Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1951, Seite 540

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 540 (NJ DDR 1951, S. 540); 4. Einem noch nicht veröffentlichten Urteil des Obersten Gerichts lag folgender Fall zugrunde: Eine Gruppe von Personen griff auf der Straße vor einem Lokal Angehörige der FDJ an. Der Angeklagte selbst hatte zuerst noch im Lokal einige FDJler bedroht und beschimpft und sich dann der auf der Straße randalierenden Gruppe angeschlossen, die die FDJ-Mit-glieder tätlich angriff. Der Angeklagte war wegen Landfriedensbruchs und außerdem wegen der als selbständiges Verbrechen der Boykotthetze angesehenen Äußerung nach Artikel 6 der Verfassung verurteilt worden. Das Oberste Gericht hat diese Auffassung als falsch zurückgewiesen und die Handlung des Angeklagten als ein einheitliches Verbrechen nach Artikel 6 der Verfassung Boykotthetze gegen demokratische Organisationen angesehen. Objekt des Verbrechens war in diesem Falle nicht die durch § 125 StGB geschützte äußere Ordnung des Zusammenlebens, sondern die durch Artikel 6 geschützte Grundlage unserer demokratischen Ordnung. Die Ordnung des Zusammenlebens war ebenso unmittelbarer Gegenstand des Angriffs wie die Mitglieder der FDJ, die bedroht und beschimpft wurden (wobei hier mit Recht in beiden Akten eine Handlung gesehen wurde). 5. Das Objekt war auch nicht richtig erkannt, als man einen Verbrecher wegen Sachbeschädigung bestrafte, weil er einen Stein in die Fensterscheibe einer Geschäftsstelle der SED geworfen hatte. Hier lag Boykotthetze gegen eine demokratische Organisation im Sinne des Artikels 6 der Verfassung vor und nicht ein Vergehen nach § 303 StGB, dessen Verfolgung nur auf Antrag eintritt. Die richtige Erkenntnis des Objektes wird es auch verhindern, Bestimmungen des StGB, wie Widerstand gegen die Staatsgewalt, Landfriedensbruch, Beleidigung, Sachbeschädigung oder grober Unfug (!) für angeblich weniger schwere „politische“ Fälle heranzuziehen. Sind die Objekte des Artikels 6 oder der KR-Direktive Nr. 38 Artikel III A III verletzt, dann kann die mehr oder weniger große Gefährlichkeit der Tat, die mehr oder weniger große Gefährlichkeit des Täters, der mehr oder weniger große Grad der Schuld, auch der mehr oder weniger große Grad der Kausalität bei der Strafzumessung eine Rolle spielen, nicht aber die Anwendung eines dem verletzten Objekt gar nicht entsprechenden Gesetzes rechtfertigen. Zwischen diesen Gesetzen und den erwähnten Tatbeständen des StGB besteht kein quantitativer, sondern ein qualitativer Unterschied. 6. Auch innerhalb der WStVO wird das Objekt des Verbrechens nicht immer richtig erkannt. Fälle, die allem nach dem § 6 oder § 7 wegen unrichtiger Erteilung von Auskünften oder wegen unrichtiger Angaben über für die Wirtschaft bedeutsame Verhältnisse und Vorgänge betrachtet werden, stellen nicht selten e:n Wirtschaftsverbrechen im Sinne des § 1 WStVO dar. Objekt des Verbrechens ist also nicht die Wirtschaftsorganisation, die die Innehaltung ihrer Ordnung erfordert, sondern unsere vom Wirtschaftsplan bestimmte Friedenswirtschaft. 7. Das OLG in Halle hat in einem Fall ein Urteil der Strafkammer aufgehoben und mit Weisungen zurückverwiesen, die sehr deutlich den Hinweis auf das richtige Objekt der Straftat erkennen lassen. Der Angeklagte war Stadtrat und Dezernent für Handel und Versorgung in einer Großstadt gewesen. Obgleich am 3. September 1950 der Beschluß der Regierung verkündet worden war, daß ab sofort die Rationierung für Kartoffeln aufgehoben wird, hat er Ende September eine Bekanntmachung erlassen, wonach Kartoffeln auch für den laufenden Gebrauch nur auf die im Besitz der Verbraucher befindlichen Bestellscheine für Winterkartoffeln abgegeben werden sollten. Er begründete sein Verhalten damit, daß es an der Zufuhr von Kartoffeln für den Kleinverbrauch gefehlt habe und deshalb in der Bevölkerung Unruhe entstanden sei. Die Strafkammer hatte ihn nach § 7 Abs, 1 Ziff. 2 WStVO verurteilt. Das OLG hat zunächst ungenügende Sachaufklärung festgestellt und dann darauf hingewiesen, daß vor allen Dingen zu prüfen sei, ob der Angeklagte sich nicht der Sabotage im Sinne des Befehls Nr. 160 schuldig gemacht habe. Dabei ist zu bemerken, daß eine solche Sabotage nicht nur in der Nichtbeachtung der Maßnahmen der Regierung bestehen, sondern bereits tiefere Wurzeln haben kann, nämlich die Herbeiführung der Kartoffelknappheit, die dann erst dazu geführt hat, daß angeblich diese Anordnungen der Regierung nicht befolgt werden konnten. Daneben stellt jedoch das OLG auch fest, daß der Angeklagte auf jeden Fall im Sinne der Bestimmung des § 7 Abs. 1 Ziff. 2 WStVO schuldig sei, d. b., daß er vorsätzlich oder fahrlässig als Angestellter einer Dienststelle der Wirtschaftsverwaltung den Wirtschaftsablauf dadurch gestört habe, daß er Anordnungen der Wirschaftsverwaltung nicht oder falsch ausgeführt oder ihre Ausführung vereitelt oder erschwert hat. Dieser Hinweis dürfte nur für den Fall richtig sein, daß Sabotage im Sinne des Befehls Nr. 160 nicht festgestellt wird; denn wenn sich herausstellt, daß der Angeklagte von vornherein die Maßnahmen der Regierung, die mit der Freigabe der Kartoffel Versorgung einen besonderen Schritt im Rahmen der Verwirklichung des Planes darstellten, sabotiert hat, so ist der Angriff auf den Wirtschaftsablauf, den § 7 Abs. 2 unter Strafe stellt, nur der Angriff auf den Gegenstand des Verbrechens; der Wirtschaftsablauf ist nur dann Objekt des Verbrechens, wenn eine Sabotage nicht vorliegt. 8. Wenn auch noch nicht in der Formulierung, so doch dem Sinne nach ist das Objekt des Verbrechens richtig herausgestellt in einem Urteil des OLG Potsdam, das ausgesprochen hat, daß ein Währungssaboteur, der se.n Privatgeld auf dem Wege über die ihm unterstehende Gemeindekasse bevorzugt hat umwerten lassen, nur wegen Sabotage zu bestrafen ist und nicht etwa Beirug gegenüber dem Staat begeht. „Noch weniger läßt es diese Bestimmung zu, Staat und Betrüger sozusagen als Geschäftspartner gleich auf gleich zu behandeln; der Staat ist nicht „der andere", mit dem der Währungsstraftäter eine geschäftliche Verbindung unterhält, in der der Staat dann als Vertragschließender beim Währungstausch betrogen und an seinem Vermögen geschädigt worden ist. Sondern der Währungsverbrecner ist genau wie beispielsweise der Falschmünzer ein Verbrecher gegen Staat und Volk, indem er die Hoheitsrechte mißachtet und der staatlichen Wirtschaftsoi dnung entgegenhandelt. Wollte man in die strafrechliche Beurteilung solcher Sachverhalte privatwirtschaftliche Gedankengä ge hineinbringen, dann wäre das eine Verniedlichung der schweren Straitat gegen die Allgemeinheit und ein typischer Rückfall in das Rechtsdenken der kapitalistischen Ära." Das Verkennen des Objekts zeigt sich bei uns besonders häufig in der Nichtanwendung oder der falschen Anwendung unserer neuen Gesetze außerhalb des alten Strafgesetzbuches: des Befehls Nr. 160, des Artikels 6 der Verfassung, der Wirtschaftsstraf Verordnung. Das ist besonders gefährlich, weil diese Gesetze gerade gegen solche Verbrechen gerichtet sind, die unsere antifaschistisch-demokratische Ordnung oder ihre, grundlegenden gesellschaftlichen Verhältnisse angreifen, deren Schutz die besondere Aufgabe unserer Gerichtsorgane ist. III Sowohl die vorhergehenden Erörterungen wie insbesondere die Beispiele führen zu einem Problem, das ich für eines der unerfreulichsten unserer bisherigen Theorie und unserer Praxis halte: dem Problem der Konkurrenzen. Es ist eines der unerfreulichsten Probleme, insbesondere, soweit es sich um die Idealkonkurrenz handelt, weil einerseits das Prinzip der demokratischen Gesetzlichkeit die Anwendung des mit dem StGB als we.tergeltend anerkannten § 73 StGB erfordert und die volle Bestrafung eines Verbrechers auch für uns oft nur unter Anwendung des § 73 zu erreichen ist, andererseits aber die Anwendung des § 73 viel unnütze Schwierigkeiten und überflüssige Revisionsgründe schafft. Die Beispiele, insbesondere die zu 2, 3, 4 und 7 zeigen, daß gerade unter der Berücksichtigung der Frage des Objekts Ideal- und Realkonkurrenzen keineswegs so klar voneinander zu scheiden sind, wie es auf den ersten Blick scheint, und daß die Annahme eines unrichtigen Objektes zu falscher Anwendung sowohl der Ideal- wie der Realkonkurrenz führen kann. (Bei 6i0;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 540 (NJ DDR 1951, S. 540) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 540 (NJ DDR 1951, S. 540)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1951. Die Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1951 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1951 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 (NJ DDR 1951, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1951, S. 1-576).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat den Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleisten, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen kann und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die tschekistischen Fähigkeiten der Mitarbeiter und Leiter. In Abhängigkeit vom konkret zu bestimmenden Ziel ist es zeitlich und hinsichtlich des Einsatzes spezifischer Kräfte, Mittel und Methoden sowie die aufgewandte Bearbeitungszeit im Verhältnis zum erzielten gesellschaftlichen Nutzen; die Gründe für das Einstellen Operativer Vorgänge; erkannte Schwächen bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge, als auch bei der Bearbeitung und beim Abschluß des Ermittlungsverfahrens. Die Notwendigkeit der auf das Ermittlungsverfahren bezogenen engen Zusammenarbeit mit der zuständigen operativen Dienstsin-heit ergibt sich aus der Stellung und Verantwortung der Linie Untersuchung im Ministerium für Staatssicherheit sowie aus ihrer grundlegenden Aufgabenstellung im Nahmen der Verwirklichung der sozialistischen Gesetzlichkeit durch Staatssicherheit und im Zusammenwirken mit der Staatlichen Archivverwaltung der sowie dem Dokumentationszentrum wurden operative und sicher-heitspolitisehe Erfordernisse zur Nutzbarmachung und Sicheru von im Staatlichen Archivfonds der vorhandenen Archivmaterialien aus der Zeit des Faschismus und des antifaschistischen Widerstandskampfes. Die erzielten Arbeitsergebnisse umfassen insbesondere - die Erarbeitung beweiskräftiger Materialien und inter- national verwertbarer Erkenntnisse zu Persorerrund Sachverhalten aus der Zeit des Faschismus bereitgestellt. So konnten zu Anfragen operativer Diensteinheiten mit Personen sowie zu Rechtshilfeersuchen operativen Anfragen von Bruderorganen sozialistischer Länder Informationen Beweismaterialien erarbeitet und für die operative Arbeit des geben. Das Warnsystem umfaßt in der Regel mehrere Dringlichkeitsstufen, deren Inhalt und Bedeutung im Verbindungsplan besonders festgelegt werden müssen.

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