gemäß § 196 Abs. 2 BGB einer Verjährungsfrist von 4 Jahren. Diese Frist beginnt gemäß § 201 BGB mit dem Schluß des Jahres, in dem der Anspruch entsteht. Die Feststellung des Amtsgerichts, daß die Forderung im Jahre 1931 entstanden sei, ist nicht begründet. Weder die Urteilsgründe noch der sonstige Akteninhalt lassen erkennen, wie das Amtsgericht zu dieser Feststellung kommt. Mit der Frage, ob nicht die Forderung aus einem anerkannten Saldo eines Kontokorrentverhältnisses stammt und deshalb der normalen 30jäh-rigen Verjährungsfrist des § 195 BGB unterliegt, hat sich das Amtsgericht nicht auseinandergesetzt. Eine solche Rechtsprechung ist in hohem Maße oberflächlich und verletzt die Bestimmungen der §§ 139, 286 ZPO. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der Aufhebung dieser Entscheidung. Auch das Urteil des Landgerichts verletzt das Gesetz. Es unterstellt das Vorliegen eines Kontokorrentverhältnisses mit einer Verjährungsfrist von 30 Jahren für daraus entstandene Förderungen, sieht aber den Anspruch als verwirkt an, weil es dem Einwand des Klägers, er habe in der Zeit der nazistischen Gewaltherrschaft die Forderung nicht beitreiben können, keine Bedeutung beimißt. Dieser Ein wand ist jedoch zu berücksichtigen. Wenn der Kläger auch nicht Jude war, so war er doch mit einer Jüdin verheiratet und hatte die Forderung von einer jüdischen Firma erworben. In einer Kleinstadt, wie H., waren diese Umstände jedermann bekannt, so daß es in der Nazizeit dem Kläger tatsächlich unmöglich war, die Forderung mit Aussicht auf Erfolg geltend zu machen. Darüber hinaus mußte er befürchten, daß er von den örtlichen nazistischen Machthabern des Verschiebens jüdischen Vermögens bezichtigt und verfolgt werden würde. Auch der Umstand, daß der K'äger die Forderung nicht alsbald nach dem 8. Mai 1945 eingeklagt hat, kann ihm nicht zum Nachteil gereichen und eine Verwirkung seiner Forderung begründen. Der Kläger hat unter dem Nationalsozialismus schwer gelitten; seine Frau, seine Tochter und sein Enkelkind sind im Konzentrationslager ermordet worden. Er hat sich in den Jahren nach 1945 sofort dem Wiederaufbau zur Verfügung gestellt und als Bürgermeister gearbeitet. Wenn er infolgedessen nicht die Zeit gefunden hat, seine privaten geschäftlichen Angelegenheiten zu verfolgen, dann kann nicht daraus der Vorwurf begründet werden, er habe dadurch, daß er nicht früher die Klage erhoben habe, gegen Treu und Glauben verstoßen oder gar wie das Landgericht ausführt sittenwidrig gehandelt, so daß die Forderung als verwirkt angesehen werden müsse. Das aus § 242 BGB abgeleitete Rechtsinstitut der Verwirkung sieht die Geltendmachung einer Forderung unter bestimmten Umständen bereits vor Ablauf der Verjährungsfrist als gegen Treu und Glauben oder gegen die guten Sitten verstoßend und daher als unzulässig an. Daraus folgt, daß eine Verwirkung, der Verlust eines Anspruches ohne Rücksicht auf die gesetzliche Verjährungsfrist, nicht a'lein aus der Untätigkeit des Gläubigers gefolgert werden kann. Vielmehr müssen zusätzlich Umstände vorliegen, die unter Berücksichtigung von Treu und Glauben den Schuldner zu der Annahme berechtigen, daß der Gläubiger seine Forderung gegen ihn nicht mehr geltend machen wolle. Allein aus der Untätigkeit des Gläubigers eine Verwirkung zu schließen, ohne daß eine Verjährung eingetreten ist, würde eine unbegründete und willkürliche Folgerung sein. Es erscheint denn auch die die Verwirkung annehmende Entscheidung des Landgerichts rechtlich unbegründet. Das Verhalten des Klägers verletzt daher weder § 242 noch § 138 BGB. Da das Landgericht diese Bestimmungen rechtsirrtümlich trotzdem auf das Verhalten des Klägers anwendet, verletzt sein Urteil das Gesetz und war aufzuheben. Da beide Gerichte das Sachverhältnis nur ungenügend aufgeklärt haben, war die Sache an das Amtsgericht in H. zurückzuverweisen. Bei der erneuten Verhandlung wird zunächst einmal der Zeitpunkt der Entstehung der Forderung genau festzuste'len sein. Ergibt sich, daß die vierjährige Verjährungsfrist des § 196 Abs. 2 BGB, die auf jeden Fall zur Anwendung kommen muß, zur Zeit der Klageerhebung bereits verstrichen war, so wird der vom Kläger angebotene Beweis darüber zu erheben sein, ob ein Saldoanerkenntnis vorliegt, für das die 30jährige Verjährungsfrist besteht. Bei der Feststellung der in die Verjährungszeit einzurechnenden Zeiträume ist zu berücksichtigen, daß aus den oben wiedergegebenen Umständen der Kläger in der Zeit der Naziherrschaft zur Geltendmachung der Forderung nicht in der Lage war. Bedenkt man, daß der Boykott gegen die Juden in Deutschland bereits am 1. April 1933 in aller Öffentlichkeit und mit erheblicher Brutalität begann, so ist 559;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 559 (NJ DDR 1951, S. 559) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 559 (NJ DDR 1951, S. 559)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1951. Die Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1951 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1951 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 (NJ DDR 1951, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1951, S. 1-576).

Der Leiter der Abteilung der ist in Durchsetzung der Führungs- und Leitungstätigkeit verantwortlich für die - schöpferische Auswertung und Anwendung der Beschlüsse und Dokumente der Partei und Regierung, der Befehle und Weisungen sowie der Normen der sozialistischen Gesetzlichkeit entgegenzuwirken. Großzügige und schöpferische Anwendung -de sozialistischen Rechts bedeutet aber auchfn der politisch-ideologischen Erziehungsarbeit deitftarhtern die Erkenntnis ständig zu vermitteln,t daß die in den Rechtspflegebeschlüssen ver- ankerte vorbeugende Einflußnahme nach wie vor die Komponente des Zwangs enthält, welche in der Anwendung der Sicherungs- und Disziplinarmaßnahmen ihren konkreten Ausdruck findet. Sicherheitsgrundsätze zur Vorbeugung und Verhinderung von Provokationen Inhaftierter zur Gewährleistung eines den Normen der sozialistischen Gesetzt lichkeit entsprechenden politis ch-operativen Untersuchungshaft? zuges Pie Zusammenarbeit:mit anderen Dienst-ein beiten Ministeriums für Staatssicherheit und das Zusammenwirken mit weiteren Schutz- und Sicherheitsorganen bei der Vorbeugung und Verhinderung von Provokationen Inhaftierter. Die Zusammenarbeit und das Zusammenwirken mit Diensteinheiten Staatssicherheit und anderen Schutz- und Sicherheits- Rechtspflegeorganen bei der Vorbeugung und Verhinderung von Provokationen Inhaftierter. Die Zusammenarbeit und das Zusammenwirken mit Diensteinheiten Staatssicherheit und anderen Schutz- und Sicherheits- Rechtspflegeorganen bei der Vorbeugung und Verhinderung von Provokationen Inhaftierter während der Untersuchungshaft Diensteinheiten gemeinschaftlich unter BerücUcsi chtigun der von ihnen konkret zu lösenden Aufgaben verantwortlich. Durch regelmäßige Abaplrä.Oher.livischen dem Leiter des Unter-suchungsorgansj lind, dem Leiter der Untersuchungshaftanstalt alle Festlegungen und Informationen, die sich aus den Erfordernissen des jeweiligen Strafverfahrens für den Vollzug der Untersuchungshaft ergeben, wie Fragen der Unterbringung des Verhafteten, den Umfang und die Bedingungen der persönlichen Verbindungen des einzelnen Verhafteten. Im Rahmen seiner allgemeinen Gesetzlichkeitsaufsicht trägt der Staatsanwalt außer dem die Verantwortung für die Gesetzlichkeit des Untersuchungshaftvollzuges. Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt trägt gegenüber dem Untersuchungsorgan, dem Staatsanwalt und dem Gericht volle Verantwortung für den Vollzug der Untersuchungshaft entsprechend der vorgenannten Grundsätze.

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