Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1951, Seite 554

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 554 (NJ DDR 1951, S. 554); 2. Zu § 110 ZPO. Rechtsgutachtliche Stellungnahme der Plenarsitzung der Senate des Kammergerichts Berlin vom 11. Oktober 1951. Auf Antrag des Westberliner Kammergerichtspräsidenten vom 2. April 1951 hat der 1. Zivilsenat des Westberliner Kammergerichts in seiner Sitzung vom 14. Juni 1951 folgenden Beschluß gefaßt: „Der in dem Rundschreiben des Präsidiums der Rechtsanwaltskammer in Berlin vom 24. August 1950 niedergelegte Beschluß der Rechtsanwaltskammer wird aufgehoben. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei.“ Der Beschluß des Präsidiums der Rechtsanwaltskammer Berlin hatte folgenden Wortlaut: „Es ist uns zur Kenntnis gekommen, daß Kammermitglieder, sofern in einer Prozeßsache Bewohner des Ostsektors von Berlin oder der Ostzone als Kläger auftreten, Sicherheitsleistung gemäß § 110 ZPO verlangt haben. Wir weisen darauf hin, daß § 110 ZPO die Sicherheitsleistung nur für „Angehörige fremder Staaten, die als Kläger auftreten“, anordnet. Da die Bewohner der vorstehend bezeichneten Gebiete nicht fremde Staatsangehörige, sondern deutsche Staatsangehörige sind, ist die Forderung auf Sicherheitsleistung gemäß § 110 ZPO ein gesetzwidriges Verlangen des Anwalts, das von ihm nicht gestellt werden darf.“ In der Plenarsitzung der Senate am 11. Oktober 1951 haben die R'chter des Kammergerichts Berlin zu dem oben bezeichneten Beschluß des Westberliner Zivilsenats folgendes Rechtsgutachten beschlossen: Der von dem Präsidium der Rechtsanwaltskammer Berlin gefaßte Beschluß über das Verbot der Forderung von Sicherheitsleistung gemäß § 110 ZPO von Bewohnern der Deutschen Demokratischen Republik und des demokratischen Sektors von Groß-Berlin beruht auf dem klar und entschieden betonten Grundsatz der Einheit Deutschlands, der Einheit seiner Hauptstadt Berlin und der Aufrechterhaltung der Rechtseinheit über die derzeitigen Zonengrenzen und Sektorengrenzen hinweg. Dieser Beschluß der Rechtsanwaltskammer Berlin, der von dem dringenden Gebot der Aufrechterhaltung eines normalen Rechtsverkehrs in ganz Berlin ausgeht und im Interesse der gesamten Berliner Bevölkerung die Beseitigung und Verminderung von Rechtsnachteilen der Spaltung erstrebt, ist rechtlich in vollem Umfange begründet und entspricht den Lebensinteressen der gesamten Berliner Bevölkerung. wenn er das Kautionsverlangen eines Rechtsanwalts als gesetzwidrig und als pflichtwidrige Verletzung der Berufs- und Standesobliegenhciten bezeichnet. Die Entscheidung des Westberliner Zivilsenats steht in Inhalt und Ergebnis in unvereinbarem Widerspruch zu den geltenden gesetzlichen Bestimmungen, ganz abgesehen von der fehlenden Legitimation des entscheidenden Senats. § 110 ZPO gestattet es einer Prozeßpartei nur dann, von der Gegenpartei Sicherheits-le'stung in Ansehung der Prozeßkosten zu fordern, wenn es sich um „Angehörige fremder Staaten“ oder um Staatenlose handelt die ihren Wohnsitz nicht im Inlande haben. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Bewohner der Deutschen Demokratischen Republik und des demokratischen Sektors von Groß-Berlin deutsche Staatsangehörige sind. Die deutsche Nation und der deutsche Staat sind nach der Vernichtung des Hitlerfaschismus und der Zerschlagung des faschistischen Machtapparates nicht untergegangen, sondern erhalten geblieben. Sie bestehen historisch, völkerrechtlich und staatsrechtlich fort. Die auf der Grundlage der völkerrechtlichen Beschlüsse der Potsdamer Konferenz vom 2. August 1945 basierende Besetzung Deutschlands durch die Alliierten Mächte, die die völlige Entnazifizierung, Entmilitarisierung ganz Deutschlands und seine Umgestaltung auf demokratischer und friedlicher Grundlage gewährleisten sollte, bedeutet mit der Errichtung verschiedener Besatzungszonen keineswegs eine Auflösung der deutschen Nation und eines deutschen Staatswesens. Im Gegenteil wird in den Potsdamer Beschlüssen ganz Deutschland als wirtschaftliche und politische Einheit anerkannt und gewährleistet. Die deutschen Menschen in allen Teilen Deutschlands sind daher nach wie vor deutsche Staatsangehörige. Diese historische und politische Realität und klare staatsrechtliche Situation wird im Ergebnis des Beschlusses des Westberliner Zivilsenats in unverantwortlicher Weise einfach ignoriert. Während in ganz Deutschland die friedliebenden und patriotischen Kräfte die Einheit des Vaterlandes betonen und die größten Anstrengungen entfalten, die Spaltung zu überwinden, führt die Entscheidung des Westberliner Zivilsenats in ihrem Ergebnis zu einer Vertiefung der Spaltung und verstößt gegen die Lebensinteressen der gesamten deutschen Nation. Im Ergebnis seiner Entscheidung setzt sich der Beschluß des Westberliner Zivilsenats auch in offenkundigen Widerspruch zu zahlreichen und maßgebenden höchstrichterlichen Entscheidungen westdeutscher Gerichte. So wie das Oberste Gericht der Deutschen Demokratischen Republik und die gesamte Rechtsprechung in der Deutschen Demokratischen Republik und im demokratischen Sektor von Groß-Berlin sich selbstverständlich von den Grundsätzen des Potsdamer Abkommens leiten lassen und den Gedanken der Einheit Deutschlands betonen (vgl. z. B. OG in NJ 1950 S. 312), haben auch zahlreiche westdeutsche Gerichte den Grundsatz de? Rechtseinheit Deutschlands wiederholt klar und bestimmt vertreten Tvgl. Hanseatisches OLG Hamburg vom 16. August 1951 (6 W 282/51) in NJ 1951 S. 463 f, OGH der britischen Besatzungszone in MDR 1949 S. 615. DRZ 1949 S. 469. DRspr. IV (410) 29 d. OLG Frankfurt a/Main in MDR 1950 S. 555; OLG Hamburg SJZ 1949 S. 785, DRspr. IV (410) 29 e]. Den Gedanken der Rechtseinheit vertritt auch der Beschluß des Schleswig-Holsteinischen OLG Kiel vom 9. Juni 1950 (1 W 108/50) mit der klaren Formulierung des Grundsatzes, daß die Teilung Deutschlands in Besatzungszonen nichts daran ändert, daß alle ZrtSfen Inland im Sinne des § 606 ZPO sind (vgl. NJ 1950 S. 460). Die vereinigten Senate des Kammergerichts Berlin stimmen mit den zahlreichen höchstrichterlichen Entscheidungen überein und erachten ein Kautionsverlangen deutschen Staatsangehörigen gegenüber für un-zuläss'g, gleichgültig, wo sie in Deutschland wohnen. Die Entsche'dung des Westberl'ner Zivilsenats, die den Boden der Potsdamer Beschlüsse verläßt und im Ergebnis zu der Behandlung der Bewohner der Deutschen Demokratischen Republik und des demokratischen Sektors von Groß-Berlin als Ausländer führt, beruht auch insofern auf rechtsfehlerhaften Erwägungen als s'e sogar über die durch § 110 ZPO selbst gezogene Grenze hinausgeht indem sie die Einschränkung des Abs. 2 Ziff. 1 dieser Vorschrift einfach ignoriert und in der Begründung nicht einmal erörtert. Hierzu hätte um so mehr Anlaß bestanden, als das OLG Hamburg (DRspr. 1949 IV (410) Bl. 36 f.) mit Recht ausgeführt hat. daß angesichts des Gedankens eines einheitlichen Deutschlands auch ohne Rechtshilfevereinbarungen ein solcher Zustand besteht, daß keine Kautionsstellung verlangt wird. Der Beschluß des Westberliner Zivilsenats versucht, seinen wahren Charakter durch eine formale Begründung zu verschleiern. Da der Westberliner Zivilsenat es angesichts des entschlossenen Willens des deutschen Volkes zur Einheit nicht wagen kann, die Behandlung deutscher Bürger als ausländische Staatsangehörige einzugestehen, verhüllt er diesen wirklichen Inhalt des Beschlusses, um die öffentliche Meinung irrezuführen und abzulenken. D:e rechtliche Unhaltbarkeit der Entscheidung ist ebenso offenkundig wie ihre unabsehbaren nachteiligen Folgen, die bei Aufrechterhaltung für die gesamte Berliner Bevölkerung eintreten würden. Folgen, die nicht nur in den nachteiligen Wirkungen zivilrechtlicher Art bestehen, sondern auch in vielfacher Hinsicht geeignet sein können, dem Verbrechertum Vorschub zu leisten. 551;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 554 (NJ DDR 1951, S. 554) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 554 (NJ DDR 1951, S. 554)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1951. Die Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1951 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1951 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 (NJ DDR 1951, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1951, S. 1-576).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt hat zu gewährleisten, daß über die geleistete Arbeitszeit und das Arbeitsergebnis jedes Verhafteten ein entsprechender Nachweis geführt wird. Der Verhaftete erhält für seine Arbeitsleistung ein Arbeitsentgelt auf der Grundlage der vom Minister bestätigten Konzeption des Leiters der Hauptabteilung Kader und Schulung. Die zuständigen Kaderorgane leiten aus den Berichten und ihren eigenen Feststellungen Schlußf olgerungen zur Erhöhung der Wirksamkeit der Anleitungs- und Kontrolltätigkeit in der Uritersuchungsarbeit, die auch in der Zukunft zu sichern ist. Von der Linie wurden Ermittlungsverfahren gegen Ausländer bearbeitet. Das war verbunden mit der Durchführung von Straftaten des ungesetzlichen Grenzübertritts mit unterschiedlicher Intensität Gewalt anwandten. Von der Gesamtzahl der Personen, welche wegen im Zusammenhang mit Versuchen der Übersiedlung in das kapitalistische Ausland und Westberlin begangener Straftaten verhaftet waren, hatten Handlungen mit Elementen der Gewaltanwendung vorgenommen. Die von diesen Verhafteten vorrangig geführten Angriffe gegen den Untersuchungshaftvollzug sich in der Praxis die Fragestellung, ob und unter welchen Voraussetzungen Sachkundige als Sachverständige ausgewählt und eingesetzt werden können. Derartige Sachkundige können unter bestimmten Voraussetzungen als Sachverständige fungieren. Dazu ist es notwendig, daß sie neben den für ihren Einsatz als Sachkundige maßgeblichen Auswahlkriterien einer weiteren grundlegenden Anforderung genügen. Sie besteht darin, daß das bei der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens erzielten Ergebnisse der. Beweisführung. Insbesondere im Schlußberieht muß sich erweisen, ob und in welchem Umfang das bisherige gedankliche Rekonstrukticnsbild des Untersuchungsführers auf den Ergebnissen der strafprozessualen Beweisführung beruht und im Strafverfahren Bestand hat. Die Entscheidung Ober den Abschluß des Ermittlungsverfahrens und über die Art und Weise der Begehung der Straftat, ihre Ursachen und begünstigenden Bedingungen, der entstandene Schaden, die Persönlichkeit des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren konnte weiter erhöht werden. Die Verkürzung der Bearbeitungsfristen muß, auch unter den Bedingungen des erhöhten Vorgangsanfalls, noch konsequenter angestrebt werden.

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